Jana Gallus und Torsten Lander im Krüger Eck in Berlin | Foto: Giovanni Lo Curto

„Ich habe das alles sehr gern gemacht“

Jana Gallus und Torsten Lander im Krüger Eck in Berlin | Foto: Giovanni Lo Curto
Nicht neu im Kiez und im Krüger Eck, aber neu hinterm Tresen. Jana
Gallus und Torsten Lander sind die Betreiber der Schankgeschäfts / Foto:
Giovanni Lo Curto /

Generationswechsel im Krüger Eck
in der Weserstraße.

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Noch Anfang der 1990er Jahre wären mir auf die Frage nach einer gemütlichen, typischen Berliner Eckkneipe in Friedrichshain auf Anhieb zehn Lokale eingefallen. Natürlich gab es ganz unterschiedliche Niveaus, was Angebot, Freundlichkeit und Art der Stammkundschaft anbelangte, aber die Tradition stimmte. Urige Berliner Kneipen mit altem Tresen, Holztäfelung und Wandborden aus dunklem Holz, soliden Holztischen und -stühlen gibt es so gut wie gar nicht mehr. Da ist es bemerkenswert, dass für eines dieser Kleinode der Berliner Gastkultur die Zukunft gesichert ist. Ich habe mich mit Franka Krüger, Jana Gallus und Torsten Lander im Krüger Eck in der Weserstraße 12 verabredet. Dieses Lokal an der Ecke Müggelstraße war bis jetzt fast hundert Jahre lang, über vier Generationen in Familienhand. Vorher residierte im Lokal des um 1910 errichteten Wohnhauses ein Fleischer.
„Meine Urgroßeltern Hedwig und Hermann Krüger haben das Geschäft 1925 übernommen.“ Später übernahm ihre Tochter Margarethe, 1977 wurde Franka Krügers Mutter Christa die Leiterin des Lokals. „Mit 21 Jahren, das war 1984, habe ich hier angefangen zu arbeiten und 2005 habe ich schließlich das Geschäft übernommen.“ Zuerst hatte sich Franka für einen ganz anderen Beruf entschieden, den der Sekretärin „Das war der Wunschberuf“, sagt sie und fügt lachend hinzu: „meiner Mutter!“ Sie selbst wollte eigentlich Kindergärtnerin werden. „Dafür hatte ich sogar schon den Studienplatz. Aber dann stellte sich bei einer Untersuchung heraus, dass meine Stimme dafür gar nicht geeignet war.“ Um ihre Mutter zu unterstützen, fing sie schließlich in der Tagesschicht an zu kellnern. Sie verdiente in ihrem neuen Beruf etwas mehr als vorher. Der Vater starb, kurz nachdem sie ins Geschäft eingetreten war.

Hedwig und Hermann Krüger vom Krüger Eck in Berlin-Friedrichshain| Foto: privat
Die Urgroßeltern Hedwig und Hermann Krüger, Gründer des Lokals, in den 1950er Jahren.
/ Foto: privat /

Ein Arbeiterviertel

Seinerzeit war die Gegend um den Traveplatz noch ganz anders. Es gab viele kleine und auch größere Betriebe in der Gegend. Entsprechend kam auch ein anderes Publikum. Das änderte sich erst in den 1990er Jahren, als die Betriebe allmählich schlossen und wegzogen. „Zu DDR-Zeiten gab es auch noch die Polizeistunde“, bemerkt Franka. „Um 1:00 Uhr musste alles dicht sein. Manchmal haben wir aber die Jalousien herunter gelassen und einfach weiter gemacht.“ Einige Lokale in Friedrichshain waren als Absturzkneipen berüchtigt, in die eine bestimmte Klientel mit ruppigen Umgangsformen kam, die aggressiv trank und sich mitunter auch prügelte. „Wir wollten gerade nicht so sein“, betont Franka. „Bei uns stand die Gastlichkeit im Mittelpunkt. Man kann seine Gäste auch ein bisschen erziehen. Das fängt mit ‘Guten Tag!’, mit ‘bitte’ und ‘danke’ an, indem man die Gäste auffordert, davon Gebrauch zu machen.“ Dies durchgesetzt zu haben, liegt zweifellos auch an der Persönlichkeit der ehemaligen Kneipenchefin. Das typisch Ruppige, das im Berliner Gastgewerbe häufig zu finden ist, geht Franka offenbar vollkommen ab. „Ich bin in den Beruf reingewachsen und habe das alles sehr gern gemacht.“ Franka zeigt mir alte Fotos und Rechnungen, aber auch Zeugnisse von Ausbildungskursen, die für die Leitung eines Geschäfts belegt werden mussten. Unter den Papieren befindet sich ein dickes Manuskript, das sie nicht ohne Stolz aufblättert. „Das hat mir Florian Henkel von Donnersmarck gegeben.“ Es ist das Drehbuch des Erfolgsfilms: „Das Leben der anderen“, für den hier im Krüger Eck eine Szene gedreht wurde. „Ich habe den Gastraum gar nicht mehr wieder erkannt, nachdem sie ihn mit verschiedenen Filmutensilien wie Sprelacart-Wänden und so was umgebaut hatten.“ Auf die urige Einrichtung des Lokals ist Franka sehr stolz. Die Tische und der hohe Tresenschrank an der Wand sind noch aus der Anfangszeit. „Ich gebe es zu: Ich hätte in den 1980er Jahren alles neu gemacht, aber meine Mutter blieb da beharrlich. Das war ganz gut so.“

Vier starke Frauen in den 1960er Jahre. / Foto: privat
Eine Familie, vier starke Frauen aus Friedrichshain: Hedwig, Margarethe, Christa und Franka zu Frankas Schulanfang Ende der 1960er Jahre. / Foto: privat /

Übergabe des Staffelstabs

Fiel der Wechsel in den Ruhestand schwer? Franka überlegt nicht lange. „Ich dachte erst, dass ich eine Zeit lang immer noch ein-zwei Mal in der Woche herkommen und aushelfen muss, um mich abzugewöhnen.“ Da unterbricht Jana Gallus, die neue Inhaberin, lachend: „Den Wechsel hat sie in drei Wochen hinbekommen. Dann war sie abgewöhnt.“ Die ehemalige Chefin freut sich auf ihren Ruhestand. Mit ihrem Mann zog sie aus Friedrichshain fort nach Erkner. Dort genießt sie ihren verdienten Ruhestand. „Meine Kinder haben sich nicht für die Gastwirtschaft interessiert“, sagt Franka. Abgesehen davon, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Kinder ganz andere berufliche Wege als die Eltern einschlagen, hat zu dem Berufsentschluss der Kinder wahrscheinlich auch der Umstand beigetragen, dass sie es erlebt haben, dass der Beruf des Gaststättenleiters wegen der Arbeitszeiten auch Entbehrungen mit sich bringt. In dieser Situation traf es sich gut, dass Jana Gallus und Torsten Lander nach einem Lokal gesucht haben. „Entweder waren die Mieten unerschwinglich, die Verträge zu kurzfristig oder die Abstandsforderungen zu hoch.“ Seit längerem sind die beiden in Krügers Eck Gäste. „Das war gar nicht so geplant“, berichtet Jana. „Wir haben uns immer regelmäßig mit Freunden in einer Kneipe getroffen und irgendwann beschlossen, zur Abwechslung hin und wieder andere Kneipen zu besuchen.“ Als Erste wählten sie das Krüger Eck. „Aber hier hat es uns so gut gefallen, da sind wir gleich hängengeblieben.“

Bestellung im Krüger Eck aus den 80er Jahren | Hedwig und Hermann Krüger
Wer erinnert sch noch an die Getränkenamen? Eine Wochenbestellung von Krüger Eck in den 1980er Jahren. / Foto: privat /

Nicht nur die Musik hat sich geändert

Torsten, der einmal in der Woche hinter dem Tresen (oder Theke) steht, erzählt: „Ich bin Ingenieur für Gebäudetechnik und arbeite auch noch in diesem Beruf. Aber ich komme gern hier her.“ Es war nicht so einfach, die Ablösesumme aufzutreiben. „Wir wollen nicht von Banken oder Brauereien abhängig sein.“ Dass sie dies geschafft haben, ist auch ein Gewinn für die Kunden. „Wir sind freier, um experimentieren zu können. Wir verkaufen auch Bier, das in kleinen Brauereien in Friedrichshain gebraut wird“, unterstreicht Torsten. Das macht diese Biere bei den Kunden sympathisch. Aber sie werden auch gern wegen ihres besonderen Geschmacks getrunken, der aus dem Einerlei der großen Brauereien herausragt. „Wichtig ist doch die Gastlichkeit und dass sich die Kunden wohl fühlen.“ Wir wünschen den beiden und ihren Mitarbeitern viel Glück für den Neustart.

Hedwig und Hermann Krüger | Foto: privat
Auch die Gründungs-Ureltern des Lokals, Hedwig und Hermann Krüger würden gratulieren. / Foto: privat /

 

2 Gedanken zu „„Ich habe das alles sehr gern gemacht““

  1. Wir waren in den Jahren 1985-1989 oft nach dem Training (Fußball BSG Motor Bremsenwerk) bei Euch und meist die letzten Gäste.
    Freue mich auf den morgigen Besuch, um Freunden eine urige Eckkneipe vorstellen zu können.

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