Edeltraut Pohl vor der Samariterkirche. Foto: Giovanni Lo Curto

Asylverfahren, das heißt immer noch zwischen Baum und Borke zu stehen.

Samariterhaus. Foto: Giovanni Lo Curto

Nervenaufreibende Auseinandersetzungen

Dramatisch war die Rettungsaktion eines Tschetschenen, der 2008 über Polen in die EU eingereist war und nach Polen abgeschoben werden sollte. Dort aber legt der tschetschenische Geheimdienst große Aktivitäten an den Tag. Anwälte mahnten, ihn nicht zurück zu schicken, zumal er auch nicht reisefähig war. Er unterzog sich gerade einer Behandlung im Zentrum für Folteropfer. Sein Lager, ein Feldbett, hatte er im Büro der Gemeinde aufgeschlagen. Durch einen Zufall war er gerade nicht im Samariterhaus, als die Polizei ihn dort herausholen wollte. Von nun an übernachtete er in der Kirche. Freunde besorgten ihm Videos in russischer Sprache, doch um deutsch zu lernen, bestand er auf deutsche Filme. Die Situation eskalierte, als die Polizei vor der Kirche erschien. Über eine Telefonkette wurden Freunde und Mitstreiter alarmiert, eine ganze Stunde läuteten die Kirchenglocken. Nachbarn liefen zusammen, Politiker fast aller Parteien erschienen. In der Kirche wurde Andacht gehalten, mit Taizé-Gesängen versuchte man der Anspannung zu begegnen. Schließlich brach die Polizei den Einsatz ab. Von Stund an ließ die Gemeinde den Flüchtling nicht mehr allein. Verhandlungen des Generalsuperintendenten mit dem Polizeipräsident führten zu einer medizinischen Untersuchung durch einen Polizeiarzt und zu einer Einweisung in die Charité. Frau Pohl wachte im Krankenzimmer, bis die erlösende Nachricht kam: Deutschland tritt in ein Asylverfahren ein. Dieser Erfolg war möglich, weil die Gemeinde jahrzehntelang Erfahrungen in gewaltfreier Konfliktbewältigung gesammelt hatte. Aber Frau Pohl hat auch Rückschläge erlebt. „Asylverfahren, das heißt immer noch zwischen Baum und Borke zu stehen.“ Ein Sudanese hielt es nach zehn Jahren nicht mehr aus und ging zurück ins Bürgerkriegsland. „Wir haben kurz darauf über unsere Kanäle erfahren, dass er nur zwei Tage überlebt hat.“ Das längste Asylverfahren, von dem sie gehört hat, dauerte 17 Jahre. Bis heute – nach 30 Jahren Aufenthalt in Deutschland – muss sich der Betreffende immer noch regelmäßig seine Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen.

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