Das ehemalige Pintsch-Verwaltungsgebäude, Foto: Giovanni Lo Curto

Leuchtendes aus der Andreasstraße

Das ehemalige Pintsch-Verwaltungsgebäude, Foto: Giovanni Lo Curto
Das Verwaltungsgebäude in der Andreasstraße steht heute leer. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Loyalitäten

Die Arbeitsbedingungen im Betrieb waren schlecht. Das Licht trübe, die Toiletten unhygienisch, Lastenfahrstühle funktionierten nicht, alles musste getragen werden. Überall gab es ausgebranntes Parkett und Löcher im Boden. Löhne wurden zu spät ausgezahlt. Einige Leute griffen zur Selbsthilfe und verkauften Treibriemen auf dem Schwarzmarkt.
Am 4. März 1952 lagen bei den „Pintschianern“ die Nerven blank. Es kam zu einem zweistündigen Sitzstreik wegen eines neuen Prämienverteilsystems, sowie Urlaubskürzungen und der Beseitigung des Waschtages für die zahlreichen alleinstehenden Frauen. „Es wird zwar viel Wind gemacht, aber zu sehen ist nichts“ war am 2. Mai 1952 zu hören. Weil die Löhne wieder zu spät ausgezahlt wurden, setzten einzelne Abteilungen die Arbeit für drei Stunden aus. Bitter für die Parteileitung: es waren Genossen, die zum Streik aufriefen.
Schlimmer noch: Am 17. Juni 1953 verweigerte der Werkzeugbau die Arbeit. Auf dem Hof versammelten sich Kollegen aus allen Abteilungen. Von leitenden FDGB Mitgliedern unterstützt, sagte eine geschätzte und sonst parteitreue Genossin, dass die Partei nicht die Interessen der breiten Masse vertritt. Die Kollegen forderten die Durchführung freier Wahlen und eine sofortige Senkung der HO-Preise.
Ein erheblicher Teil der 1.700 Mitarbeiter ging zur Stalinallee. Sehr zum Ärger der Bezirksparteileitung „entlarvte“ die Betriebsparteileitung aus Loyalität gegenüber den Kollegen und der alten Firma nach Niederschlagung des Aufstandes zunächst keine „Provokateure“.
Man hatte nicht vergessen, dass einst der Sohn des Gründers Oskar Pintsch und seine Ehefrau Helene nach heutiger Kaufkraft 2,6 Millionen Euro für ein Heim zur Heilung und Erziehung behinderter Kinder spendete. Dies war das Startkapital für das spätere „Oskar-Helene-Heim“ in Zehlendorf. Auch andere soziale Leistungen der alten Besitzer, die sie jetzt vermissten, waren den „Pintschianern“ noch in Erinnerung. Erst auf massiven Druck von oben wurden drei Mitarbeiter aus den Abteilungen Werkzeugbau, Sonder­regelungsbau und Schlosserei den „Staatsorganen“ übergeben. Etliche der neuen und alten Kader mussten 1956 gehen, als der Betrieb zum VEB Fahrzeugtechnik wurde. Nach der Wende wurde der VEB schnell abgewickelt und seit 1992 steht das Gebäude leer.

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