Kaum wiedezuerkennen: Der Postbahnhof 2006 / Foto: Gryffindor, Wikimedia /

Die Maria und der heiße Dampf

Illus Martin 14.12.51 Modernste Paketbeförderungsanlage im Postamt O 17, Berlin. Im Postamt O 17 Berlin wurde eine mechanische Paketbeförderungsanlage in Betrieb genommen, die täglich 70..000 Pakete befördert. UBz: Gerade jetzt zu Weihnachten, wo der Paketverkehr besonders gross ist, bedeutet die mechanische Beförderungsanlage für die Postangestellten eine grosse Erleichterung. Gleich von der Paketaufgabestelle aus werden die Pakete auf das Förderband gelegt.
14.12. 1951 : Gerade jetzt zu Weihnachten, wo der Paketverkehr besonders gross ist, bedeutet die mechanische Beförderungsanlage für die Postangestellten eine grosse Erleichterung. Gleich von der Paketaufgabestelle aus werden die Pakete auf das Förderband gelegt. (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-12993-0001 / Martin / CC-BY-SA)

Von der Brief-Annahme-Expedition zur Partylocation Postbahnhof

von

Wegen des regen Postverkehrs wurde 1843 am Frankfurter Bahnhof eine „Brief-Annahme-Expedition“ eingerichtet. Schnell wuchs die Anzahl der Postkunden, und wenige Jahre später wurde aus der Briefannahme ein Postamt mit der Bezeichnung O 17. Bis 1907 erhielt das O 17 mehrere Unterämter, etwa das O 98 in der Stralauer Allee 34a für das Quartier Rudolfplatz. Ein größeres, hochmodernes O 17 empfing 1908 die Kunden. Es stand direkt an der heutigen Straße der Pariser Kommune 8, (ehemalige Fruchtstraße). Ergänzt wurde es durch zwei Postverladehallen, einer „Ankunftskammer“ und der „Abgangskammer“.

Deutschlands größtes Postamt mit Stempelmaschine und Rohrpost

Täglich wurden in dieser Zeit 50.000 Pakete bearbeitet. Allein im Jahr 1906 gingen weit über 13 Millionen Briefsendungen ein. Zur Rationalisierung der Entwertung von  Briefmarken nahm im Januar 1909 eine „Krag’sche Stempelmaschine“ ihren Betrieb auf. 1910 arbeiten 517 Postbedienstete im O 17, das bis 1945 mit 5.000 Beschäftigten zum größten Postamt Deutschlands anwuchs.
In den 1920er Jahren wurden dem Postamt O 17 alle Ost- und Südost-Bezirke Berlins und ein Nordost-Bezirk übertragen. Die Leerung der 231 Briefkästen erfolgte acht Mal täglich, an Sonn- und Feiertagen zweimal. Eine Rohrpostleitung machte ab 1927 die schnelle Briefverteilung an andere Postämter möglich.
War die Technik im O 17 modern, muss die politische Einstellung vieler Angestellter eher als reaktionär bezeichnet werden. Anlässlich der Betriebsratswahlen des Jahres 1931 wählten 18?% der Belegschaft die nationalsozialistische Betriebszelle – eine der ersten in Berlin. Nach dem Hissen der Hakenkreuzfahne am Gebäude des Postamtes O?17 verbrannte ein NSDAP-Mitglied am 8. März 1933 die republikanische Flagge auf dem Andreasplatz.

Neustart mit erweiterten Aufgaben

Zum Kriegsende halbzerstört, wurden die Gebäude des O 17 bis 1951 instand gesetzt. Zusätzlich zum normalen Postverkehr war jetzt der gesamte Zeitungs- und Zeitschriftenvertrieb der „Deutschen Post“ zu bewältigen. Dieser Dienst hatte inklusive Außenstellen 1.200 Mitarbeiter. Neben dem O 17 eröffnete auch ein zentrales Postzeitungsvertriebsamt (PZA) am 30. Juli 1965.
Der Postzeitungsvertrieb (PZV) hatte die Aufgabe, Verkauf  und Zustellung aller regelmäßig erscheinenden in- und ausländischen Presse­erzeugnisse in der DDR zu gewährleisten.

Ein Mitarbeiter des MfS öffnet Briefe am Aufdampftisch.        / Quelle: MfS Abt.M/Fo/31 Bild 3 /
Ein Mitarbeiter des MfS öffnet Briefe am Aufdampftisch. / Quelle: MfS Abt.M/Fo/31 Bild 3 /

Mangelwirtschaft und Kontrollwut statt Pressefreiheit und Postgeheimnis

Der PZV führte einen Index, in dem alle von ihm zu vertreibenden Zeitungen und Zeitschriften verzeichnet waren. Viele Zeitungen und Zeitschriften auf der PZV-Liste besaßen Sperrzeichen, die besagten, dass keine neuen Abonnenten aufgenommen werden konnten. Nach dem Ableben eines Abbonenten durfte nicht einfach ein neuer Bezieher eingesetzt werden. Die Ursache: Papiermangel. Die Streichung einer Zeitschrift von der Liste kam einem Verbot gleich, wie es im Herbst 1988 beim Glasnost-freundlichen „Sputnik“ geschah.
Im 14.000 Quadratmeter großen Postzeitungsvertriebs­amt und im Paketbahnhof arbeiteten seit 1950 getarnte Mitarbeiter der Staatssicherheit. Für die Paketkontrolle war die Abteilung M/4 der Staatssicherheit zuständig. Jedes Jahr versorgten  Bundesbürger mit ca. 25 Millionen „Westpaketen“ ihre Verwandten im Osten mit Genussmitteln. Ob Waren oder Geld, nichts entging den Kontrolleuren. Alle Pakete durchliefen eine Röntgenkammer. Die als Mitarbeiter der Deutschen Post getarnten MfS-Leute legten die Pakete so in die Kammer ein, dass von drei verschiedenen Seiten Inhalte oder Konturen von Gegenständen erkennbar wurden. Zahlungsmittel wurden einbehalten und gingen an die Staatsbank der DDR. In der Zeit zwischen 1984 bis 1989 kamen auf diese Weise über 32 Millionen DM dem DDR-Staatshaushalt zugute.
Unter der Bezeichnung BV 46/47 kontrollierte im O 17 eine Dienstelle des MfS die in den Westen adressierte und von dort abgesendete Post. Schichtleiter der Post übergaben die Sendungen an diese Dienststelle im Hause. Die Brief-Öffnungs- und Verschließprozeduren mit Dampf und Leim geschahen weitgehend automatisiert. Ziel der Post- und Paketkontrollen war die Suche nach „geheimdienstlichen Verbindungen“. Wenn aus 40.000 Personen-Hinweisen 13 Sendungen an „Feindorganisationen“, wie z.B. Amnesty International gefiltert werden konnten, wurde das als ein Zeichen erfolgreicher Arbeit angesehen. Die Verletzung des Post- und Fernmelde­geheimnisses, das der Artikel 31 der DDR-Verfassung von 1968 garantierte, geschah im großen Stil und mit krimineller Energie im Staatsauftrag. Grundlage waren die Befehle des Ministers für Staatssicherheit Erich Mielke, der seine Anweisungen vom Staatsrats- und SED-Vorsitzenden Erich Honecker erhielt.

Kaum wiedezuerkennen: Der Postbahnhof 2006 / Foto: Gryffindor, Wikimedia /
Kaum wiedezuerkennen: Der Postbahnhof 2006

Der Postbahnhof heute: Partys statt Pakete

Nach dem Mauerfall stand das O 17 jahrelang leer. Mitte 1998 jedoch kam Leben in den wellblechverkleideten Anbau des ehemaligen PZV. Fünf Künstler gründeten den für seine Konzerte und Partys bekannten legendären Club „Maria am Ostbahnhof“.
Der umgebaute Postbahnhof ist heute eine beliebte Party- und Konzertlocation, die restlichen Gebäude wurden 2006 abgerissen.

Ein Gedanke zu „Die Maria und der heiße Dampf“

  1. Ich wusste noch gar nicht, dass es schon seit dem frühen 20. Jahrhundert Rohrpostanlagen gibt. Ich denke ich würde diese Location auch gerne mal besuchen. Denn ich habe eine Schwäche für alte Locations um Events zu organisieren.

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