Fotos: Dirk Moldt

Zwei Friedrichshainer in Spandau

Was von der einen Seite wie coole moderne Kunst aussieht ...
Was von der einen Seite wie coole moderne Kunst aussieht …

Ein Museumsbesuch.

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Nicht nur Menschen sind mobil, auch ihre plastischen Abbildungen. Denkmäler bleiben nicht immer an ihren ursprünglichen Standorten. „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ heißt eine seit April geöffnete Ausstellung, die abgelegte Denkmäler der Berliner Geschichte noch einmal auferstehen lässt. Friedrichshain wird vertreten durch die Skulptur des Revolutionsführers und Diktators Wladimir Iljitsch Lenin, beziehungsweise durch seinen Kopf.
Stein gewordene Gespenster
Sehenswert ist die Schau zunächst einmal wegen etwas allerhöchst Nicht Friedrichshainhaftem, nämlich den ausgestellten Figuren der Siegesallee im Tiergarten: all die Markgrafen, Kurfürsten, Könige, Kaiser und wenigen Gelehrten und Künstler, die man nach 1945 verscharren ließ. Das, was von ihnen übrig blieb, steht nun mit abgeschlagenen Gliedmaßen, zertrümmerten Nasen und Schnurrbärten in zwanglosen Grüppchen beieinander und wirkt wie eine Ansammlung von Kriegsinvaliden, die in Erinnerungen an längst vergangene Zeiten dröger Nationalromantik schwelgen.
Freunde naturalistischer Darstellungen des 19. Jahrhunderts kommen indes auf ihre Kosten. Etwas Friedrichshainer Geschichte ist dennoch dabei, und zwar in Form des Kopfes von Markgraf Otto IV., der 1288 die Grenzen der Feldmarken Berlins und Lichtenbergs an der heutigen Thaer- und Boxhagener Straße abritt.

Fotos: Dirk Moldt
… entpuppt sich von der anderen Seite als lächerliche Grusel-Installation. / Fotos: Dirk Moldt /

Das Zentralkomitee regelte alles

Ein Hauptstück der Ausstellung ist der Lenin-Kopf aus rotem Granit, Teil des Denkmals von Nikolai Tomski das von 1970–1993 den Mittelpunkt des Leninplatzes, jetzt Platz der Vereinten Nationen bildete. Die Texte zu diesem Denkmal sind leider etwas ungenau und vermitteln den falschen Eindruck, als wären derartige Monumente in der DDR üblich gewesen.

DDR und Denkmäler – ein komplexes Thema

Das Zentralkomitee der SED initiierte das Denkmal, so heißt es. Aber es initiierte fast alles und entschied praktisch über sämtliche relevante Fragen des öffentlichen Lebens in der DDR bis hin zur Festlegung des Einzelverkaufspreises für KIM-Eier.
Hingewiesen wird darauf, dass der Architekt Wilfried Stallknecht als Lenin-Denkmal eine Bibliothek in Form einer stilisierten Fahne vorsah, in der auch eine lebensgroße Lenin-Figur Platz finden sollte.
Doch es muss genauer erklärt werden: Zu klein, beschied die SED-Führung, die über ihre eigene Propaganda gestolpert war. Der Architekt hatte ganz im Sinne des schwulstigen Gedichts: „Die Teppichweber von Kujan-Bulak ehren Lenin“ geplant, in dem Bertold Brecht schrieb, die wahre Lenin-Ehrung bestehe darin, das Geld für eine Lenin-Büste lieber für einen guten Zweck auszugeben.
Ärgerlicher für die Partei- und Staatsführung war indes eine Entwicklung in den 1960er Jahren. Die DDR-Kunstschulen besannen sich der Tradition der Berliner Bildhauer Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch, die Denkmäler mit menschlichen Dimensionen forderten. Dies führte dazu, dass die SED keine überdimensionalen Monumente mehr im eigenen Land bestellen konnte. Hinzu kam, dass die beim Magistrat eingerichtete Fachkommission „Kunst am Bau“, die über öffentliche Aufträge entschied, eher den Künstlern als den kulturfernen Funktionären zugeneigt war. Also setzte sich das ZK über die eigenen Gepflogenheiten hinweg, und beauftragte Tomski mit dem Bau des Lenin-Denkmals.
Nicht, dass es heißt, der Zeitzeiger erwärme sich für den sowjetrussischen Diktator Lenin. Aber ungerecht ist es schon: Alle Figuren in der Ausstellung, sogar der Nazi-Muskelprotz von Arno Breker, dürfen sitzen und stehen – nur Lenins Schädel nicht. Der liegt da, wie der Kopf des Holofernes, wobei dem Publikum die passende Judith vorenthalten wird. Keine herabwürdigende, sondern eine ausgesprochen lächerliche Präsentation.
Dies korrespondiert mit dem Unvermögen der Kuratoren, sich den NS-Denkmälern zu stellen. Ein bisschen Arno Breker (stehender Akt), der Rest eines Gedenksteins und die „Große Halle des deutschen Volkes“ sind so ziemlich alles zu diesem Thema. Kaum vorstellbar, dass es keine Büsten von Nazi-Größen in den Depots gibt. Aber diese auszustellen bedeutet, sich der Gefahr auszusetzen, dass ihre zweifelhaften Verehrer zum Kondolieren aufkreuzen. Das hätte thematisiert werden müssen. Doch lieber beschweigt man die gegenwärtigen Probleme mit der Geschichte anstatt sie anzusprechen.

Die Dauerausstellung „Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler“ ist im Proviantmagazin der Zitadelle Spandau untergebracht. Mo–So, 10–17 Uhr

www.enthuellt-berlin.de

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