Der Grüne Weg.
Einst zweigte die Singerstraße von der Lehmgasse ab, die 1816 in Blumenstraße umbenannt wurde. Damals hieß sie Grüner Weg, eben weil sie ein Weg durchs Grün war. Hier, an der Peripherie der Stadt hatten sich Gärten etabliert, zu denen die Berliner hinauspilgerten, und wo sie in weite, mit Öfen beheizbare Gewächshäusern gern Kaffee tranken. Ansässig war hier die Gärtnerfamilie Bouché, die in mehreren Generationen Gemüse, Obst und Blumen züchteten, darunter Hyazinthen. Am Grünen Weg lag auch der Haupteingang des beliebten Wallner-Theaters, dessen Adresse Blumenstraße 9b die Berliner zu dem Verwunderung ausdrückenden Spruch: „Ach du jrüne Neune“ inspirierte. Ab den 1870er Jahren wurden aus den Wegen Straßen und aus diesen Häuserschluchten. Mietshäuser mit Hinterhöfen entstanden hier dicht an dicht. Entsprechend war die Bevölkerung proletarisch und kleinbürgerlich geprägt. Möglicherweise als Avance an diese Arbeitergegend wurde der Grüne Weg in Paul-Singer-Straße umbenannt. Der 1844 geborene Paul Singer war Geschäftsmann und Sozialdemokrat alter Schule, ein Mitstreiter August Bebels, Freund Karl Marx’, Zeitungsgründer und ein Finanzier der Sozialdemokratischen Partei. Dies, und auch seine jüdische Abstammung veranlasste die Nationalsozialisten, der Straße 1933 einen anderen Namen zu geben. Er orientierte sich an den vorherigen Namen und war nicht besonders originell: Brauner Weg. So hieß der Weg auch, als die Häuser links und rechts im Bombenhagel untergingen. Gerade in den letzten großen Luftangriffen auf Berlin musste die Straße schwere Zerstörungen hinnehmen. Nach Ende der Hitlerdiktatur, hieß der Weg wieder Grüner Weg, doch wurde er auch halboffiziell Roter Weg genannt. Erst 1947 erhielt er seinen Namen Singerstraße zurück, diesmal ohne Paul.
Die ganze Singerstraße wurde von den End-49er Jahren bis in die 1980er Jahre komplett neu bebaut.
Prima Artikel! Immer wieder. Hier lebten meine Vorfahren: Friedrichsberger Straße, Lange Straße, Krautstraße und eben auch Blumenstraße, Grüner Weg …
Die einen Urgroßeltern lebten im Grünen Weg 64, meine URURgroßmutter in der Blumenstraße 36a und dann 43, über viele Jahre. Ihre Tochter, meine andere Urgroßmutter, seit 1915 in der Großen Frankfurter Straße 111. Die Artikel hier haben mir schön öfter geholfen, bei meiner Ahnenforschung in Friedrichshain :-) gerade wenn es um den Vergleich von Straßen früher und heute geht. Danke schön.
Sonja Pielach
Per Zufall bin ich auf den Grünen Weg (und seine Umbennungen) gestoßen. Eine alte Ansichtskarte von der niemand wusste wo sie aufgenommen worden war, gab den Anstoß. Das Foto von ca. 1930 zeigt zwei Frauen in weißen Kitteln vor einer ‘Fein-Bäckerei u. Konditorei’. In der Schaufensterscheibe spiegelte sich ein Name: ‘Gadiels Apotheke..’, da begann die Suche..
Im Grünen Weg wurde ich fündig: unter Hs.Nr.94 (bis 1915 war dies Nr. 102, dann wurden die Hausnummern wohl geändert) gab es ‘Gadiels Apotheke zum Bär’ (vorher ‘Apotheke zum Bär Hermann Gadiel’, davor Inhaber E. Kowalski) . Hermann Gadiel war jüdisch , seine Apotheke wurde 1937 liquidiert..
Die Frage zum Foto war, wie hieß die Bäckerei und welche Hs.Nr. hatte sie. Gegenüber Nr. 94 lag die Haus Nr. 21, beide an der Ecke zur Krautstraße. Die einzige in Frage kommende Bäckerei war die von Paula Winkow (Inh. seit 1931) in Hs.Nr. 16, das zwar sehr schräg zur Apotheke stand, eine Spiegelung jedoch nicht ausschließt. Leider habe keine weiteren Fotos dieser Gegend aus dieser Zeit gefunden, ein Foto der Apotheke wäre natürlich schön. Aber vielleicht ergibt sich noch etwas..
Danke für den interessanten Artikel über den Grünen Weg und den zahlreichen Umbenennungen. So ist Stadtgeschichte interessant und ein Erlebnis. Aber viele Artikel des Zeitzeigers sind für mich sehr interessant und ich konnte dazu lernen.. Weiter so!
borbala-me