Koloniale Perspektiven
Am 27. Dezember 1682 betrat der vom Großen Kurfürsten zum Major ernannte 27-jährige Otto Friedrich von der Gröben das Ufer am Kap der drei Spitzen (Kap Tres Puntos – heute Ghana). 41 Forts säumten damals die „Goldküste“ West-Afrikas. Um ein brandenburgisches Fort zu errichten, schloss Gröben im Lauf eines Alkohol-Gelages mit den örtlichen Clan-Chiefs des Dörfchens Accada mündliche Kontrakte ab. Im Tauschgeschäft gegen Gold oder Menschen, erwarben afrikanische Herrscher Feuer-Waffen, um Feldzüge gegen ihre Konkurrenten zu starten. Wegen fehlender Geldmittel konnte Gröben erst am 1. Januar 1683 die Brandenburgische Flagge in der Nähe vom Dorf Poqueso in den Sand setzen. „Weil sein Kurfürstlicher Name in der Welt groß ist“, wurde ein ans Ufer grenzender Berg nach Salutschüssen, Pauken und Schalmeienklang zum „Großen Friedrichs-Berg“, und zum Standort der Festung „Großfriedrichsburg“. Man handelte mit Gold, Elfenbein und Sklaven. Von hier aus wurden über 20.000 Menschen zur Sklavenarbeit auf die Plantagen der Karibik verschleppt. Allerdings sind nur die Überlebenden gezählt worden. Etwa ein Drittel dieser „Passagiere“ überlebte die mörderische Überfahrt nicht und mehr als ein Viertel starb kurz nach der Ankunft. 1686 kaufte der Große Kurfürst für diese Kolonie einige Schiffe vom niederländischen Reeder Benjamin Raule. Diese „Flotte“, bildete für Wilhelm II. „den Grundstock der preußischen Marine“ und „begründete die Tradition der deutschen Marinen“. Für den Kaiser war der Aufbau einer Kriegsflotte wichtig, „um die Interessen Deutschlands in Übersee gegen England und andere Kolonialmächte durchzusetzen“.
Wirtschaftliche Perspektiven
Caprivi war ein entschiedener Gegner dieser Politik. Für ihn waren Kolonien unrentabel. „Großfriedrichsburg“ war 1709 wegen zu hoher Unterhaltskosten wieder aufgegeben worden. Abgesehen von den großen Summen für die militärische Sicherung dieser Gebiete, standen die Gewinne der Kolonien im Missverhältnis zum Aufwand für die Verwaltung und den Ausbau der Infrastruktur. Europa war für Caprivi ein „Wirtschaftsgebiet mit 130 Millionen Menschen“. Politisch gesehen banden Handelsverträge andere Länder an das Deutsche Reich. Handelspolitik war für Caprivi aktive Außenpolitik. Seiner Ansicht nach konnte ohne eine leistungsfähige Industrie der deutsche Großmachtanspruch nicht aufrechterhalten werden. In den 1890er Jahren gehörte die Deutsche Handelsflotte zu den mächtigsten der Welt. Caprivi sagte dazu: „Entweder wir exportieren Waren oder wir exportieren Menschen.“ Er beobachte den wirtschaftlichen Aufstieg der USA und schätzte, dass ein europäischer Krieg diesem Konkurrenten in Hände spielen würde. „Deutschland ist militärisch zu schwach, um ferne und große Kolonialgebiete zu verteidigen“, so glaubte er. Nachdem er mit England einen Vertrag zum Tausch von Sansibar gegen Helgoland abgeschlossen hatte, wurde er zum Ziel der einflussreichen rechtsradikalen „Alldeutschen-Bewegung“. Am 26. Oktober 1894 unterschrieb der Kaiser Caprivis Entlassung.