Die Jägerklause heute: Willkommen im Garten. / Foto: Jägerklause /

Die Jägerklause

Ein Garten in der Stadt

von Steffen Maria Strietzel

Quietschend öffnen sich die Tore, die Gartensaison hat begonnen. Dort, wo sich einst Romintener, Litauer, Posener und Gubener Straße zu einem belebten Platz zusammenfanden,  lädt an der heutzutage eher beschaulich anmutenden Kreuzung Grünberger-, Wedekind-, Gubener und Lasdehner Straße der Biergarten „Jägerklause“ zum Verweilen ein. Eine Oase auf einem Platz, der infolge der Stadtplanung der 1950er Jahre entstand.

Wohnblock in der Graudenzer Straße, 1952 / Foto: Heinz Funck, Bundesarchiv Berlin
Wohnblock in der Graudenzer Straße, 1952
/ Foto: Heinz Funck, Bundesarchiv Berlin

Verrufene Wohngegend

Kaum noch ist die einstige Bebauung zu erkennen. Gerade in der Umgebung der Bahnanlagen der Schlesischen, Wriezener und Frankfurter Bahnhöfe, erreichte die Bebauungsdichte einen unrühmlichen Höhepunkt: Hinterhöfe, gerade so groß, dass die Feuerspritze gewendet werden konnte, Klosetts auf halber Treppe, auf dem Hof oder im Keller, oft für mehrere Familien. In der Gegend um den heutigen Mehringplatz (s. auch S.?9) hatte der Bombenkrieg furchtbare Wunden gerissen. Vom Schlesischen Bahnhof, dem heutigen Ostbahnhof her, zog sich ein endlos scheinendes Trümmerfeld.
Gleich nach Kriegsende wurden mit den Aufräumarbeiten die innerstädtischen Gebiete neu geplant. Das Kollektiv um den Architekten Hans Scharoun hatte ein Netz aus Schnellstraßen entwickelt, das die Stadt in verschiedene Nutzungsbereiche gliedern sollte. Die Frankfurter Allee war eine der fünf Ost-West-Tangenten mit dem Schwerpunkt Wohnbebauung. Aber anstelle  der engen Blockrandbebauung mit Hinterhöfen sollten großzügiger ausgestattete Häuser mit kleinen Grünanlagen, Wiesen und Sitzgelegenheiten entstehen. Moderne Stadtplanung  anstelle der alten, auf Gewinnmaximierung beruhenden Wohnbebauung der Spätgründerzeit. Von der revolutionären Planung der Arbeitsgruppe Scharoun wurde jedoch bald wieder Abstand genommen. Einzelne Bauprojekte wurden aber umgesetzt, wie die Wohnzelle in der Graudenzer Straße. Der Platz an der Jägerklause entstand ein paar Jahre später, nachdem die SED-Kulturpolitik 1951 die Ideen des Bauhauses als kosmopolitisch und reaktionär abgetan und eine Bauweise in „nationaler Tradition“ angeordnet hatte.

Die Jägerklause heute: Willkommen im Garten. / Foto: Jägerklause /
Die Jägerklause heute: Willkommen im Garten. / Foto: Jägerklause /

Lange Wartezeiten

In den 1950er Jahren zunächst als „Nante-Eck“ eröffnet, erlangte das Restaurant bald als Wildgaststätte „Jägerklause“ kulinarischen Ruhm. Wildbret stand nicht gerade an oberster Stelle auf dem Speisezettel der DDR-Bürger, zumal das sozialistische Jagdwesen besonders in den frühen DDR-Jahren eher rudimentär entwickelt war. Aber es war schick, im Kollegen- und Bekanntenkreis lässig die Bemerkung fallen zu lassen, letztens in der „Jägerklause“ gespeist zu haben. Die DDR war auch eine Neidgesellschaft. Lange Wartelisten waren die Folge. Als Alternative bot gleich gegenüber der „Hühner Gustl“ die wohl besten Broiler Friedrichshains an.
Der Untergang der DDR bedeutete auch das Ende der „Jägerklause“. Altschulden drückten die aus der Kommunalen Wohnungsverwaltung gegründete Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain. Nur durch Verkäufe auf dem privaten Wohnungsmarkt können diese getilgt werden, so lauteten damals die Ansichten und Vorgaben von Bund und Land. Große Zeiten für Spekulanten, schlechte Zeiten für manche Einwohner. Auch die „Jägerklause“ wandelte sich mehrmals: Ein Inder versuchte sein Glück, dann richtete sich eine Schwarzlichtgalerie ein, deren Spuren bis heute von aufmerksamen Besuchern zu sehen sind, bis dann im November 2006 die heutige Lokalität das Licht der Kneipenwelt erblickte.

Die Kings of Spreedelta live at Directors Lounge. Photo: Kenton Turk
Die Kings of Spreedelta live. Photo: Kenton Turk

Kultur bei Bier und Burger

Bald sollte auch Musik Einkehr halten. Im Winter 2007 klopften die Musiker der Swing-Band „Kings of Spreedelta“ an die Pforten und begehrten zu spielen. Ihr Publikum hatten sie gleich mitgebracht. Ein Auftritt der Band im „Lauschangriff“ in der Rigaer Straße überlastete schon nach wenigen Takten das Stromnetz. Kurzentschlossen griff man einen Vorschlag aus dem Publikum auf, packte Instrumente und Anlage, und alle siedelten per pedes in die „Jägerklause“ um.
Immer wieder, so auch aktuell von der Klagewut der Nachbarn bedroht, ist zu hoffen, dass die „Jägerklause“ bestehen bleibt.  Kulturorte braucht die Stadt, Treffpunkte an denen sich Alteingesessene, Neu-Berliner und Gäste kennenlernen, austauschen  und voneinander lernen können. Zum Beispiel können in der immer wieder sehr langen Getränkeschlange der „Jägerklause“ die ersten Kontakte geknüpft werden.

Ein Gedanke zu „Die Jägerklause“

  1. Ein für mich interessanter Rückblick. Weil das Essen in der Jägerklause schmackhaft war, gingen unsere Eltern immer wieder dort mit uns speisen. Heute sind noch Holzdecke und Butzenglasfenster von einst zu bewundern. Ich wünschte mir noch mehr geschichtliche Informationen, dergleichen Fotos.

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