Radios und mehr auf Stralau.
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Nur ein Rauschen, Knattern und Zischen, aber ganz schwach, dann deutlicher und plötzlich wie von ganz nebenan, war Musik oder Stimmen zu hören. Diese Musik war sonst nur auf Schallplatten zu kaufen. Und die Stimmen, sie sprachen ein Englisch, das von jenseits des Atlantiks kam. Das war zu erleben, wenn man sich einen „Monette 28 Röhren-Hochfrequenz- Sekundär-Fernempfänger für alle Wellen“ kaufen konnte. Mit „allen Spulen“ kostete der Radioempfänger 69,50 Mark. Zahlbar in 5 Mark Wochenraten. 1920 wurden in den USA die ersten kommerziellen Rundfunksendungen ausgestrahlt. Von den Behörden gab es kaum Einschränkungen und wenig später wurde das ganze Land von einem dichten Netz werbefinanzierter Radiosender überzogen. In Deutschland wurde der Rundfunk 1923 eingeführt. Mit strengen Vorgaben und Sendungen, die sich an ein „gebildetes Publikum“ richteten. Das neue Medium war für alle Gesellschaftsschichten faszinierend. Besonders, weil man unter bestimmten Bedingungen Radiosender aus aller Welt hören konnte, deren Programme gegenüber dem deutschen viel interessanter waren. Findige Bastler, die keine 69,50 Mark in der Geldbörse hatten, wussten, wie man sich mit auf Papprollen gewickeltem Draht und allerlei Tricks ein Radio bauen konnte. Auch diese speziellen Drähte boten die „Monette-Werke“ an.
Radioapparate
Wo sich heute die Alt Stralauer Karl-Marx-Gedenkstätte befindet, wurden von 1922 bis 1930 die „Monette-Radio-Apparate“ gefertigt. Neben dem „Monette 28, den „Monette 38“ – ein „3 Röhren-Orts- und Fernempfänger“ für 42,- Mark, der eine „Ideale Klangschönheit“, bei „größter Lautstärke“, in einem „eleganten Isoliergehäuse“ bot. Ein „großer Schlager“ war der „Monette-Kurzwellen-Vorsetzer“ für 39,30 Mark. Jeder „Röhrenapparat mit normalen Röhrensockeln“, konnte damit „Kurze Wellen“ empfangen. „Monette“, das war eine Abkürzung der Firmengründer Willy Mock und Eduard Nettebeck. Im Gebäude der einstigen „Teppichfabrik Protzen“, Alt-Stralau 4, lag der zweite „Monette“ Firmensitz, der am 8. April 1930 wichtig wurde. In der Wirtschaftskrise von 1929 ging die „Radiofabrik“ Pleite. Im Gebäude der alten Teppichfabrik wurden unter anderem asbestbeschichtete Spezialdrähte hergestellt, für die eine rege Nachfrage bestand. Hugo Nökel wurde neben Willy Mock zum Gründer der erfolgreichen „Monette Asbestdraht GmbH“. Herr Mock, der im Ersten Weltkrieg Marineflieger war, trat 1922 der Freimaurerloge „Eintracht im System der Drei Weltkugeln“ bei und erreichte 1924 den Meistergrad. Er vermied es, zur Einweihung neuer Räume Vertreter von NS-Organisationen einzuladen und führte stattdessen einen Patentprozess gegen Mitglieder der Partei. Er musste sich Verhören stellen, da er sich weigerte, zum Rüstungsbetrieb zu werden, durfte aber bis 1943 für die Rundfunkindustrie arbeiten. Dann wurde der Betrieb mit einer Liefersperre belegt und von einem kommissarischen Leiter befehligt. Vor dem Krieg waren bis zu 130 Personen, während des Krieges zwischen 50 bis 60 Leute beschäftigt.
Widerstände
Beim Bombenangriff am 26. Februar und während der Kampfhandlungen Ende April 1945, wurden 90 % des Betriebsgeländes der „Monette Spezialfabrik“ zerstört. Von Mai bis August war das Gelände von der Roten Armee besetzt. Ingenieur Mock hatte das ganze Grundstück, auf dem sich vom alten Fabrikgebäude abgesehen, eine Villa, die Mock bewohnte, noch ein Garten von 600 m² und Hühnerställe befanden, am 29. Juli 1938 für 175.500,- RM. von Louis Ravené gekauft. Die Erträge des Gartens und der Hühnerställe dienten der Versorgung der Betriebsküche. Unmittelbar nach der Besetzung begann die alte Belegschaft, 84 Frauen und 17 Männer, mit den Aufräumarbeiten. Der Roten Armee sollten elektrische Widerstände der Marke „Anor“ geliefert werden. Vom SAG-Betrieb „Koch & Sterzel“ wurden Hochohmwiderstandskordeln angefordert, das erste Nachkriegsprodukt der „Monette“. Die dafür verarbeiteten Drähte waren dünner als ein Menschenhaar. Aber es fehlte an Kohlen. Mit klammen Fingern konnten die Frauen diese Montagen nicht ausführen, zudem war der Asbest unter 15 Grad nicht zu verarbeiten. Mock „organierte“ Rohbraunkohle. Zu deren effektiver Verbrennung ließ er „Jalubra-Roste“ in die Heizkessel einbauen. Unter dem Vorwurf der NS-Nähe wurde Mock 1948 die Betriebsleitung entzogen und ein Mitarbeitergremium zur Vertretung eingesetzt. Dagegen protestierte das Bezirksamt Lichtenberg und erreichte am 16. März 1949 seine Wiedereinsetzung. Die Produkte der „Monette“ wurden für Heizungen, Elektromotoren, Messgeräte wie für die Rundfunkindustrie benötigt. Sie waren gefragte Exportgüter. Wegen der Einfuhr von Konstantandraht aus Westdeutschland wurde Mock 1950 die Gewerbeerlaubnis entzogen, aber ob der Bedeutung des Betriebes zurückgegeben. Intern entwickelte Mock Widerstandsbänder und Gitter, die von Laboratorien und Forschungsanstalten der DDR gesucht waren und sonst nur die Firma Schniewindt aus Westfalen anbot. Zugleich wuchs der Druck zur Verstaatlichung der „Monette“. Im August 1951 gründete Mock in Marburg eine Niederlassung und verließ im März 1953 die DDR. Er nahm sämtliche Unterlagen seiner Entwicklungsarbeiten mit. Die „Monette“ hieß fortan „VEB Asbestdraht“, hatte einerseits ständig mit Materialengpässen zu kämpfen, die sehr trickreich von der alten Belegschaft beseitigt wurden und auf der anderen Seite mit kaum erfüllbaren staatlichen Vorgaben, die aber dennoch erfüllt wurden. Der VEB schloss 1956 sogar eigenhändig einen Exportauftrag mit Ägypten ab. Diese Eigeninitiative war der „Hauptverwaltung RFT des Ministeriums für Allgemeinen Maschinenbau“ ein Dorn im Auge. 1957 veranlasste sie eine „volkswirtschaftlich begründete Auflösung des VEB Asbestdraht“ und die Eingliederung in den VEB Kabelwerk Oberspree. Gegen alle Vorschriften wurde die Stadtverordnetenversammlung Friedrichshain über diese Auflösung, sowie der Maschinenverlagerungen sehr verspätet benachrichtigt. Ein Widerspruch war nicht mehr möglich.
Hallo,
Mit Interesse habe ich diesen Beitrag gelesen, jedoch hat das obere Bild nicht mit Monette zu tun denn das ist ein Loewe OE333 gebaut in Friedenau oder Steglitz.
Aber sonst ein schönes Thema
Hallo, auch ich fand diesen Artikel sehr interessant, da ich die Urenkelin von Herrn Willy Mock bin.
Viele Grüsse A. Hermann