Kunstfigur prosaisch
Auf der Bühne wird Barbara zu Helene Mierscheid, ihres Zeichens Ehefrau eines Politikers und deshalb berufen zur Politiker- und Lebensberaterin. Vom Publikum lässt sie sich Fragen und Sorgen aufschreiben, die sie dann vorliest, kommentiert und mit guten Ratschlägen bedenkt. Den Vorwurf, dass sie dabei schummelt und selbst geschriebene Fragen vorliest, erheben nur Leute, die Barbara nicht kennen. „Schlagfertigkeit kann man lernen“, sagt sie. Das ist ein bisschen zu bescheiden, denn sicher kann und muss man Schlagfertigkeit trainieren. Aber das erklärt Helenes Bonmots unzureichend. Sie ist einfach ein Original.
Allgemein zugenommen haben Bühnenspäße an der Grenze zur Banalität oder zur Geschmacklosigkeit. Doch solange Helene Mierscheid auf der Bühne steht, werden geistreiche Politikerwitze wohl nicht aussterben. Und das liegt nicht nur an den Politikern. Ihre Programme schreibt sie selbst. Ideen kommen manchmal von allein. Bei der Eröffnung eines Supermarkts trug sie vor Mitarbeitern und dem mittleren Management ein Programm aus skurrilen Obst- und Gemüsewitzen vor, das auf wenig Verständnis stieß. Supermarktmitarbeiter scheinen ihren eigenen Humor zu haben, denn zum Abschluss wurden ihnen, die gleich den Laden aufmachen mussten, riesige Präsentkörbe voller Lebensmittel überreicht. Zum einsortieren?
Immer noch Westlerin?
Was müssen Kabarettisten noch haben? „Resilienz“ lautet die Antwort. Klingt ein bisschen wie Petersilienz und meint die Fähigkeit, Krisen zu meistern. Früher nannte man so etwas dickes Fell.
Ob sie sich als Zugereiste diskriminiert fühlt, will ich wissen. „Eigentlich nicht“, erwidert sie. Ein befreundeter Kollege sagte ihr: „Nach fünfzehn Jahren Friedrichshain und sechs Jahren Moderation bei Jugendweihen darfst du dich als Ostlerin fühlen.“
„Ich glaube, über einen Humorstil zu verfügen, der auch von Ostdeutschen verstanden wird. Die haben das Zwischen-den-Zeilen-Lesen gelernt und denken Andeutungen weiter.“ Nicht unter die Gürtellinie zielen und auch nicht zynisch werden, gehört ebenfalls dazu.
Vorurteile sterben wohl ebenso wenig aus, wie die Dummheit. Einerseits schmückt man sich mit dem kreativen Potential, das hier lebt, mit Leuten, die sich mit nicht gerade üppigen Einnahmen und ungewisser Zukunft abmühen, andererseits hängt man ihnen lebenslang ein Fremdsein an. Provinz in der Szene.
Wer mehr über Helene Mierscheid wissen will:
www.helene-mierscheid.de