Kolonialausstellung , 1896 | Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896

Kanzler Caprivi

Kolonialausstellung , 1896 | Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896
1896 wurde auf Treptow die Deutsche Kolonialausstellung eröffnet. Einwohner aus den Kolonien sollten einen Eindruck des dortigen Lebens vermitteln.
/ Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896 /

Der alte Name der Danneckerstraße.

Von

Bis zum 24. Mai 1951 war die Danneckerstraße dem Reichskanzler Leo von Caprivi gewidmet. Kaiser Wilhelm der II. ernannte 1890 den 54-jährigen zum Reichskanzler mit liberalen Ansichten: „Die Regierung kann niederhalten, niederschlagen, damit ist die Sache aber nicht gemacht, die Schäden müssen von innen heraus geheilt werden. Dazu gehört, dass man das Wohlbefinden im Staat, das sich heimisch fühlen, die Teilnahme mit Kopf und Herz an den Aufgaben des Staates in weitere Kreise getragen wird.“ Caprivi hielt den „Kampf gegen die Sozialdemokratie (für) die ernsteste Frage unserer Zeit“. Entgegen seinem Vorgänger Bismarck lehnte er „Ausnahmegesetze gegen die Sozialdemokratie“ ab. Lag Caprivi hier auf der Linie des Kaisers, so ging der Reichskanzler in Außenhandels- und Kolonialfragen auf Distanz zum Herrscher, für den die Koloniale Expansion ein Herzensthema war.

Politische Perspektiven

1883 ermächtigte das Auswärtige Amt den Kaufmann C. F. Lüderitz, Besitzungen in Südwestafrika (heute Namibia) zu erwerben. Lüderitz überlistete dabei seine Gegenüber, indem er als Vertragsgrundlage die preußische Meile, etwa 7,5 Kilometer verwendete. Üblich war in Afrika die englische Meile mit circa 1,6 Kilometern. Für Wilhelm den II. war damit „eine weltgeschichtliche Tatsache“, vollzogen. „Das geeinigte Deutschland, stark in seiner kontinentalen Machtstellung, hatte den ersten entscheidenden Versuch gewagt, an die Tradition des Großen Kurfürsten anknüpfend, mit stolzem Sinn bei der Verteilung der Welt sein Recht zu fordern“, so erklärte er. Mehr noch: „Es hört sich wie ein Märchen an, dass Ende des 17. Jahrhunderts der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm das kleine Brandenburg in die Reihe der europäischen Großmächte führte und an ihrer Seite auch in die überseeische Politik eintrat“. Wilhelm der II. spielte damit auf die erste deutsche Kolonie in Afrika an.

Landkarte mit deutschen Kolonien | Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896
Auf der Karte sind die Orte der ersten deutschen Kolonie in Afrika verzeichnet.
/ Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896 /

Koloniale Perspektiven

Am 27. Dezember 1682 betrat der vom Großen Kurfürsten zum Major ernannte 27-jährige Otto Friedrich von der Gröben das Ufer am Kap der drei Spitzen (Kap Tres Puntos – heute Ghana). 41 Forts säumten damals die „Goldküste“ West-Afrikas. Um ein brandenburgisches Fort zu errichten, schloss Gröben im Lauf eines Alkohol-Gelages mit den örtlichen Clan-Chiefs des Dörfchens Accada mündliche Kontrakte ab. Im Tauschgeschäft gegen Gold oder Menschen, erwarben afrikanische Herrscher Feuer-Waffen, um Feldzüge gegen ihre Konkurrenten zu starten. Wegen fehlender Geldmittel konnte Gröben erst am 1. Januar 1683 die Brandenburgische Flagge in der Nähe vom Dorf Poqueso in den Sand setzen. „Weil sein Kurfürstlicher Name in der Welt groß ist“, wurde ein ans Ufer grenzender Berg nach Salutschüssen, Pauken und Schalmeienklang zum „Großen Friedrichs-Berg“, und zum Standort der Festung „Großfriedrichsburg“. Man handelte mit Gold, Elfenbein und Sklaven. Von hier aus wurden über 20.000 Menschen zur Sklavenarbeit auf die Plantagen der Karibik verschleppt. Allerdings sind nur die Überlebenden gezählt worden. Etwa ein Drittel dieser „Passagiere“ überlebte die mörderische Überfahrt nicht und mehr als ein Viertel starb kurz nach der Ankunft. 1686 kaufte der Große Kurfürst für diese Kolonie einige Schiffe vom niederländischen Reeder Benjamin Raule. Diese „Flotte“, bildete für Wilhelm II. „den Grundstock der preußischen Marine“ und „begründete die Tradition der deutschen Marinen“. Für den Kaiser war der Aufbau einer Kriegsflotte wichtig, „um die Interessen Deutschlands in Übersee gegen England und andere Kolonialmächte durchzusetzen“.

Wirtschaftliche Perspektiven

Caprivi war ein entschiedener Gegner dieser Politik. Für ihn waren Kolonien unrentabel. „Großfriedrichsburg“ war 1709 wegen zu hoher Unterhaltskosten wieder aufgegeben worden. Abgesehen von den großen Summen für die militärische Sicherung dieser Gebiete, standen die Gewinne der Kolonien im Missverhältnis zum Aufwand für die Verwaltung und den Ausbau der Infrastruktur. Europa war für Caprivi ein „Wirtschaftsgebiet mit 130 Millionen Menschen“. Politisch gesehen banden Handelsverträge andere Länder an das Deutsche Reich. Handelspolitik war für Caprivi aktive Außenpolitik. Seiner Ansicht nach konnte ohne eine leistungsfähige Industrie der deutsche Großmachtanspruch nicht aufrechterhalten werden. In den 1890er Jahren gehörte die Deutsche Handelsflotte zu den mächtigsten der Welt. Caprivi sagte dazu: „Entweder wir exportieren Waren oder wir exportieren Menschen.“ Er beobachte den wirtschaftlichen Aufstieg der USA und schätzte, dass ein europäischer Krieg diesem Konkurrenten in Hände spielen würde. „Deutschland ist militärisch zu schwach, um ferne und große Kolonialgebiete zu verteidigen“, so glaubte er. Nachdem er mit England einen Vertrag zum Tausch von Sansibar gegen Helgoland abgeschlossen hatte, wurde er zum Ziel der einflussreichen rechtsradikalen „Alldeutschen-Bewegung“. Am 26. Oktober 1894 unterschrieb der Kaiser Caprivis Entlassung.

Suahelifrauen | Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896
Die betreffenden Menschen hatten in Hütten auf dem Gelände zu hausen, einer verstarb an Lungenentzündung. / Quelle: Katalog zur deutschen Kolonialausstellung 1896 /

Ergebnisse

Deutsche Kolonialtruppen führten zur Machtsicherung kostspielige, vom Rassenwahn geprägte Vernichtungsfeldzüge durch. Allein in Deutsch-Südwestafrika, dem dem heutigen Namibia, fielen dem Genozid 100 000 Menschen zum Opfer. Frauen und Kinder waren gezwungen, mit Glasscherben das Fleisch von den abgeschlagenen Köpfen ihrer Familienmitglieder abzukratzen. Die nackten Schädel landeten „zur Untersuchung“ im Depot der Charité und anderen Instituten. Bis heute ist unklar, viele Gebeine afrikanischer Menschen heute noch zu Forschungszwecken verwendet werden. Deutschland verlor nach dem ersten Weltkrieg seine Kolonien, England und Frankreich die industrielle Vormacht. Die Aufarbeitung kolonialer Verbrechen in den ehemaligen „Deutschen Schutzgebieten“, ist für die offizielle Politik bis heute kaum ein Thema. Kürzlich wurden einige Schädel zurückgegeben und eine Entschuldigung ausgesprochen. Von wenigen Straßenumbenennungen abgesehen, die stets von erbitterten Diskussionen mit deutlichen rassistischen Untertönen begleitet waren und sind, gibt es in der Stadt kaum Hinweise auf die dunkle Koloniale Vergangenheit Deutschlands. In Namibia wurden 2013 deutsche Städtenamen durch Afrikanische ersetzt. Eine zipfelförmige Landzunge, gegenüber Sambia, sie hieß seit der Kolonialzeit „Caprivi-Zipfel“, wurde nach dem Grenz-Fluss Sambesi, „Sambesi“, benannt.

 

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