Mit der Cyklonette ins Autozeitalter.
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Von einem Motor angetrieben auf dem Fahrrad von einem zum anderen Ort reisen, das war der Traum von Franz Hüttel, einem Ingenieur, der im Sächsischem Erlau wirkte. Einer von den kleinen Benzinmotoren, die 1899 auf den Markt kamen, passte. Hüttel montierte den Motor übers Vorderrad, Riemen trieb das Vorderrad an, für den Oberflächenvergaser war auch noch Platz, der Benzinbehälter wurde in den Fahrradrahmen verfrachtet. Schon war es fertig, das erste Motorrad aus dem Hause ‚Cyclo‘, das 1900 der Öffentlichkeit vorgeführt wurde. 1,5 Pferdestärken brachte die Maschine auf die holperigen Straßen. Ein wirklicher Erfolg war das erste ‚Cyclo‘- Modell nicht, zumal Erlau nicht der Nabel der Welt war. Franz Hüttel beschloss, nach Berlin zu gehen und fand in Alt-Boxhagen 16f die Möglichkeit für einen Neuanfang.
Mehr als ein Achtungserfolg
Mit Vasile Sfetescu, seinem Co-Konstrukteur, entwarf er ein ‚Automobile‘. Das Publikum war sehr interessiert. Das ‚Automobile‘ wurden allmählich ein Standessymbol. Nicht jeder konnte sich eines leisten. „Sparen durch Weglassen“ sollte die Devise der 30 bis 35 km/h schnellen ‚Cyklonette‘ sein. Als 1901 die erste Berliner Verkehrsordnung für Kraftfahrzeuge verabschiedet wurde, war die Höchstgeschwindigkeit auf 14 km/h festgelegt und wurde 1910 auf 25 km/h erhöht. Damit kam ‚Cyklonette‘, das Dreirad mit Motor-Vorderantrieb, sehr gut klar. Sie war mit einer Lenkerstange ausgestattet, die reichte, um das Gefährt durch das Gewühl von Pferdekutschen, Straßenbahnen und Handwagen der Berliner Straßen zu steuern. War das erste Motorrad der ‚Cyclowerke‘ kein Erfolg, so hatten sich die ‚Cyclowerke‘ immerhin einen Namen gemacht, mit dem sie im Oktober 1903 zur Leipziger Kristallpalast- Ausstellung gingen, um hier zwei Ausführungen der ‚Cyklonette‘ vorzustellen.
Mit Kraft voran
Das 3,5 PS-Modell war für viele Käufer attraktiv. 1904 ging es an den Produktionsstart. Alt-Boxhagen 16f war jetzt ein Standort der frühen Berliner Autoindustrie. Ärzte, Geschäftsleute, Handwerker waren die Kunden, die 2.000 Mark, etwa das Zweijahresgehalt eines Industriemeisters, für ihre persönliche Mobilität ausgeben konnten. Um den Fahrkomfort zu erhöhen, kam jetzt ein Zweigang Planetengetriebe zum Einsatz, eine Spiralfeder zwischen der vorderen Rahmenspitze und Frontantrieb fing die gröbsten Stöße des Kopfsteinpflasters ab. Ein bescheidener Komfort gegenüber einem Mittelklassefahrzeug, wie es ein Vierzylinderphaeton vom NAG-Werk in Oberschöneweide war, das über 5.000 Mark kostete. Für ‚Limousinen‘ hatte man gar über 20.000 Mark zu zahlen. Egal wie teuer das Fahrzeug war, jedes hatte ein amtliches Kennzeichen zu tragen, die römische Zahl I stand für Preußen und das A für Berlin, gefolgt von der Zulassungsnummer. 1907 erfuhr die ‚Cyklonette‘ ein technisches Upgrade, ein Zweizylindermotor lieferte jetzt 6 PS, dennoch besaß sie weiterhin keinen Rückwärtsgang und blieb ein „Selbstlenker“. „Echte“ Automobilisten jener Zeit leisteten sich einen Chauffeur, der nicht nur den Wagen lenkte, sondern auch bestens mit der Fahrzeugtechnik vertraut war und wenn notwendig in eine Spezialwerkstatt brachte. Richtige Tankstellen gab es noch nicht, getankt wurde an Zapfstellen, die häufig auf dem Hof von Speditionen eingerichtet wurden. Speditionen nutzten immer häufiger Lastwagen, weil sie unabhängig von Gleisanschlüssen und Uhrzeiten Fracht zum Kunden brachten. Dutzende Berliner Automobilfabrikanten buhlten um Kundschaft, mal kamen die Fahrzeuge aus ersten Serienfertigungen, das andere Mal aus winzigen Hinterhofwerkstätten. 1914 wurden 7.000 Autos gezählt und viele gleich beim Kriegsbeginn beschlagnahmt. Nur, auf Grund völlig unterschiedlicher Modelle, konnten Schrauben, Ersatzteile und vieles andere weder getauscht noch ersetzt werden. Etliche Autos standen deshalb nutzlos herum.