„Vorgang Biskaya“ unter MfS-Beobachtung
Die Abteilung Aufklärung des MfS begann nun minutiös alle Vorgänge um die „Biskaya“, diesen Namen hatte der Vorgang erhalten, aufzuschreiben. Am 18. August wurden Bretter angeliefert, am 20. August brachte ein KFZ mit Berliner Kennzeichen 32 Federbetten, um 18.40 Uhr verließ „ein LKW mit Sand vollbeladen“ den Ort. Polizisten schienen eingeweiht zu sein und sicherten im Laufe der Grabung die Eingänge zur Grenzquelle.
Offenbar war die Beobachtung so auffällig, dass es zu Ablenkungsaktionen kam: „Eine männliche Person schlug wie ein Christ mit der Hand ein Kreuz“ (am 21. August), oder „ein Mädchen ca. 16 Jahre alt, versuchte sich vor der Biskaya zu entkleiden“ (am 22. August). Außer den fünf Tunnelaktiven wurden 15 Unterstützer zwischen 19 und 50 Jahren beobachtet. Die 1. Grenzbrigade setzte Abhörtechnik ein.
Budenzauber mit Fluchtversuch?
Anhand der Arbeitsgeräusche stellte das MfS fest, dass der Tunnel in fünf Metern Tiefe lag und 15 Meter ins DDR-Gebiet eingedrungen war. Zielrichtung waren die Häuser Fritz-Heckert-Straße 12/14.
Am 7. September 1962 sollte in der Grenzquelle ein „Budenzauber“ stattfinden. Die KP waren eingeladen und erfuhren, dass in der Fritz-Heckert-Str. 14 eine Frau wohnte, deren Bruder „oft in der Biskaya“ war. Sie veranstaltete häufig Partys mit vielen „unbekannten Jugendlichen“, wie eine KP aus ihrem Hause miteilte. Das MfS vermutete deshalb, dass am Tag der Feier am 7. September auch die Schleusung stattfinden sollte.
Doch einen Tag vorher erfuhr KP „Giese“ vom Abbruch der Aktion. Man sei an einer Betonmauer gescheitert und „würde sich nicht mehr drum kümmern“. Zudem „wäre der Chef von der Grenzquelle mit Polizei und Amis gekommen“ und hätte „alles zugeschippt“. So endete die Fluchtaktion.
Zwischen September 1961 bis August 1973 wurden in Berlin insgesamt 39 Fluchttunnel gegraben. In den 70er Jahren kamen auf Westberliner Seite infolge von Abrissarbeiten Teile des Tunnels an der Köpeniker Straße zum Vorschein. Die Westberliner KP „Giese“ und „Schröder“ wurden nie enttarnt, die Namen fast aller Beteiligten dieser Aktion sind bis heute unbekannt.