Ein ehemaliger, nicht vergessener Kulturstandort.
Von Andreas Hoheisel.
In der Karl-Marx-Allee 78 (neben der ehemaligen Karl-Marx-Buchhandlung) ist eine Gedenktafel für das sich früher dort einmal befundene Rose-Theater angebracht. Bernhard Rose wurde am 22. Mai 1865 in Lohm / Ostprignitz geboren. Seine Jugend verlebte er in Heinersdorf, einem Ortsteil im heutigen Bezirk Pankow. Seine Eltern hatten die Prignitz verlassen, weil auch sie darauf hofften, in der aufstrebenden Industriestadt Berlin Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Aber der Vater starb bald, die Mutter erblindete und der Junge war früh auf sich selbst gestellt. Nach der Volksschule machte er eine Lehre als Schriftsetzer. Früh interessierte sich Bernhard Rose für das Theater, er trat dem Theaterverein Wally bei, gründete 1890 das Bernhard-Rose-Ensemble und 1901 bekam er eine Konzession für das Deutsche Clubhaus in der Badstraße (Gesundbrunnen), das er in „Bernhard-Rose-Theater“ umbenannte. Bis zu 2000 Gäste besuchten an Sommertagen die „Altberliner Possen“ des ersten Rose-Theaters. Hier im Wedding hatte Rose Erfolg und als nächster Schritt erfolgte nun der Umzug in ein größeres Theater. Er kaufte 1906 das bankrotte Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße 132 (heute Karl-Marx- Allee 78). Der Theatersaal hatte Platz für 1200 Besucher. Der Kaufpreis betrug damals 1.060.523,20 Mark, zu tilgen bis zum 1. Oktober 1920. Rose sah sich aber gezwungen für einen Teil dieser Summe einen Kredit aufzunehmen. Die Bergschloß- Brauerei-Aktiengesellschaft in der Hasenheide erklärte sich dazu bereit und somit musste die Restauration des Theaters ab sofort Bier ausschließlich von dieser Brauerei beziehen.
Ein neues Kapitel der Berliner Theatergeschichte
Das Rose-Theater begann mit der ersten Vorstellung am 29. September 1906. Es wurde das Volksstück „Der Millionen-Bauer“ von Max Kretzer aufgeführt. Das Theater bot eine gut durchdachte Mischung aus Klassik und Operette, Volksstück und modernem Drama. Der „Vorwärts“ schrieb anerkennend: „Man kann es nicht in Abrede stellen, dass das Theater des östlichen Berlins sich dauernd die redliche Mühe gibt, seinem Publikum gute und gesunde Kost zu bieten.“ Der vielseitige Bernhard Rose war beliebt zum Beispiel als Meisterdetektiv (eine Parodie auf Sherlock Holmes), als Othello oder als Wilhelm Tell. Waldemar Brust, 1919 in der Koppenstraße geboren, sagte in einem Rundfunkinterview: „Und der Häuserkomplex war so groß, man konnte sowohl von der Koppenstraße als auch von der Großen Frankfurter Straße auf den Komplex. Und der Koppenstraßeneingang war aber hauptsächlich fürs Personal. Weil da konnte man die Bühnenhäuser und die Kulissenhäuser und die Werkstätten, Schneiderstuben usw. erreichen … Es waren ja zwei Bühnen, einmal das geschlossene Theater und das andere Mal die Gartenbühne, die von Ende Mai bis in den Herbst hinein auch ihre Darbietungen brachte.“ Für die Sommerbühne ließ Bernhard Rose 1911 die Revue „Es gibt nur ein Berlin“ schreiben. Monatelang waren die Stammplätze ausverkauft. Rose hatte die geschäftsbelebende Wirkung der Werbung erkannt. Er suchte Verbindungen zu berufsständigen Organisationen und Vereinen. Schließlich zählte man über 30.000 Abonnenten, von den Gewerkschaftsverbänden bis zum Taubenzüchterverein. In den Geschäften der näheren Umgebung des Theaters wurden Plakate aufgehängt, die die nächsten Vorstellungen ankündigten. Für ihr Entgegenkommen erhielten die Besitzer Freikarten.
Prominente Mitarbeiter
Unter den vielen Gästen saßen häufig der Berliner Coupletschreiber Herrmann Frey und sein Freund Heinrich Zille. Der Sohn Hans Rose erzählte: „Ich höre sie noch heute lachen, wenn sie dicht am Orchester an ihrem Stammplatz saßen …“ Für die zweite Revue „Rund um die Spree“ entwarf dann auch Zille Ausstattung und Plakate und Frey schrieb die Texte. Bernhard Rose starb am 23. Juni 1927. Ein endloser Trauerzug bewegte sich in der Großen Frankfurter Straße zum Georgen-Parochial-Friedhof in der Friedenstraße. Das heute noch erhaltene Grab ist seit dem Senatsbeschluss vom 2. September 1997 ein Ehrengrab der Stadt Berlin. Nach seinem Tod führten seine drei Söhne Hans Rose (1893 – 1980), Paul Rose (1900 – 1973) und Willi Rose (1902 – 1978) das Rose-Theater in dessen Sinne weiter. Ihre Ehefrauen waren ebenfalls Schauspielerinnen des Theaters. Neben leichter Kost wurden auch weiterhin anspruchsvolle Stücke aufgeführt: Goethes „Faust“, Lessing, Schiller, Ibsen und immer wieder Gerhard Hauptmann – 1928 die „Die Ratten“, 1929 in Anwesenheit des Dichters, unter nicht enden wollenden Beifallstürmen, „Die Weber“. Das Rose Theater war auch die einzige Berliner Bühne, die 1929 eine Gedächtnisfeier zum 150. Geburtstag Heinrich von Kleists veranstaltete. Der Zweite Weltkrieg beendet dieses Kapitel Berliner Theatergeschichte in Friedrichshain. Englische Luftangriffe am Abend des 23. November 1943 zerstören die Gartenbühne, amerikanische Tagesangriffe am 7.und 8. Mai 1944 zerstören umliegende Wohnhäuser und das Möbelmagazin. Am 25. August 1944 wird die Schließung aller deutschen Theater angeordnet. Am Donnerstag, dem 31. August 1944 fand vor ausverkauftem Hause mit der Lehár-Operette „Frederike“ die letzte Vorstellung des Rose-Theaters statt. Das Theater wurde in ein Kino umgewandelt. Das „Ufa im Rose-Theater“ eröffnete am 27.10.1944. Das Theatergebäude existierte noch bis zum 29. April 1945. Die folgende Information ist verschiedentlich belegt worden, allerdings nicht aktenkundig: Sowjetische Soldaten glaubten am 29. April 1945, kurz vor der endgültigen Kapitulation, ein Waffenlager entdeckt zu haben, als sie in der Nähe des Rose-Theaters Kinder mit Bühnen-Waffen spielen sahen, und legten das Theater (mit Requisiten- und Kostümfundus) in Schutt und Asche. Eine Wiederbelebung des Rose-Theaters nach 1945 in der neuerbauten Stalinallee gab es leider nicht, obwohl es zaghafte Versuche der Presse gab, ein neues Rose Theater in die öffentliche Debatte zu bringen. Der Wohnungsbau hatte Vorrang.
Danke für den ausführlichen Text über das Theater, von dem mir meine Mutter oft erzählte. Meine Familie wohnte in der Großen Frankfurter Str.87, wo ich 1940 geboren wurde und einen der größten Luftangriffe am 3. Februar 1945, an welchem diese Straße zu großen Teilen in Schutt und Asche zerbombt wurde, als Fünfjährige miterleben musste. Wir gehörten also zu den sogenannten „Ausgebombten“. Meine Kindheit war dadurch geprägt. Später hat meine Mutter mir gezeigt, wo das Haus Nr. 87 gewesen sein könnte. Sie schätzte, vom Alex kommend rechts auf der Höhe des Strausberger Platzes, wo später das Kinderkaufhaus entstand. Leider habe ich in vielen Archiven keine Fotos von diesem Teil der Großen Frankfurter finden können. Aber durch die Erzählungen meiner Mutter blieb vieles in meiner Erinnerung. Karola Opitz