Beate M. Köhler vom FRIEDA Frauenzentrum e.V.

„Ich biete einen individuellen Weg an.“

 FRIEDA Frauenzentrum, Foto: Silvio Weiß
Ein Haus weiter, neue Fassade, neues Logo, aber die Ziele des FRIEDA Frauenzentrums sind noch die gleichen: Frauen unterstützen und stark machen. / Foto: Silvio Weiß /

Beate M. Köhler, Beraterin im Anti-Stalking-Projekt.

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Selbstbestimmung, Emanzipation, Verantwortung, Freiheit, das sind Begriffe, die wir gerade in diesen Tagen als immens wichtig für unser Leben ansehen und die auch in der Friedlichen Revolution eine große Rolle spielten. Am 11. Januar 1990 gründete sich aus dem 1. Friedrichshainer Frauen-Forum die Initiative „Friedrichshainer Damen, Frauen, Mädchen, Weiber“, die im Juni desselben Jahres den Verein FRIEDA gründeten. Seither existiert in der Proskauer Straße 7 eine Einrichtung, in der Freiheit nicht nur geübt sondern auch gelernt und trainiert werden kann, und seitdem hat diese Einrichtung ihre Daseinsberechtigung nicht verloren.
Hier treffe ich mich mit Beate M. Köhler einer großen Frau mit dunklem Haar, gekleidet mit einer schönen Kombination aus konventionell und lässig, Pullover, Jeans, Stiefel. Sie ist ein Mensch, mit dem man schnell und gern ins Gespräch kommt.
Aus der jahrelangen Praxis der Beratung des Vereins haben sich Schwerpunkte wie Miet- und Arbeitslosenberatung, psychologische und systemische Beratung oder auch Beratung über das Thema Frau und Arbeit entwickelt. Ein weiteres Thema ist Stalking, das erst vor einigen Jahren in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist.

Stalking: ein Thema, das bis vor wenigen Jahren kaum beachtet wurde

„Jede achte Person wird einmal im Leben gestalkt“ erklärt Beate Köhler. 80 Prozent der Opfer sind Frauen. In den Zeiten der technischen Kommunikation und der Anonymität kann sich das möglicherweise ändern. Außerdem scheuen sich Männer möglicherweise eher davor, um Hilfe zu bitten.

Das Problem erkennen

Wo fängt Stalking an? Woran erkennt man es? „Nicht jeder, der einem auf den Keks geht, ist gleich ein Stalker.“ Die Sozialarbeiterin stellt einen Vergleich an: Jemand schickt einer Frau jeden Freitag einen Strauß Rosen. Auf den ersten Blick scheint es ein Zeichen der Zuwendung zu sein. Aber für die Frau fängt schon am Mittwoch der Horror an, weil sie die Rosen, die am Freitag wieder kommen werden, nicht will. Denn die Rosen sollen sie daran erinnern, dass der Spender an ihr dran ist und sie nicht los lassen wird. „Stalking ist eine Grenzübertretung.“
Stalking ist nicht nur ein Phänomen von auseinander gebrochenen erotischen Zweierbeziehungen: Ärzte werden von Patienten gestalkt, erwachsene Kinder von ihren Eltern, Lehrer von Schülern, Geschäftsleute von Kunden. Überall, wo Beziehungen zwischen Menschen bestehen, kann es zum Stalking kommen. „Es geht immer um Machtausübung, um den Versuch, Besitz zu ergreifen oder um ein Gekränktsein. Manche fühlen sich auch in der Ehre gekränkt. In den weit überwiegenden Fällen kennen die Opfer die Täter.“ Doch in Zeiten der elektronischen Medien kommt es immer häufiger zu anonymen Übergriffen.

Beate M. Köhler im Gespräch im FRIEDA Frauenzentrum, Foto: Silvio Weiß
Eine angenehme Atmosphäre und freundliche Räume sind wichtig für eine Beratung, noch wichtiger aber ist persönliches Vertrauen. Beate M. Köhler im Gespräch mit einer Klientin. / Foto: Silvio Weiß /

Darüber sprechen

„Wer stalkt, ist kein glücklicher Mensch“, betont Beate Köhler. Dennoch ist Stalking keine Krankheit, sondern ein bewusst vorgenommenes Handeln. Oft ist es Stalkern gar nicht klar, dass sie mit ihrem Vorgehen Grenzen verletzen. Die meisten Stalker stellen ihr Handeln ein, wenn sie deutlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass Stalken strafbares Unrecht ist. Das muss nicht immer gleich durch die Polizei geschehen, sondern kann von einem Freund oder einer anderen Person vorgenommen werden, vor der Stalker Respekt zollen. „Nicht selten fällt es Opfern schwer, damit zurecht zu kommen“, fügt die Sozialarbeiterin an. „Eigentlich hätte das Wort der oder des Gestalkten die gleiche Wirkung erzielen sollen.“ Es gibt aber auch Hartgesottene, bei denen Worte kaum noch etwas ausrichten.

Vertrauen ist sehr wichtig

Manche Frauen, die in die Beratung kommen, wollen aufgrund schlechter Erfahrungen nicht gern etwas mit der Polizei zu tun haben. Auch Frauen aus türkisch-arabischen Milieus sind in dieser Beziehung reserviert. „Was hier gesprochen wird, bleibt im Raum“, versichert Beate Köhler ihren Besucherinnen. Es ist wichtig, erst einmal anzuhören, worum es geht und Lösungswege zu finden. „Ich biete einen individuellen Weg an. Es gibt viele Möglichkeiten, Problemen zu begegnen.“

Individuelle Unterstützung für betroffene Frauen

Doch bestimmte Geschehnisse sollten der Polizei bekannt gegeben werden, auch um weitere potentielle Opfer zu schützen. Dabei ist es wichtig, den Frauen die Angst zu nehmen. Kooperationspartnerinnen begleiten Frauen zu Fachleuten bei der Polizei, die sich selbst auf das Thema Stalking spezialisiert haben. „Die Polizei stellt sich immer mehr auf das Thema ein und wird in ihrer Arbeit besser.“
Frauen, die Opfer von Straftaten wurden, beraten sie darüber, wie sich die Zusammenarbeit mit der Polizei gestaltet, dass Kreuzverhöre nicht zulässig sind und keine bedrohlichen und erniedrigenden Situationen im Gerichtssaal entstehen dürfen.
Zu FRIEDA kam Beate Köhler im Jahr 2000 durch ein Praktikum. Vier Jahre später stieg sie hier in die psycho-soziale Beratung ein.

Frauenzentrum in den 1990er Jahren, Foto: Frieda-Frauenzentrum e.V.
Mitbestimmung in Praxis. Ein Treffen im Frauenzentrum in den 1990er Jahren. / Foto: Frieda-Frauenzentrum e.V. /

Kein gerader Berufsweg

Ihren Berufsweg hat die Sozialarbeiterin von vornherein so nicht angestrebt. „Es ergab sich einfach.“ In ihrem Heimatland Baden-Württemberg lernte sie Erzieherin und arbeitete in der Kinder- und Jugendarbeit. „Für mich war es ein Frauen-Sackgassen-Beruf. Ich konnte Kita-Leiterin werden, aber das reichte mir nicht.“ Als sie sich nach einer Arbeit in einem Jugendhaus erkundigte, hieß es, dass sie dafür Abitur machen und Sozialarbeit studieren müsse. Ihr Studium belegte sie an der Berliner Alice-Salomon-Hochschule. „Ich wollte einen Ausbilder außerhalb des kirchlichen Kontext haben“, erklärt sie.
Mit einem anderthalbjährigen Kind und nebenbei Arbeiten war es ein nicht gerade einfacher Weg. „Ich will es mal so sagen: mein Kind hat mich nie an etwas gehindert“, betont Beate Köhler, „es bedeutete einfach nur mehr Aufwand.“ Ein funktionierendes soziales Netzwerk und ein guter Partner gehörten ebenso dazu.
„Um 2006 begann ich mich für das Stalking zu interessieren und begann, mich darauf zu spezialisieren.“ Sie belegte weitere Kurse für Telefonberatung und Opferhilfe an der Alice-Salomon-Hochschule und unternahm mehrere Weiterbildungen am Institut für Psychologie und Bedrohungsmanagement in Frankfurt/Main.

Das Frauenzentrum in den 90ern, Foto: Frieda Frauenzentrum e.V.
Das Frauenzentrum in den „wilden“ 90ern. / Foto: Frieda-Frauenzentrum e.V. /

Fortbildung zu neuen Aspekten des Themas, z. B. Stalking und Neue Medien

Mit den neuen Medien treten neue Formen des Nachstellens in Erscheinung. „Vieles passiert, weil die technischen Möglichkeiten dazu bestehen.“ Wer sich eine App umsonst herunter lädt und sich nicht die Nutzungsbedingungen durchliest, dem entgeht womöglich, dass dem Anbieter beim Installieren auch die Verfügbarkeit über Adressbücher, über Kamera und Mikrofon zugestanden wird. „Es ist wichtig, einen selbstbewussten Umgang mit der Technik zu lernen: welchen Preis bin ich bereit für ein kostenloses Produkt aus dem Internet zu zahlen, denn dort bekommt man nie etwas geschenkt.“ Um in ihrem Bereich kompetent zu bleiben, besucht Beate Köhler auch weiter Fortbildungskurse. „Außerdem ist es immer gut, etwas Neues dazu zu lernen.“

Ein schöner Beruf

„Man muss einen Job machen, der einem etwas gibt und der nicht nur Energie verbraucht“, sagt sie. „Es gibt mir Kraft zu erleben, wie nahe mich die Frauen an sich und ihr Leben lassen.“ Manchmal gehen sie in einem Gespräch zeitlich zurück und versuchen Verhaltensmuster der Stalker herauszufinden, die man dann mit einer Strategie durchbrechen kann. Dabei kommt es vor, dass die Emotionen hochgehen. Dann kann bei FRIEDA auch relativ schnell eine psychologische Beratung stattfinden. Immer wieder stellt sich in den Beratungsgesprächen heraus, dass die Frauen in ihren scheinbar aussichtslosen Situationen sehr viel mehr tun können, als sie zuerst glauben. „Ein gutes Gespräch kann beflügelnd sein!“ Es muss auch nicht immer um die Bewältigung von Problemen gehen. „Manche Frauen kommen einmal im Vierteljahr zu mir und erzählen einfach nur, wie es ihnen geht.“ Wer auch immer ihre Beratung in Anspruch nimmt, für alle soll gelten, was auch ihre Lebensmaxime ist: „Ich bin der Regisseur in meinem Leben.“

Gesellschaftlich geachtet?

Dass Künstler und andere frei im Kulturbereich Arbeitende zu den Geringverdienern gehören, ist nichts, worüber man sich in entscheidenden Gremien von Wirtschaft und Politik aufregen würde. Dass aber Profis wie Beate Köhler ebenso mit Zeitverträgen arbeiten, die aus Projekt- und Spendengeldern, aber auch von der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung mehr schlecht als recht bezahlt werden, kann einfach nicht hingenommen werden. Probleme und Konflikte, wie sie bei FRIEDA zur Sprache kommen und angegangen werden, sind nicht durch eine Art Freiwillige Sozial-Feuerwehr zu lösen. Um so mehr ist dem Engagement von Beate Köhler und ihren Kolleginnen zu danken.

www.frieda-frauenzentrum.de

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