Krautstraße mit Gewinn.
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Unversehrte Bausteine waren nach Kriegsende sehr gesucht und das Industrieviertel des Berliner Ostens, die Krautstraße, lag unter Trümmerschutt begraben. Techniker und Arbeiter der Maschinenfabrik Kärger an der Krautstraße 52 konstruierten und bauten eine Maschine, die pro Stunde 700 Steine reinigte und nur zwei Arbeiter zur Bedienung benötigte. Diese Steinputzmaschine funktionierte ähnlich wie eine Schleifmaschine. Jeweils ein Stein wurde in einen trommelförmigen Behälter gelegt. Rotierte die Trommel mit hoher Geschwindigkeit, schlug der Ziegel gegen Stahlringe, die in der Trommel montiert waren. Dabei zerfiel der Putz zu Staub und wurde per Sauganlage entfernt. Kärger durfte in Friedrichshain Maschinen bergen und verkaufen. Die Bergung von Maschinen aus Trümmergrundstücken war ein lohnendes Geschäft. Auch Mähmaschinen wurden konstruiert und 1945 / 46 auf der Industrie- und Gewerbeausstellung der Provinz Mark Brandenburg ausgestellt. Ab April 1946 arbeitete man bei Kärger in drei Schichten für Reparationsaufträge und baute Optikmaschinen zum Schleifen, Zentrieren und Polieren. 1947 waren bei Kärger 314 Personen beschäftigt.
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1950 gehörte die Maschinenfabrik Kärger dem Volkseigentum an. Rationelle, im „Westen“ getestete Arbeitsmethoden waren damit ideologisch „belastet“. Diesem Umstand folgend, trat eine „sowjetische Delegation“ mit dem Zentralvorstand der (Ost-)IG Metall in einen „längeren Erfahrungsaustausch“ ein. Als Ergebnis führten „Fortschrittliche Dreher“ das „Schneiden mit negativem Winkel“ ein. Dieses Verfahren sollte die Haltbarkeit der Schneidewerkzeuge erhöhen. Aus der Maschinenfabrik Kärger wurde 1952 der VEB Berliner Werkzeugmaschinenfabrik. Am Standort Krautstraße fertigten 1.187 Personen in erster Linie Drehautomaten für den Armaturen- und Fahrzeugbau an. In Marzahn, dem späteren Standort, bauten 540 Mitarbeiter Radialbohrmaschinen, so sie nicht Zahnräder frästen oder Metallteile härteten. Die politische Einstellung der Mitarbeiter verursachte der SED-Betriebsleitung Kopfschmerzen: Niemand kam zu den politischen Schulungen, nur 132 Kollegen waren in der SED. Eine Sammelliste für den „Korea-Hilfefond“ brachte Summen zwischen 3 und 10 Pfennigen ein. Leitende Angestellte tauschten Maschinen gegen dringend benötigte West-Füllfederhalter und für andere Engpassmaterialien führten sie heimlich eine Westgeld-Kasse. Ein Obermeister las die West-SPD-Zeitung „Der Telegraf“. Ein Arbeiter verließ den FDGB mit den Worten: „Die Menschen der ‚Zone‘ werden wegen der geringen kartenmäßigen Zuteilungen für Lebensmittel und der häufigen Stromsperren als Menschen zweiter oder dritter Klasse behandelt!“ „Ein Aktivist, der keine Überstunden scheute“, war ein „starker Trinker“ und ging während der Arbeitszeit in die Kantine, um mit Kollegen den Werkschutz zu provozieren.
Feines für die Füße
1972 war der Aktivist vergessen und der Standort Krautstraße ein Betriebsteil vom Kombinat „Goldpunkt“. 160 Mitarbeiter, meistens Frauen, stellten luftige Sandaletten her. Täglich verließen circa 1.200 Schuhpaare die Krautstraße, je Halbjahreskollektion 10 bis 12 Modelle der Größen von 23 bis 27,5. In Lackschwarz, Gold oder Silber, mit Flechtwerk, mit Riemchen oder mit Lochmuster. Das synthetische Material für die Sandaletten kam vom VEB Kunstleder Borsdorf und hieß Gambithen. Die Produkte aus der Krautstraße fanden ihre Kundschaft vor allem in Belgien, Holland, Großbritannien und Westdeutschland. Um sich im Niedrigpreissegment des Westens zu behaupten und dafür die Produktionskosten gering zu halten, hatte jeder Stanzer sein „Gambithen-Rohmaterialzuschnittskonto“ einzuhalten, auch war es anders als sonst notwendig, Klebstoffe ohne gesundheitsschädliche Lösemittel anzuwenden. Ende Juli 1981 wurden 58,6 Prozent der Jahresproduktion ausgeliefert. Ein weiterer Erfolg war, dass im 1. Halbjahr 1982 10.000 Paare Bindesandaletten (Dianetten) zusätzlich in die Produktion gingen. Für diese Dianetten kam anstelle von Gambithen Schweinsflechtleder zum Einsatz.
Block im Wandel
1973 / 74 hatten sich auf dem einstigen Gewerbehof Kärger, nun als „Gewerbeobjekt 1017“ geführt, neben dem VEB Sandalette über 15 andere Betriebe wie die REKO Metallwerke Berlin angesiedelt. Laut dem „Generalbebauungsplan der Hauptstadt“ lag das „Objekt 1017“ in einem Wohngebiet. Bis 1980 sollte es wegen der massiven Umweltbelastung abgerissen werden. Als im harten Winter 1979 / 80 den überalterten Heizanlagen der Zusammenbruch drohte, wurde ein neuer Plan entworfen, um das Objekt an das Fernwärmenetz anzuschließen. Am 28. Juni 1985 wurde ein Kohlenplatz der alten Heizung, er lag auf dem Grundstück der Georgi Berogowoi Schule, abgeräumt und die Ruine der ehemaligen Kärger‑Kantine wurde durch ein Produktionsgebäude für den VEB Metallwaren Berlin ersetzt. Im November 1985 war die komplette Rekonstruktion des Altbaues eine beschlossene Sache und für den VEB Sandalette war kein Platz mehr vorhanden. Ab 1986 sollten hier Elektromotoren gebaut werden. Mit der Wende nahte auch das Ende des „Gewerbeobjektes 1017“. Hier sollte nur noch gewohnt werden. Die letzten Planungen der Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte (WBM) riefen im September 2015 Mieterproteste auf. In Planung war, 700 zusätzliche Wohnungen zu errichten. 350 Bewohner der Krautstraße wie der Lichtenberger Straße erhoben Einspruch. Sie führten an, dass es speziell in der Krautstraße zu massiven Abschattungen kommen würde, etliche Wohnungen im Schatten der Neubauten lägen und bestehende „Grüne Inseln“ zerstört würden. Ungeklärt war, ob genügend Kitaplätze zur Verfügung stünden. Erst nach langen Gesprächen am „Runden Tisch Stadtentwicklung Friedrichshain“ versprach die WBM, Gutachten zu Schall, Wärme, Luftzirkulation und Verschattung in Auftrag zu geben, um eine „Anpassung an die soziale Infrastruktur“ vorzunehmen und erst dann in „die Planungen“ zu gehen.