Astrid Schierloh vom Bioladen LPG Naturkost | Foto (Detail): Giovanni Lo Curto

Es ist eine Freude, das zu sehen

Astrid SchierlohDer Bioladen LPG Naturkost in der Krossener Straße | Foto: Giovanni Lo Curto
Täglich ausreichend Frischware bereit zu stellen, ist zweifellos mühevoll, aber wie man sieht, ist es auch eine schöne Arbeit die froh macht. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Der Bioladen LPG Naturkost in der
Krossener Straße wird zwanzig Jahre alt.

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Bioprodukte gibt es inzwischen überall, in Bioläden, Bioketten, auf dem Markt. Supermärkte tun inzwischen fast so, als hätten sie es erfunden. Haben sie aber nicht. Selbst, wenn sie nur noch mit Bio handeln würden, es wären keine Bioläden, jedenfalls nicht so einer wie LPG Naturkost in der Krossener Straße 29.

Langsamer Start

Die Ladeninhaberin Astrid Schierloh empfängt mich in ihrem kleinen Büro. Sie hat dunkle, aufmerksame Augen, umrahmt von einer schicken Brille. Sie spricht mit fester Stimme und beantwortet meine Fragen direkt und präzise. Ganz offensichtlich gehört sie zu den Menschen, die es gewohnt sind, überlegt zu handeln und zu entscheiden. Im September sind es zwanzig Jahre, seit es das Geschäft gibt. Der Anfang war nicht ganz einfach, was auf einem Missverständnis beruhte: „Es gab Gegenwind aus dem Kiez. Die Leute lasen ‚LPG‘, hielten uns für die große Biomarktkette und dachten sofort an Böses. Dass sich zwei Frauen selbständig machten, haben sie zuerst nicht gesehen.“ Der Hintergrund des Missverständnisses hängt mit Frau Schierlohs Werdegang zusammen. „Ich kam 1992 nach Berlin, studierte Kunstgeschichte und musste Geld verdienen.“ Sie begann in einer Filiale des LPG-Biomarktes am Kreuzberger Mehringdamm, der gerade im Begriff stand, sich in Richtung Supermarkt zu entwickeln. Als sich ein paar Jahre später die Gelegenheit bot, ein eigenes Geschäft zu eröffnen, ergriff sie zusammen mit einer Kollegin die Gelegenheit. „Eine Zeitlang waren wir noch mit der ‚großen‘ LPG verbunden, weil sie unsere Buchhaltung mit erledigte. Aber wir sind unabhängig, keine Zweigstelle und kein Franchise-Unternehmen.“ Die Menschen in der Gegend überzeugten sich schnell von der Qualität der Waren und der Professionalität des Verkaufspersonals. „Die ersten fünf Jahre waren nicht einfach und wir hatten Angst, als die erste Biokette im Nordkiez eröffnete. Heute findet man hier in der Gegend alle 500 Meter einen Bioladen. Es ist genug Markt für alle da.“ Nach zehn Jahren zog die Gründungskollegin zurück in ihre Heimat. Seitdem führt Frau Schierloh das Geschäft allein.

Frische Kräuter im Bioladen LPG Naturkost in der Krossener Straße | Foto: Giovanni Lo Curto
Gibt es wirklich nur in richtigen Bioläden: frische Kräuter aus der Region. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Beträchtliche Unterschiede zwischen Bio-Anbietern

Im Mittelpunkt steht für die Ladeninhaberin nicht nur die Frage nach dem Umsatz, sondern auch, wie man mit den Produkten umgeht und wo man sie einkauft. Nicht alle Hersteller kommen in Betracht, darunter auch Unternehmen, die als Biopioniere angefangen haben und später an große konventionelle Ketten verkauft wurden. „Da gibt es manchmal Bedenken, wenn wir nicht mehr hinter deren Firmenpolitik stehen können. Wir wägen ständig ab, was noch geht oder ob wir auf diese Produkte wirklich verzichten können. Wir treffen eine kritische Auswahl, sind Filter für unsere Kunden. Was wir aber grundsätzlich nicht nehmen ist Ware, die per Luftfracht transportiert wird.“

In den Regalen steht bevorzugt Frisches. Das Angebot ist in den letzten Jahren breiter geworden. Fertigprodukte werden weniger angeboten. Viele vegane Produkte werden industriell hergestellt, worunter die Natürlichkeit leidet. Jetzt kommen auch die großen Fleischereien darauf, vegane Produkte herzustellen, weshalb man auf dem Markt zur Zeit kaum Soja-Rohstoffe und Halbprodukte findet. Auch die Kunden haben eine besondere Stellung. „Wir sind keine Genossenschaft, sondern eine Einkaufsgemeinschaft.“ Der Laden handelt mit zwei Preisen, die Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft zahlen weniger. Das hat etwas Familiäres. „Inzwischen ist die Liste der Mitglieder auf etwa tausend angewachsen.“ Über die Jahre sind die Kunden anspruchsvoller geworden, auch vermögender. Druckstellen zum Beispiel werden weniger toleriert als früher, alles sollte immer verfügbar sein. „Die Friedrichshainer Kunden sind im Großen und Ganzen unkompliziert, es gibt weniger Ernährungsideologien oder esoterische Hintergründe als in Kreuzberg“, betont Frau Schierloh.

„Durch den täglichen Kontakt über Jahre entstehen schöne Verbindungen. Eben haben wir den Kindern noch Gummibärchen spendiert, jetzt gucken diese nur noch als Studierende in den Semesterferien vorbei.“ Geschätzt wird nach wie vor die qualifizierte Beratung, denn auch das Biosegment ist immer wieder Moden unterworfen. So gab es einmal einen Aloe- Vera-Hype oder es standen Aroniabeeren ganz vorn an. Wegen der Beliebtheit von Smoothies wird mehr Staudensellerie nachgefragt oder es gibt Grünkohl bereits im August, den es sonst erst nach dem ersten Frost zu kaufen gab.
Manche Trends erweisen sich als schädlich. Die weltweite Nachfrage nach Quinoa hat dazu geführt, dass sich die lateinamerikanischen Bauern ihr teures Naturprodukt selbst nicht mehr leisten können und sich schlecht von billigen Industrieprodukten ernähren. Die Zunahme an Getreidemilch führt ebenso zu steigenden Preisen. Es gibt auch umgekehrte Trends: Weizenkeimöl wird nicht mehr angeboten, weil das Getreide zu wenig ergiebig für dieses Produkt ist.

Astrid Schierloh Der Bioladen LPG Naturkost in der Krossener Straße | Foto: Giovanni Lo Curto
Sieht aus wie ein kleinstädtisches Idyll, funktioniert aber auch in der Großstadt. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Verantwortungsvolle Arbeitgeberin

„Die Hälfte meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeitet Vollzeit und ein großer Teil arbeitet seit über zehn Jahren im Geschäft. Sie haben eigene Arbeitsgebiete, die sie verantworten und in denen sie Spezialisten sind. Es braucht eine bestimmte Erfahrung, um spontan zu entscheiden, eine Kiste mehr von der einen oder anderen Sorte zu nehmen.“ Sie verfügen auch über feste Arbeitszeiten, mit denen sie planen können, anders als in großen Märkten, wo in abwechselnden, nicht planbaren Schichten gearbeitet wird. Was Inhaber von kleinen und mittleren Unternehmen fast nie können, Astrid Schierloh gelingt es: Sie räumt der Ausgewogenheit von Arbeit und Freizeit eine wichtige Bedeutung ein.
„Es sind immer viele Kunden da. Oft ist es sehr laut. Gemessen an der Verkaufsfläche wird hier sehr viel verkauft. Trotzdem bin ich nur dreimal in der Woche im Laden. Ich habe einen relativ hohen Freizeitanteil und lege großen Wert auf die Reproduktion der Arbeitskraft sowohl bei mir als auch bei meinen Mitarbeitern. Ihnen vertraue ich. Ich muss nicht alles selbst überwachen.“ Das sind Dinge, die, wie es so schön heißt, erst auf den zweiten Blick auffallen. Aber das frische Obst und Gemüse, die freundliche Atmosphäre nimmt man eben doch schon auf den ersten Blick wahr. „Wir werden von drei Bauern aus der Region direkt beliefert. Die Ware ist super frisch. Es ist eine Freude, das zu sehen! Es gibt auch Ausgefallenes wie Wildkräuter oder Blüten. Da kommt kein Supermarkt mit!“ Gute Voraussetzungen für die nächsten zwanzig Jahre.

Bester Laden der Welt | Foto: LPG-Naturkost
Besser als jede Werbekampagne: Auf ein Hinweisschild hat eine Kundin oder ein Kunde geschrieben: „Bester Laden der Welt“. Das geht jetzt als Postkarte und E-Mail-Anhang in die Welt.
/ Foto: LPG-Naturkost /

 

 

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