Franz-Mehring-Platane am Franz-Mehring-Platz. Foto: Detlef Krenz

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Franz-Mehring-Platane am Franz-Mehring-Platz. Foto: Detlef Krenz
Aus Anlass des 40. Jahresjubiläums der Umbenennung des Küstriner Platzes in Franz-Mehring-Platz pflanzen Nachbarn und Kinder des Evangelischen Elisabethstiftes gemeinsam am 27. April 2012 die Franz-Mehring-Platane.

Umbenennungen in Friedrichshain-Kreuzberg

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Auf dem Straßenverzeichnis von Friedrichshain und Kreuzberg findet man den Namen „Mehring“ dreimal. Wie kam es dazu?
Nach zwei verlorenen Kriegen sollten ab 1946 alle Berliner Straßen und Plätze, die Namen von Militärs oder Nationalsozialisten trugen, umbenannt werden. Die Abteilung Volksbildung beim Groß-Berliner Magistrat unterbreitete am 13. Februar 1946 einen Vorschlag zum  100. Geburtstag von Franz Mehring, den Belle-Alliance-Platz in „Franz Mehring-Platz“ umzubenennen. Der Platz und die „Belle-Alliance-Straße“ erinnerten als nationalistisch preußisch-militaristische Namenssymbole an die Siege über die Napoleonischen Truppen Anfang des 19. Jahrhunderts.
Wegen der räumlichen Nähe zum ehemaligen Verlagshaus der SPD-Zeitung „Vorwärts“, passte der Name des sozialdemokratischen Journalisten und Publizisten. Am 5. Oktober 1947 erhielt der U-Bahnhof den Namen „Mehringdamm“. 1918/19 kämpften hier revolutionäre Arbeiter gegen rechte Putschisten.

Ambitionierte Pläne rund um die Karl-Marx-Allee  / Bild: LAB C Rep 104-01 Nr. 108
Ambitionierte Pläne rund um die Karl-Marx-Allee
/ Bild: LAB C Rep 104-01 Nr. 108

Eine neue Stadt für neue Menschen

Zum 20. Jahrestag der DDR 1969 wurde ein weitgehender Um- und Neubau des Ostberliner Stadtzentrums vorgenommen.  Das Verlagsgebäude der Berliner Zeitung und das Gebäude des Allgemeinen Deutschen Nachrichtendienstes sollten an der Verlängerung der Prenzlauer Allee am Alexanderplatz errichtet werden. Der Verlagsdirektor des Berliner Verlages, Rudolf Barbarino schlug vor, dieses Teilstück in „Franz-Mehring-Straße“ zu benennen. Barbarino führte an: „daß es in Westberlin einen Franz-Mehring-Damm gibt, daß aber das eigentliche Vermächtnis Franz Mehrings in unseren Händen liegt!“. Jedoch, von der SED-Führung war hierfür schon der Karl Liebknecht vorgesehen.

Den Namen Franz Mehrings missbraucht

Franz Mehring wurde 1846 in Schlawe (Pommern) geboren, wuchs in einem preußentreuen und protestantischen Elternhaus auf. Neben seinem Studium der Klassischen Philologie in Leipzig knüpfte er Kontakte zu August Bebel und Wilhelm Liebknecht. Wie sie glaubte er an die Selbstemanzipation des Menschen im Rahmen von Sozialreformen. Nach einem Intermezzo als Parlamentsreporter trat er als Journalist ab 1875 für die Arbeiterbewegung ein.  Aus persönlichen Differenzen zur SPD wechselte er 1879/80 auf politisch die reaktionär konservative antisemitisch Seite. Anfang der 1880er Jahre las Mehring die Schriften von Karl Marx zu lesen und wurde 1884 Leitartikler der linksliberalen „Volkszeitung“. 1891 trat er der SPD bei, wurde deren wichtigster Publizist und Anhänger des linken Flügels. 1916 gründete er neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht den Spartakusbund, 1919 die KPD. Mehring starb am 28. Januar 1919. Als kritischer Geist gegen Freund und Feind vertrat er das Gegenteil von dem, was die SED von ihren Mitgliedern erwartete und ihr Propagandablatt „Neues Deutschland“ propagierte.

Wohnen am Küstriner Platz 1947        / Foto: Otto Donath, Quelle: Bundesarchiv
Wohnen am Küstriner Platz 1947 / Foto: Otto Donath, Quelle: Bundesarchiv

Wohnelend um den Küstriner Platz

Das im Hobrechtplan als „Platz A, Abt. XV“ bezeichnete Areal wurde 1867 zum Küstriner Platz am Küstriner Bahnhofs, der wiederum Ausgangspunkt der „Preußischen Ostbahn“ war. Sie führte über das ca. 90 km entfernte Küstrin bis zur polnisch-russischen Grenze und wurde nach Verlegung über den heutigen Ostbahnhof schnell zu einer Hauptachse zwischen Ost- und Westgrenze des Deutschen Reiches.
Für viele Menschen, die in der Metropole Berlin eine Zukunft suchten,  wurde die Gegend um den Bahnhof zur ersten, oft einzigen neuen Heimat. Wegen des schwierigen sozialen Umfeldes galt diese als das „Chicago von Berlin“: Opiumhöhlen, Verbrechersyndikate, Bordelle. Entgegen standen soziale und kulturelle Einrichtungen. Jules Marx, Direktor der „Scala“ im Westen Berlins, ließ den alten Küstriner Bahnhof 1929 zum Varieté-Palast „Plaza“ mit 3000 Sitzplätzen umbauen. Als er 1933 nach Frankreich floh, blieb das „Plaza“ Aufführungsort. In den letzten Kriegsmonaten wurde das Gelände um den Schlesischen Bahnhof weiträumig durch Bombenangriffe zerstört. Schwer beschädigt wurde auch das „Plaza“ in den Endkämpfen um Berlin und trotz seiner weiteren Nutzung als Veranstaltungsort 1952 abgerissen. Am ehemaligen Standort legte der Chefpropagandist der SED, Werner Lamberz, den Grundstein für das neue Druck- und Verlagsgebäudes des „Neuen Deutschland“. Nach seinen Worten einem Ort von großer symbolischer Kraft, „weil das Proletariat hier die größte Not erlitten und mit der Waffe für eine sozialistische deutsche Republik kämpfte“ und „mit der Inbesitznahme der Produktionsmittel durch das Volk wäre die Pressefreiheit Wirklichkeit“ geworden.

Zwiespältiger Umgang mit dem Ostbahnhofviertel

Nach SED-Diktion lebten in den alten halbverfallenen Häusern am Ostbahnhof zahlreiche „kriminell Gefährdete“. In der 5. Oberschule nahe dem Küstriner Platz, kam es am 15. September 1965 zu einer als Gericht fungierenden Einwohnerversammlung mit ca. 200 Personen. Ein Gruppe Jugendlicher musste sich vor der Versammlung, zu der auch deren Eltern  geladen waren, erklären, weshalb sie durch „Arbeitsbummelei“ und das „öffentliche Anhören von bestimmten Musiksendungen westlicher Rundfunkstationen in Überlautstärke“ aufgefallen waren. Drei von ihnen kamen in „Arbeitserziehung“, die anderen in zugewiesene Arbeitsverhältnisse. Die weiblichen Mitglieder der Gruppe gaben nach einem Bericht der Bezirksleitung der FDJ durch ihr auffälliges und aufdringliches Verhalten den Anlass zur freiwilligen Gewährung des G-Verkehrs.“

Skulpturen am Franz-Mehring Platz: Rosa Luxemburg von Rolf Biebl, dahinter eins von zwei Terrakotta-Reliefs zu Ehren von Mathilde Jacob und Karl Liebknecht von Ingeborg Hunzinger
Skulpturen am Franz-Mehring Platz: Rosa Luxemburg von Rolf Biebl, dahinter eins von zwei Terrakotta-Reliefs zu Ehren von Mathilde Jacob und Karl Liebknecht von Ingeborg Hunzinger
/ Foto: Detlef Krenz

Neues gesellschaftliches Zentrum

Mit der Neugestaltung des gesamten Ostbahnhofsviertels wurde eine soziale Befriedung angestrebt. Die Beseitigung trostloser Wohnräume galt als Voraussetzung zur Schaffung des neuen, vom Sozialismus begeisterten Menschen. Bebaut wurden die Straßen um Ostbahnhof mit langen Hausreihen von Typ P2, die mit Punkthochhäusern aufgelockert wurden. Es sollte eine repräsentative, moderne Fortsetzung der Karl-Marx-Allee entstehen. Doch im Sinne einer Tiefenbeobachtung des Grenzvorlandes nach Westberlin war das Interesse der Sicherheitskräfte nach belebten Straßen eher verhalten. Viele der neuen Wohnungen um den Franz-Mehring-Platz wurden an verdiente Bürger vergeben, die sich gesellschaftlich im Sinne der SED engagiert hatten oder gute Arbeitsleistungen aufgefallen waren. Die feierliche Enthüllung des Namensschilds „Franz-Mehring-Platz“ fand am 24. März 1972 statt.

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