Frierende Musiker und bröckelnde Kulissen
„Da das Publikum viel zu schauen und leicht in die Ohren gehende Musik zu hören bekommt“, war im Reichsfilmblatt vom 4. Februar 1928 zu lesen, wären „Lichtspielhäuser die eigentlichen Volkstheater“. Theaterdirektoren klagten wegen dieser Konkurrenz: „Unsere Theater leiden schon genug durch Rundfunk, Sport und Weekend und der Tonfilm ist im Anmarsch“. Zu leiden hatte aber auch Paul Brandt, Violinist im Filmorchester der „Concordia-Lichtspiele“. Am 28. November 1928 schrieb er an die Gesundheitspolizei, dass der Orchestergraben erfüllt sei von Urin- und Pestilenzgestank, der von verwesenden Mäusen herrührte. Ab und an würden die Räume mit Desinfektionsmitteln gereinigt, aber so sehr, dass alle Musiker Kopfschmerzen bekämen. Kein Ofen wäre vorhanden. Wer sich krank melde, bekäme sofort die Kündigung. Er und seine 15 Kollegen müssten in Decken und Mäntel gehüllt spielen. Essen und Trinken am Arbeitsplatz war untersagt, einen Pausenraum für die Musiker gab es nicht. Sein Kollege Emil Hopson aus der Tilsiter Straße 2 wurde wegen Essens im Orchestergraben entlassen.
Über 14 Tage war das Orchester gezwungen, bei ganz dunkelrotem Licht zu spielen, was alle aufbrachte. Einige Musiker begannen, den roten Lack von den Birnen zu kratzen. Der Dirigent drohte mit Anzeigen wegen Sachbeschädigung. Als die Musiker wegen der roten Lampen zu streiken drohten, wurden die Lampen vom Kapellmeister in grüne Farbe getaucht. Damit gab es noch weniger Licht.
Hin und wieder brannten elektrische Leitungen. Während einer akrobatischen Vorführung im Vorprogramm krachte eine 25 Kilogramm schwere Hantel in den Orchestergraben. Sie traf einen Musiker schwer am Kopf und zerbrach seine Geige samt Bogen. Manchmal fiel ein Mauerstück von der Bühnenverkleidung auf die Musiker. Der Dirigent sagte dazu: „Auf der Straße können Sie auch verunglücken.“ Von der Polizei war nach den Worten von Paul Brandt nicht viel zu erwarten, denn die Beamten bekämen Freikarten für alle Vorstellungen.