Titelbild mit Arnold Hackbarth | Foto: Giovanni Lo Curto

„Und natürlich gab es auch etwas zu essen.“

Sammelleidenschaft | Foto: Giovanni Lo Curto
Matchbox-Autos, Schnapsfläschchen, kleine Figuren – Herr Hackbarth ist auch ein passionierter Sammler. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Überleben in Kriegszeiten

„1941 wurde ich in die Hausburgschule eingeschult, bis 1943, dann hörte die Schule dort auf. Die meisten Schüler waren ohnehin nach Pommern oder Ostpreußen verschickt worden.“ Für ein paar Tage hatte er in der Zellestraße Schule, dann einige Wochen lang in der Straßmannstraße, schließlich in der Schule in der Eckertstraße, die, wie einige Wohnhäuser auch, dort nach einem Bombentreffer während des Krieges neu errichtet worden war. Weil sie nicht ausreichend mit Luftschutzkellern versehen war, musste er einmal bis zum großen Bunker im Friedrichshain rennen, um Schutz zu finden. Dort hatte er ein traumatisches Erlebnis. „Ich lief beim Voralarm los und kam am Bunker an, als die ersten Flugzeuge schon über uns waren und die Flak auf dem Bunker zu schießen begann. Eine Menge Leute drängte sich noch vor den Eingängen und schrie vor Angst.“
Der Junge verhakte sich mit seinem Fuß in die Speichen eines Kinderwagens, stürzte und geriet unter die panische Menge. „Gerettet haben mich ein paar polnische Frauen, die gar nicht in den Bunker durften. Sie machten Soldaten auf ihn aufmerksam, die ihn unter der Menge hervorholten. „Ich werde nie was Böses über polnische Frauen sagen“, resümiert er.
Anfang 1943 erhielt die Familie eine schreckliche Nachricht. Ein Nazi-Funktionär trat auf die Mutter zu und erkundigte sich, ob sie Frau Hackbarth wäre. „Da wusste sie gleich, was passiert war, denn die Briefe des Bruders waren schon längere Zeit ausgeblieben.“ Am 20. Januar, genau an dessen Geburtstag, wurde der Bruder als im Kaukasus gefallen gemeldet. „Mein Vater durfte sich noch 300 Mark Sterbegeld abholen“, erinnert sich Herr Hackbarth mit Bitterkeit. „Doch der hat das Geld zurückgewiesen und gesagt: ‚Dafür habe ich meinen Sohn nicht großgezogen!‘ Er war ja selbst im Ersten Weltkrieg gewesen und ist dort verwundet worden.“
Überraschung und Freude waren riesengroß, als zu Weihnachten 1945 eine Klappkarte eintraf, auf der sich der tot geglaubte Sohn aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft meldete. Noch immer ist Herrn Hackbarth die Aufregung anzusehen. „Es war unser schönstes Weihnachten! Wir hatten nichts zu essen, aber waren glücklich. Und das ganze Haus hat sich mit uns gefreut.“ Ansonsten war die Bilanz des Krieges traurig: die Onkel und ein Cousin waren gefallen.
Es dauerte aber noch bis 1949, bis der Bruder zurück kam. Dann arbeitete er wieder auf dem Schlachthof. „Einmal, als ich noch in der Schule in der Eckhardtstraße war, organisierte ich einen Klassenausflug in den Schlachthof“, erinnert sich Herr Hackbarth und lacht auf. „Da hätte ich alle Lehrer der Schule mitnehmen können, weil alle so hungrig waren. Mein Bruder hat uns dort empfangen und alles gezeigt. Und natürlich gab es auch etwas zu essen.“

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