Die Krossener Straße.
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Um Kaiser Heinrich II. die Stirn zu bieten, ließ im Jahr 1005 Bolesław von Polen eine Festung bauen. Diese führte zur Bildung der Siedlung „Crosno“, die bis 1163 zu Polen gehörte. 1230 verlieh der polnische Herzog Heinrich I. von Schlesien, genannt „der Bärtige“, Crossen das Magdeburger Stadtrecht. „Dieser Stadt Name heisset eigendlich ein Saum am Rock“, sagt eine alte Beschreibung. Gelobt wurde die „gute gesunde Lufft“ und „auff dem Gebürg“ hatte es „einen Weinwachs und viel fruchtbare Obstbäume“. Crossen erlebte zerstörerische Besetzungen und Brände, war Teil von Brandenburg oder Böhmen, wurde von Russen besetzt, von Schweden geplündert und infolge einer preußischen Verwaltungsreform 1815 zu einer Kreisstadt im Regierungsbezirk Frankfurt/Oder. In der Crossener Holz- und Fleischindustrie war im 19. Jahrhundert nicht mehr ausreichend zu verdienen. Als Crossen über die Bahnstrecke Guben–Bentschen von der Märkisch-Posener Eisenbahn-Gesellschaft 1870 an das preußische Eisenbahnnetz angeschlossen wurde, nahmen etliche Arbeiter ihre Chance wahr, in Berlin ihr Glück zu versuchen.
Fremde Töne
Berlin wuchs im neunzehnten Jahrhundert nach den Plänen eines James Hobrecht. In die Mietshäuser der Straße 16a der „Abt. XIV.“, zogen Neubürger aus Schlesien, die bald zur „Krossener Straße“ wurde. Die „Schlesier“ kamen wegen ihrer provinziellen altmodischen Kleidung, ihren überholten Moralvorstellungen und vor allem wegen ihrer Sprache nicht gut an im aufstrebenden modernistischen Berlin. Im schlesischen Crossen mischte sich der schlesische Akzent mit dem niedersorbischen. Zum Kämmen wurde kein Kamm, sondern der Strel benutzt, um straiblich, also gut am Werscht, dem Arbeitstisch auszusehen, und sich später auf dem Sofa zu aalen (Južo zasej se na kawčy gnili). Allmählich siegte das Berlinische über den Heimatdialekt und aus den Schlesiern wurden eingeborene Friedrichshainer.