Benjamin Raule Büste

Ein Unternehmer und Lebemann von Königs Gnaden

Erstbebauung auf dem Feld vor der Stralauer Vorstadt
Erstbebauung auf dem Feld vor der Stralauer Vorstadt durch Benjamin Raule / Quelle: privat /

Benjamin Raules Auf und Ab durch das spätere Friedrichshain.

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Zu den Ortsteilen, die später zumindest teilweise der Bezirk Friedrichshain einnahm, zählt die Stralauer Vorstadt. Sie erstreckte sich einst von der mittelalterlichen Stadtgrenze an der Jannowitzbrücke bis etwa zur heutigen Oberbaumbrücke. Genau hier war, als der kurfürstliche Stempelschneider, Ingenieur, Münzmeister und Kupferstecher Johann Bernhard Schultz 1688 seinen Stadtplan unter dem Titel RESIDENTIA ELECTORALIS BRANDENBURGICA (Kurfürstliche Residenz Brandenburgs) vorlegte, auf freiem Feld erstmalig ein größeres Anwesen zu erkennen.

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Schöne Gärten und Häuser – wo sich später Mietskasernen drängten

Das dargestellte Doppelgrundstück reichte bis unmittelbar an die Grenze des heutigen Bezirks in der Lichtenberger Straße, früher Markusstraße und davor Rosen-Gasse heran, und kann deshalb auch noch als die Friedrichshainer Geschichte berührend angesehen werden. Genau hier an der Gasse hatte Staatsminister Franz von Meinders 1684 ein Grundstück erstanden und ein Haus errichtet, das ein wenig an ein Jagdschloss erinnerte. Das lange Grundstück davor an der heutigen Holzmarkstraße 58-70 besaß seit 1683 ein anderer Bediensteter des Kurfürsten. Kaum zu glauben, dass dort, wo später dichtgedrängt Mitkasernen stehen sollten, ein beliebtes Ausflugsziel war. Wegen seiner schönen Aussicht auf die Spree führte der Garten den Namen Belvedere. 1686 ließ sich der Eigentümer des Grundstückes von hier oder von Berlin aus, wo er ebenfalls ein Anwesen besaß, unzählige Male die staubige Frankfurter Chaussee an Lichtenberg vorbei ins Dörfchen Rosenfelde fahren. Auch dort hatte er sich eine Residenz zugelegt.

Ein findiger Unternehmer

Der 1634 in Vlissingen in den Niederlanden geborene Benjamin Raule – ältere Quellen schreiben ihn Raulé –, Spross einer hugenottischen Familie, brachte es als junger Kaufmann zum Bürger und Ratsherrn im niederländischen Middelburg. Im Krieg zwischen England und den Niederlanden mit Frankreich verlor er 1672 sein gesamtes Vermögen und kam nicht recht wieder auf die Beine. Hoch verschuldet wandte er sich an Kurfürst Friedrich Wilhelm und bat ihn um einen Kaperbrief gegen die Schweden, die sich gerade im Krieg gegen Brandenburg befanden. Weil das Kriegsglück des Kurfürsten nicht günstig stand, ließ dieser Raule zum „Schiffsdirekteur“ ernennen und ihm die erforderten Mittel zum Aufbau einer kleinen Flotte aushändigen. Binnen sechs Wochen, so heißt es, brachte Raule 21 schwedische Schiffe auf. Die Ostsee soll von schwedischen Schiffen wie leergefegt gewesen sein, so groß war die Angst, gekapert zu werden.

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Pirat im Auftrage des Königs

Brachte ihm dies Reichtum und die Anerkennung seines neuen Herren ein, so war er bei den niederländischen Ständen alles andere als wohlgelitten. Diese schätzten nämlich die Schweden als tüchtige Geschäftspartner. Raule verlor einen Prozess wegen Missbrauchs der niederländischen Flagge, derer er sich bedient hatte, und damit auch alle seine gekaperten Frachten. Er musste mit einem neuen Berg Schulden nach Berlin fliehen. Mit großer Energie setzte Raule das Ansinnen des Königs durch, weitere Schiffe zu bauen. Es entstanden Werften am Berliner Schiffbauerdamm, in Havelberg und in Pillau in Ostpreußen.

Erfolgreich – ohne Gewinn

Die militärischen Erfolge gegen Schweden ermutigten den Kurfürsten, einen Kaperkrieg gegen Spanien zu beginnen, um es zur Auszahlung von vertragswidrig einbehaltenen Geldern zu zwingen. „Das erste Gefecht einer deutschen Seemacht!“, jubelten Nationalisten später. Die Erfolge waren mäßig. Erfolgversprechender schien das internationale Handelsgeschäft über das Meer bis hin nach Afrika und Amerika zu sein. Doch auch hier blieben die Erfolge eher übersichtlich.

Benjamin Raule Büste

Widerstand gegen Raules Methoden

In Pillau ließ er mit Ortsfremden Boote nach modernen niederländischem Muster errichten, was die dortigen Zünfte erboste, die ihre Jahrhunderte lang praktizierten Regeln missachtet sahen. Als der Unternehmer einen Schifffahrtskanal nach Königsberg für Überseeschiffe graben ließ, verfluchten ihn die Kleinschiffbauer, denn niemand brauchte mehr ihre kleinen Schiffe, auf denen bis dahin die Waren von Königsberg gebracht wurden. Raule sah Brandenburg damals schon als ein einheitliches Land an, das jedoch aufgrund unzähliger Einzelprivilegien so noch gar nicht bestand. Überall stießen seine Bemühungen auf Widerstand.

Unermesslicher Reichtum

1682 gründete Raule die Brandenburgisch-afrikanische Compagnie, die erste deutsche Aktiengesellschaft, um mit Waren aus Brandenburg, England, Frankreich und Afrika Handel zu treiben. Otto Friedrich von der Groeben erwarb 1683 im Auftrag der Compagnie im heutigen Ghana einen Stützpunkt, auf dem ein kleines Fort namens Groß-Friedrichsburg entstand. Auch hier jubelten später die Nationalisten: Die erste deutsche Kolonie! Dass von dort aus auch grausamer Sklavenhandel nach St. Thomas in die Karibik getrieben wurde, ließ man dabei oft gern unerwähnt. Der Kurbrandenburgische Anteil am Weltsklavenhandel war gering, dennoch machten dies immerhin etwa 30.000 verschleppte Menschen aus. Handelsgüter waren auch Gold, Elfenbein und Gummi Arabicum.
Raule verdiente außerordentlich gut in dieser Zeit, so dass er sich 1686 das verfallene Landschlösschen und kurz danach auch dazugehörige Ländereien in Rosenfelde kaufen und im niederländischen Stil ausbauen lassen konnte. Er war auch Lebemann, der gern Geschäftsfreunde und sogar den Hof des Kurfürsten zu rauschenden Festen einlud. Der Diplomat und Dichter Friedrich Rudolph Ludwig Reichsfreiherr von Canitz witzelte anlässlich einer solchen Gelegenheit einmal:

Der Churfürst und was Fürstlich heißt,
Haben jüngst beym Raule gespeist,
Mittags zu Rosenfelde;
Allwo man hat, versteh mich recht,
kostbar gegessen und gezecht,
Gespielet mit dem Gelde.

Dies hoffärtige Leben und die übergroße Huld des Kurfürsten brachten ihm Neid und Missgunst ein. Hinzu kam, dass das Afrika-Geschäft nicht wie erwünscht verlief. Einzelne Mitarbeiter verdienten auf Kosten der Compagnie in die eigene Tasche, was man Raule anlastete. Seine unterschiedlichsten Unternehmen hatte er zu undurchsichtigen Finanzgeschäften verwoben, weshalb er mehrmals Untersuchungen über sich ergehen lassen musste.

Ungnade und Armut

Sein tiefer Fall kam nach dem Tod des Großen Kurfürsten. Dessen Sohn Friedrich III., der sich 1701 zum preußischen König Friedrich I. krönte, ließ Raule im Dezember 1698 in Spandauer Festungshaft nehmen und ihn für dreieinhalb Jahre ohne Prozess einsitzen. Sein Schloss in Rosenfelde zog er ein und benannte es 1699 samt Dorf in Friedrichsfelde um. Nach seiner Haftentlassung lebte Raule als Verbannter fast mittellos auf einem Schiffswrack in Emden. Als dieses 1707 unbewohnbar wurde, konnte er nach Hamburg ziehen, wo er kurz darauf starb.
König Friedrich hatte kein Verständnis für Seefahrt und Welthandel, ließ die Schiffe verfallen, verscherbelte den überseeischen Besitz seines Vaters und löste schließlich 1711 die Brandenburgisch-afrikanische Compagnie auf. Raules Besitzungen in der Stralauer Vorstadt hatte bereits 1699 Paul von Fuchs, Malchower Minister, als Lohn für seine Dienste erhalten. Der Park Friedrichsfelde beherbergt heute den Berliner Tierpark.

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