In den drei Schaufenstern, eines für Herren-, zwei für Damenmode, liegen tote Fliegen und dicke Staubflusen, sind die ausgestellten Hosen, Pullover und Röcke ausgeblichen. Nur der Blumenstrauß zwischen den kopflosen Kleiderständern scheint frisch, ist aber nicht echt. Auch sind die Scheiben schmutzig und beschmiert, das hätte Frau Richter sicherlich nicht geduldet.
Ein Fotoalbum steht aufgeklappt auf der Ladentheke: Bilder aus dem Laden aus einer schwer bestimmbaren Zeit. Frau Richter hat vermutlich schon immer zeitlose Mode verkauft. Auf einem Bild stützt ein älterer Herr lässig seinen Arm auf einen vollen Kleiderständer und schaut selbstbewusst am Fotografen vorbei, als überlege er gerade, welche Hemden seinem Kunden gut stehen würden. Vielleicht Herr Richter? Ansonsten sieht es aus, als wäre Frau Richter nicht fertig geworden mit der feierlichen Ausschmückung für das Jubiläumsjahr. Oder mit dem Ausräumen nach der Geschäftsaufgabe, die ja im gleichen Jahr gewesen sein muss. Jedenfalls ist in einem der Damenschaufenster der Friedrichshainer Geschichtskalender von 2012 ausgestellt. Kartons lehnen in der Ecke, Plastiktüten im ansonsten leeren Regal dahinter, ein leerer Krawattenständer ragt aus dem Durcheinander auf der Ladentheke. Eine Schaufensterpuppe ist obenrum noch nicht fertig angezogen.
Die Bilder sind vom April 2016. Vier Jahre hat sich hier nichts verändert. Inzwischen wurde das Haus renoviert und ist nicht wiederzuerkennen. Von Frau Richter keine Spur mehr.