Vielsortimenter Knorr-Bremse.
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Einst wurden Eisenbahnzüge per Hand von „Bremsern“ gestoppt. Als die „Carpenter-Einkammer-Druckluftbremse“ elektro-pneumatisch in der Lage war, Züge rasch und gleichmäßig zu bremsen, verloren die Bremser ihren Job. Der Konstruktionsingenieur Georg Knorr hatte hieran seinen Anteil. Seit 1883 war er eine treibende Kraft bei der Entwicklung von Eisenbahn-Druckluftbremsen und trat 1884 in den Dienst der Firma Carpenter, die für die Preußische Staatseisenbahnverwaltung Bremseinrichtungen baute. 1893 übernahm Knorr die Firma und gründete 1911 in die Knorrbremse AG. Hier wurde im Ersten Weltkrieg die „Kunze Knorr-Bremse“ entwickelt. Ein Standartmodell nicht nur für die Reichsbahn, sondern seit 1919 auch für europäische Eisenbahnen.
Wichtiger als der geschäftliche Erfolg war der politische. Infolge des Versailler Vertrages bestanden Handelssperren gegen Deutschland. Ein Herr Bostic aus Jugoslawien, als Bremsenerfinder von erheblichen Einfluss beim Internationalen Eisenbahnverband, verschaffte der Knorr AG Gehör. Nach einem Vergleich durften die Knorr Produkte weltweit vertrieben werden. Pneumatik war das Geschäft von Knorr ob bei Fahrzeugen oder Kompressoren wie bei Farb- und Lackspritzanlagen. Die 1904 bezogenen Gebäude in der Neuen Bahnhofstraße 11/12 wurden zwischen 1913 und 1916 erweitert und erhielten durch die Gestaltung Alfred Grenanders ihr von Säulenarkaden, Wandpfeilern und Sandsteinreliefs eindrucksvolles Aussehen. 1928 errichtete Grenander in der Hirschberger Straße in Lichtenberg das Hauptwerk.
Arbeiten bei Knorr
Zu den Statussymbolen erfolgreicher Unternehmer wie Georg Knorr gehörte der Umfang von sozialen Leistungen an die Mitarbeiter. Damit niemand das Gelände verlassen musste um sich zu versorgen, bot die Kantine gutes preiswertes Essen an. Mit sozialen Leistungen hoffte Herr Knorr, den aus seiner Sicht „Wahnsinn des Sozialismus“, in Schach zu halten. Die Lohnabhängigen jener Jahre waren kritisch und streitbar. Ihre Loyalität zu erhalten, war für Knorrs Fabrik überlebenswichtig. Wie seine Mitarbeiter rang er um gesellschaftliche Mitsprache im Wilhelminischen Staat der Dreieinigkeit aus Militär, Kirche und Adel.
Georg Knorr verstarb 1915, sein Bild des sorgenden Patriarchen verblasste schnell. 1928 gründete Johannes Engel die „Nationalsozialistische Wählerschaft bei der Knorrbremse” und nach dem 30. Januar 1933 streiften die Angehörigen der ‚NS-Werksschar‘ als Werkschützer durch den Betrieb. Toilettenkontrollen wegen Rauchens oder Ausruhens waren alltäglich. Blitzschnell wurde die Eingangstür aufgerissen und geschaut, ob die Betreffenden ihre Kleider herunter gezogen hatten. Rauchen auf dem Klosett galt als sofortiger Entlassungsgrund.
Illegale KPD-Mitglieder trafen sich im Fahrstuhl, die Verständigung lief über Klingelzeichen. Bei über 5 Millionen Reichsmark lagen bei der Knorr AG 1943 die Bombenschäden. Aber der Umsatz stieg im selben Jahr auf 100 Millionen. Zu den 4.000 deutschen Arbeitskräften kamen 3.000 Tschechen, Polen und Russen, Zwangsarbeiter, die hinter Stacheldraht in Baracken leben mussten.
Ihre Kost war schmal. Wer beim Stehlen von Kartoffeln erwischt wurde, kam in den Bunker. Wer gut arbeitete, bekam eine Ration, die einer halben der deutschen Arbeiter entsprach. In Tages- und Nachtschichten schufteten an den schweren Maschinen auch Frauen und Mädchen, von denen viele neben Drangsalierungen Vergewaltigungen vom Lagerführer Schwark und seinem Stellvertreter erlitten. Am 15. April 1945 gelang acht „Ostarbeiterinnen“ die Flucht.
Am Morgen des 23. April 1945 gruben Anwohner unter Trümmerschutt begrabenes Mehl aus. Einrichter Friedrich Kotschorrek und Ingenieur Freydank, beide gehörten zur Werksschar der Knorr-Bremse, verhafteten 12 dieser Männer und überstellten sie der SS, die auf dem Werksgelände einen Gefechtsstand hatte. Unter einem Vorwand wurden elf von ihnen in einen Hinterhalt gelockt, mit der Maschinenpistole erschossen und ihre Leichen auf dem Gelände verscharrt.
Gebremster Neuanfang
Am 3. Mai 1945 nahm das Werk mit 60 Mitarbeitern die Arbeit wieder auf. Von 3.000 Maschinen liefen noch 61, davon 20 eingeschränkt. Über 500 Arbeiter waren im August 1945 mit Demontagen beschäftigt, Lohnzahlungen blieben jedoch aus.
Der spätere Werksdirektor Theodor Böcker stand mit SED-Chef Walter Ulbricht und SED-Wirtschaftsfunktionär Bruno Leuschner in enger Verbindung. Vom sowjetischen Oberst Ossachenkow erhielt er den Befehl, den Betrieb „in die eigene Regie zu übernehmen“, um ihn in eine sowjetische Aktiengesellschaft (SAG) zu überführen. Dann würde er der Belegschaft „genügend Maschinen, Material und Arbeitsräume kostenlos zur Verfügung stellen. Ginge dies nicht, dann nehme er sogar noch den letzten Dreck vom Hof mit“. Als „Transmasch“, eine Abkürzung für Transportmaschinenbau, und Teil eines 30 Betriebe umfassenden Konglomerats auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone nahm das künftige „Berliner Bremsenwerk“ am 4. April 1946 die Produktion wieder auf. Hergestellt wurden russische Matrossowbremsen als Reparationsleistung. Zum Betrieb gehörten das Krankenhaus Friedrichshain, die neu gegründete „Autoreparaturwerkstatt Friedrichshain“ und mehrere Privathäuser. Infolge der Gebietsreform von 1938 war die Lichtenberger Gürtelstraße Friedrichshain zugeschlagen worden.
Am 25. Juni 1946 schrieb das Friedrichshainer Wirtschaftsamt an die Lichtenberger Kollegen: „Da nach Lageplan des Bezirkes Friedrichshain die Neue Bahnhofsstraße und somit das gesamte Grundstück der Knorr-Bremse zum Bezirk Friedrichshain gehört, muss auch die industrielle Betreuung oben genannten Werkes von uns erfolgen“. Später kam es zur Trennung der Produktion in VEB Berliner Bremsenwerk und VEB Messelektronik Berlin. Doch das ist eine ganz andere Geschichte, die damit endet, dass 1991 die Knorr-Bremse AG München alle Anteile der „Berliner Bremsenwerk – Knorr-Bremsen AG“ übernahm und 1993 den Standort schloss.
Die Aussage “Später kam es zur Trennung der Produktion in VEB Berliner Bremsenwerk und VEB Messelektronik Berlin” ist schlicht falsch.
Der VEB Meßelektronik war eine Neugründung nach dem Ende der SAG-Zeit 1954 in den Räumen der Knorr-Gebäude an der Neuen Bahnhofstraße und hatte mit der Knorr-Bremse vor 1945 und dem Berliner Bremsenwerk bis 1990 nichts zu tun. Erst nach 1990 gehörte die aus dem VEB hervorgegangene MEB Meßelektronik GmbH kurzzeitig zum Knor-Bremse Konzern, da diese die Firma beim Wiedererwerb der Gebäude von der Treuhand mit übernehmen mußte (oder wollte). MEB wurde dann einige Zeit in die Knorr-Bremse Elektronik in München integriert, später wurde das Geschäft mit Meßzellen aber weiterveräußert und MEB abgewickelt.