Nicht gut für Geschäfte mit schlechtem Gewissen
Tragische Geschehnisse gingen hier vor sich. Weder die einstmalige Wilhelminische Bebauung und ihre Totalzerstörung im Zweiten Weltkrieg, noch der vor 60 Jahren mit Pomp aufgezogene und inzwischen frisch und zum Teil fehlerhaft sanierte stalinistische Zuckerbäckerputz ändern etwas daran. Qualvoll war das Ende der Delinquenten, die sich seinerzeit gegen das Recht vergriffen hatten und deswegen genau hier, im Nordostwinkel des Platzes zur Richtstätte geführt wurden. Ein auf drei Pfählen ruhendes Galgengerüst bekrönte die gruselige Anlage.
Im Berliner Stadtbuch, dessen Anfänge ins 14. Jahrhundert zurückreichen, heißt es: „Den soll man an der Richtstatt verbrennen, der einen falschen Kauf begeht“, also der etwas verkauft, das nicht dem angegebenen Wert entspricht. Und genauso ist es 1444 dem Pilger Hans Titeken aus Crossen geschehen, der in Berlin eine Fibel als golden ausgab, um einen besseren Preis für sie herauszuschinden. Im Mittelalter ging es gar nicht so sehr um den Wert des Gegenstandes. Es war die Falschheit, die bestraft wurde. Dutzende Menschen kamen hier ums Leben. Zum Glück sind die Zeiten längst vorbei, in denen Menschen aus derart geringen Gründen so hart bestraft wurden. Unaufrichtiges Handeln ist damit leider nicht aus der Welt, zumal es auch gesetzestreu ausgeübt werden kann.
Schwieriges Gelände
Ein mächtiger Springbrunnen, Rasenflächen, stattliche Platanen, hohe Wohnhäuser mit hellen, beigefarbenen Kacheln, Rundbögen, getragen auf doppelten Sandsteinsäulen, die große Schaufensterscheiben überspannen – so kennen wir den heutigen Strausberger Platz. Ihn zu lieben wäre zu viel verlangt. Der bis in die Nacht lärmende Verkehr, der täglich zehntausende Autos um den Springbrunnen-Kreisel drehen lässt, erfüllt den Ort nicht gerade mit Romantik. Unter Geschäftsleuten gilt dieser merkwürdig wenig urban erscheinende Ort als schwierig. Mit sehr viel Mühe haben sich einige Restaurants etabliert, so dass das Wort vom Wunder am Strausberger Platz umher ging.
Die Liebe ist verschwunden
Dieses Wunder ist nun bedroht, denn zur Zeit versucht Rubina Real Estate die Geschäfte und Wohnungen am Platz an Interessierte zu veräußern, wobei das besondere Ambiente des Platzes schmackhaft gemacht wird: einmaliges Ensemble, Citynähe, Berliner Szene, Restaurants, Galerien und so weiter. Der norwegische Unternehmer Einar Skjerven übernahm einen Teil des Platzes und stellte sich vor zwei Jahren in der Berliner Zeitung nicht als Spekulant sondern als vorsichtiger Investor vor. Langfristig einsteigen, keine aggressive Finanzierung, Sanierung sei nicht sein Geschäft. „Ich muss mögen, was ich kaufe.“ Doch die Mieter beklagen sich, denn er ließ die Sanierung von Fenstern, Treppenhäusern und undichten Dächern schleifen. Dafür nutzte er alle Möglichkeiten zur Mieterhöhung aus.
Rubina Real Estate präsentiert denkmalgerecht sanierte Hausflureingänge mit frisch abgebeizten Eingangstüren und Briefkästen. In den Etagen darüber ist es mit dem Glanz vorbei: Leuchter und Türfarben sind eher billig, der Hausmeister wurde angewiesen, im Hausflur abgestellte Fahrräder zu entsorgen. Für gerade einmal 53?m² mit zwei Zimmerchen und Mini-Küche verlangt Rubina 250.000 €. Doch die Kunden werden noch zuzahlen müssen, denn nur die wenigsten Wohnungen sind gut ausgestattet: marode gewordene Strom- und Wasserleitungen aus den 1980er Jahren; wohl zum zehnten Mal ausgebesserte, sechzig Jahre alte Fenster; abgetretener Bodenestrich; alte DDR-Heizungen und schiefe, klapprige Türen. Dazu bröckelige Fassaden aus den 1950er Jahren und die nach fehlerhafter Sanierung wieder herabfallenden Kacheln.
Eine Anfrage der Rubina Real Estate an das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg nach Unterstützung eines eigenen Museumcafés scheiterte schon nach den ersten Gesprächen an der Fadenscheinigkeit der Investorenargumente. Dass seit Jahren der mit einmaligen Exponaten und profunder Expertise zum Thema aufwartende Verein „Geschichtswerkstatt Stalinallee“ dringend nach Mitteln zum Erwerb einer Musterwohnung sucht, um so ein Museum einzurichten, ist der Rubina bekannt.
„Central Berlin“
So heißt nicht nur das Verkaufsprojekt von Rubina sondern auch die neue Galerie am Strausberger Platz, in der nun die Möbel stehen, die man eigentlich ins eigene Museum stellen wollte. DDR-Retro wird für viel Geld feilgeboten, ebenso der teuer aufgemachte Bildband „Central Berlin“ mit dem geschmacklosen Untertitel „DDR limited“.
Als Werbehit ging die Verlosung einer Wohnung für ein Jahr mietfrei durch die Medien. Siegerin war eine Journalistin, die über ihre große Liebe in Berlin schrieb – natürlich die Karl-Marx-Allee!
Kaum ein Thema ist so sensibel wie das Wohnen. Die dritte Haut, sagen manche, etwas, das Vertrauen verlangt. Die Eigentümer am Strausberger Platz täten gut daran, es bei den Einwohnern wieder einzuwerben.
Typisches Verhalten der Investoren auf allen Gebieten! Völlig asoziales Verhalten dieser Clique!