Von der Rußschleuder zum Großmarkt
Quynh Nga zeigt mir im Vorbeifahren das Dong Xuan Center in der Herzbergstraße. „Sie haben es noch nicht gesehen?“, fragt sie ganz erstaunt. Ich gebe zu, das letzte Mal war ich hier, als noch rußverschmierte Arbeiter des Industriebetriebs VEB Elektrokohle den siegreichen Sozialismus aufbauten. Jetzt stehen hier mehrere riesengroße Hallen mit Einkaufsgelegenheiten, draußen sitzen Kunden in Cafés und Schnellrestaurants. Es ist Treffpunkt, Handelszentrum und Leistungsschau der vietnamesischen Community. Zwischen den Ständen, an denen Kleidung, Gewürze, technisches Gerät und Lebensmittel – eigentlich alles angeboten wird, was man sich vorstellen kann, fühlt man sich wie in ein andere Welt versetzt.
Am 28. Juni wird es hier ein großes Fest anlässlich der deutsch-vietnamesischen Freundschaft geben. Ob sie dort mit Liedern auftritt? „Nein. Ich bin zu sehr in die Organisation eingebunden.“ Schade, wenn der Friedrichshainer Zeitzeiger erscheint, wird das Fest bereits vorbei sein. Aber das Gelände lohnt auch danach einen Besuch. Berlin einmal ganz anders.
An der Stadt bauen viele
Deutschland ist ihre zweite Heimat geworden, sagt sie auf dem Rückweg, als Quynh Nga mit ihrem kleinen Wagen versiert durch die belebten Nebenstraßen Friedrichshains flitzt. Ich frage sie, ob sie auch diesen Bambustanz kann, der mich als kleiner Junge so fasziniert hat. Dabei werden Bambusrohre rhythmisch auf den Boden und aneinander geschlagen, und die Tänzerinnen springen barfuß behände dazwischen. Sie lächelt. Ja, früher hat sie ihn gelernt. „Er ist gar nicht so schwer, wie er aussieht.“ Mit diesen Worten beginnt sie mir zu zeigen, wie der Rhythmus geht, indem sie mit beiden Händen auf das Lenkrad schlägt. Der Wagen macht einen gefährlichen Schlenker auf den Bürgersteig zu, aber Quynh Nga pariert geschickt.
Wer hält die Stadt am Laufen? Selbstverständlich auch zahlreiche Unbekannte, nie Genannte mit Migrationshintergrund. Ihre Communities müssen zusammengehalten werden, damit ihre Angehörigen Kraft und Zuversicht für das Wohl der Stadt schöpfen können.
Eine solch wichtige Funktion nimmt Quynh Nga wahr, die farbenfrohe Vietnamesin aus der Jungstraße.