Die Neue Lazaruskirche in der Romintener Straße , Bild: Archiv St. Markus Friedrichshain

Der Dom von Friedrichshain

Die erste Lazaruskirche, Archiv St. Markus Friedrichshain
Die erste Lazaruskirche. Diese steht heute in Lobetal und ist auch im Logo der Lobetaler Anstalten zu sehen.  / Bild: Archiv St. Markus Friedrichshain /

Die Lazaruskirche in der Romintener Straße.

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Einst war sie mit 60.000 Gemeindegliedern, manche sprechen von 70.000, die größte deutsche evangelische Kirchengemeinde in Berlin. Schon 1896 bei der Ausgründung der neuen Gemeinde aus der zu eng gewordenen Markus-Gemeinde lebten 54.000 Menschen im neu gebildeten Kirchenbezirk. Inzwischen ist die Lazarus-Gemeinde mit zwei anderen Gemeinden Friedrichshains, Andreas und Markus fusioniert. Alle drei haben ihre Kirchen verloren. Dabei existiert noch die erste Lazaruskirche, ein 1892 errichteter Fachwerkbau, nur eben nicht mehr in Berlin. Er wurde abgetragen und 1905 für die Hoffnungsthaler Stiftung in Lobetal bei Bernau wieder errichtet. Dort steht noch dieses alte Stück Friedrichshain in voller Pracht.

Hoffnungstaler Stiftung Lobetal

Die Neue Lazaruskirche in der Romintener Straße , Bild: Archiv St. Markus Friedrichshain
Die Neue Lazaruskirche in der Romintener Straße war ein „Hingucker“.
/ Bild: Archiv St. Markus Friedrichshain /

Ein mächtiges Bauwerk

Am 14. Dezember 1907 wurde die im neogotischen Stil errichtete Kirche in der Romintener (jetzt Grünberger) Ecke Kadiner Straße in Anwesenheit des Kronprinzen Wilhelm geweiht. Ihr imposanter Bau, 53 Meter lang, 25 Meter breit, bot Platz für 1.400 Gläubige. Der wuchtige Turm erreichte eine Höhe von 66 Metern. Nicht umsonst nannte man Lazarus den Dom von Friedrichshain. Er war ein zeittypischer Kirchenbau. Rote Marmorsäulen, neugotische Gewölbe und eine riesige Fensterrosette ließen die Kirche als alt-ehrwürdig erscheinen. Bis 1915 wurden fünf Pfarrstellen eingerichtet, die längst nicht zur Betreuung aller Seelen reichten.
Der Name Lazarus, des von Jesus ins Leben zurückgeholten Heiligen, gab dem Wunsch der Gründer Ausdruck, die proletarische Mehrheit südlich der Frankfurter Allee aus den Fängen der „vaterlandsverräterischen“ Sozialdemokraten zum rechten Glauben zurückzuführen. Bei den Kirchgängern Lazarus’ überwogen bei weitem die einfachen Menschen, Arbeiter, Handwerker oder kleine Gewerbetreibende.

Konfessionelle Streite

In zwei Hauptrichtungen entwickelten sich die Glaubensvorstellungen der Gemeindeglieder, deren Mitglieder sich mitunter gegenseitig heftig anfeindeten. Hier schlug sich eine Diskussion nieder, die damals überall im Deutschen Reich geführt wurde: Sollte man im Gebet tatsächlich noch laut bekennen, man glaube an die unbefleckte Empfängnis, obwohl alle wussten, dass es sie gar nicht geben kann? Diese und ähnliche Streitereien über den wissenschaftlichen Gehalt von Glaubensbekenntnissen waren die Spitze unterschiedlicher Glaubens- und Lebensauffassungen: Ist die Heilige Schrift eher sinnbildlich als eine Hilfe zum Zusammenleben aufzufassen oder wortwörtlich zu nehmen? Die „Positivisten“, die in Lazarus sehr stark waren, hatten eine positive Auffassung zum Bibelverständnis, pflegten eine bibeltreue Frömmigkeit.

Eine verhängnisvolle Zeremonie

Doch wurden diese beide Richtungen Anfang der 1930er Jahre von einer ganz neuen protestantischen Strömung, nämlich den antisemitischen und rassistischen Deutschen Christen, die in Adolf Hitler buchstäblich den neuen Messias sahen, an den Rand gedrängt. Widerspruch erhoben 1934 die Bekennenden Christen in den Barmener Thesen: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“ Dies war ein Ärgernis für die Nationalsozialisten, denen es nie gelingen sollte, die Bekennende Kirche vollends zu unterdrücken. Doch beteiligte sich die Lazarusgemeinde, als deutsch-christliche Gemeinden am 2. Juli 1933 in ganz Preußen Kirchen mit Hakenkreuzfahnen beflaggten, mit einer Massentrauung von 47 Brautpaaren der Deutschen Christen. Die Bräutigame traten alle in SA-Uniformen auf.

Lazaruskirche, 1945, Archiv St. Markus Friedrichshain
/ Bild: Archiv St. Markus Friedrichshain /

Die letzten Jahre

Im November 1943 wurde die Kirche bereits durch Bombentreffer beschädigt, wobei das Rosettenfenster zu Bruch ging. Im Herbst 1944 wurden die letzten Gottesdienste in dem beschädigten, bereits offenen Kirchenschiff gehalten. Danach fanden sie im Gemeindehaus in der Memeler Strasse 53/54 (heute Marchlewskistraße 40) statt. Bei einem der letzten Luftangriffe auf Berlin wurde die Kirche am 13. April 1945 stark getroffen und brannte vollständig aus. Eine gesetzliche Bestimmung regelte, dass die Stadtverwaltung von Trümmern geräumte Gelände mit Wohnungen bebauen durfte. Kritiker warfen der Ostberliner Verwaltung vor, mit Absicht Kirchen zu enteignen, indem gerade Kirchenruinen abgeräumt würden. Am 10. September 1949 wurden die Ruine und der immer noch mächtige Turm gesprengt.

Pfarrer Moritz Kracht, 1951, Foto: Gemeinde Lazarus
„Das alte Lazarus ist nicht mehr. Lazarus war immer ein heißer Boden, aber das Wirken in dieser echten Großstadt-Gemeinde war doch schön. […] Es hat mich alles erinnert an viel Gnade Gottes und an viel Sünde der Menschen.“ Pfarrer Moritz Kracht, 1951 / Foto: Gemeinde Lazarus /

Erinnerungen an Pfarrer Kracht

Ein Pfarrer, der die Gemeinde durch bewegte Jahre führte, war Moritz Kracht, der 1919 als 36jähriger zu Lazarus kam. Zuerst durchaus nationaldeutsch denkend, hing er später auf Distanz zu der „Glaubensrichtung Deutsche Christen“. Ihn ärgerte, dass die Entscheidungen, die von den Deutschen Christen in der Gemeinde herbeigeführt worden waren, in außergemeindlichen Gremien instruiert wurden. Er war mit knapp 30 Jahren der Pfarrer mit der längsten Amtszeit in Lazarus. Kracht glaubte an den Wiederaufbau der Kirche und setzte sich dafür ein: „Die Kirche steht da und bleibt stehen“, schrieb er an die städtische Behörde. „Ein Neubau ist nicht notwendig, dauert uns auch zu lange. Ich will das Turmgebäude zu Wohnungszwecken ausbauen, wodurch im Bezirk Friedrichshain wieder einige Wohnungen frei würden.“
Eine Zeitzeugin, die 1947 bei ihm konfirmiert wurde, erinnert sich daran, dass Pfarrer Kracht sehr freundlich gewesen sei und dass die Jugendlichen gern zu ihm kamen. Dies kann aber auch daran gelegen haben, dass das Gemeindehaus im Winter im Gegensatz zu den damals kriegsgeschädigten Wohnungen immer gut geheizt war.
Die Lazarus-Gemeinde hat anlässlich des 110. Jahrestags ihres Bestehens eine Geschichte der Gemeinde herausgegeben, aus der hier zitiert wurde.

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