Stilles Schreiten
Am 14. April wusste das kaiserliche Oberkommando: „Die Arbeiter sind nicht mehr zu halten. Die Mehrheit beschloss, am Montag früh um 9 Uhr die Betriebe zu verlassen.“ Am 15. April gingen berittene Abteilungen im Hof des Polizeireviers an der Magazinstraße in Bereitschaft. Mit der Parole „Gleiche Löhnung, gleiches Essen und der Krieg wär längst vergessen“, zogen am 16. April tausende Menschen der Friedrichshainer Rüstungsbetriebe Knorr, Pintsch, der Lindström Munitionsfabrik an der Großen Frankfurter Straße 137 und vielen kleinen Firmen wie der Axial Propellerfabrik an der Warschauer Straße 58 zur abgesperrten Innenstadt. 200 Frauen kamen bis zum Lustgarten, wo sie „manierlich und ohne ungebührlichen Ton ihres Weges gingen“ schrieb die Presse, die von einem „Bummel der Bestbezahlten“ sprach, sich über „schlendernde Frauen und Mädchen“ ereiferte, deren Kleidung, „nur mit hohen Kriegslöhnen zu bezahlen sind.“ Diese Demonstration sei „wegen der Absenkung der Brotration eine bodenlose Frivolität dieser Zeit.“Immerhin halten diese Proteste als Landesverrat. Wegen der Ernährungsprobleme gingen am 17. April bei der Auer KG an der Rotherstraße 4000 Leute nicht zur Arbeit, genauso wie 250 Beschäftigte der Firma Bernhard an der Barnimstraße 13, bei Knorr verweigerten 1634 Kollegen den Dienst. Jetzt hieß es: „Wir wollen Brot, Freiheit, Frieden“. „Zur Erringung des Friedens“, ruhte bis zum 21. April bei der Knorrbremse und anderen Kriegswichtigen Betrieben die Produktion.
Am 27. April wurde Martin Gonschior aus der Gürtelstraße 9 wegen Streikunterstützung in „Schutzhaft“ genommen. Er hatte ein Flugblatt dabei, in dem es zur Demonstration und zum Streik hieß, der viele Berliner Betriebe erfasste: „Ohne Belagerungszustand – vielmehr trotz desselben – ohne Zwangsgesetze und militärische Disziplin hat sich eine Proletarierarmee von über 300.000 Arbeiterinnen und Arbeitern – was einer Stärke von 10 Armeekorps entspricht – in wunderbarer Einmütigkeit und Ordnung von selbst mobilisiert“. Doch täglich starben Frauen im Berlin des ersten Weltkrieges an Unterernährung, Überanstrengung, an schweren Unfällen und Vergiftungen in den Rüstungsbetrieben.