Das orginale Prinzip des Zierplatzes als Cour d´honneur ist verlorengegangen / Archiv FHZZ /

Das Rosarium in der Karl-Marx-Allee

 Foto: Grünflächenamt Kreuzberg-Friedrichshain
2015 begannen die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Lichtenberg ein beispielhaftes Projekt. Die Instandsetzung wurde von Planern und Planerinnen aus Friedrichshain-Kreuzberg vorbereitet und von Auszubildenden beider Bezirke unter Lichtenberger Anleitung umgesetzt. / Foto: Grünflächenamt Kreuzberg-Friedrichshain /

…oder die bewegte Geschichte eines oft übersehenen Gartens.

von Steffen Maria Strietzel und 

Enttäuscht blickte Frau Reschke aus dem Fenster ihrer Wohnung im Weidenweg direkt über dem Rosengarten an der Karl-Marx-Allee. Wie jedes Jahr erwartete sie die ersten Blüten des Kirschbaumes vor ihrem Hause. Früher kamen sogar Pressefotografen, um die weiße und rosa Pracht festzuhalten. Was macht ein Kirschbaum im Rosengarten? Offenbar stellte sich das planende Grünflächenamt dieselbe Frage. Ohne dass die Anwohner über den Grund informiert wurden, fiel das edle Gehölz der Säge zum Opfer.
Doch werden sich Gäste, Anwohner und Spaziergänger bald wieder am Anblick der unter weißer Pergola wachsenden Rosen erfreuen können. In Kooperation zwischen BVG, deren Baumaßnahmen am U-Bahnhof Weberwiese dem Garten arg zugesetzt haben, und dem Bezirksamt wird der Rosengarten als ein Ausbildungsprojekt von Lehrlingen aus Friedrichshain und Lichtenberg in Kürze fertig gestellt.

Ein Rosarium mitten im Verkehrsstrom

Rosengärten – landschaftsarchitektonisch richtig als „Rosarien“ bezeichnet –, findet man seit dem 17. Jahrhundert fast in jeder größeren Ansiedlung. Zuerst eher in fürstlichen Anlagen zu finden, wurde dieser Gartentypus bald von den Bürgerschaften für ihre Städte entdeckt. Auch in Berlin existiert eine Unmenge von den kleinen Rosengarten-Oasen, sei es im Tiergarten, im Britzer Garten oder bei unseren Nachbarn am Engelbecken.
Friedrichshain kann gleich mit zwei Rosengärten aufwarten, nämlich im Volkspark Friedrichshain und in der Karl-Marx-Allee. Eingebettet in den von  Kurt W. Leuscht und Hanns Hopp projektierten Blöcken E und F an der Nordseite zwischen Friedenstraße und Frankfurter Tor wird er fast nicht wahrgenommen. Ursprünglich sollte dort gar kein Park, sondern ein Kulturbau errichtet werden, ein Kino, Restaurant oder beides kombiniert. Gerüchte besagen, dass mit dem Bau schon begonnen worden ist und das Fundament unter der Wiese begraben liegt.

Szenenbild aus dem DEFA Film
Szenenbild aus dem DEFA Film “Die neue Wohnung” mit E. Collein und H. Hopp. Der Baukörper rechts wird später das Kino “Kosmos” / Foto: IRS /

Vom Kulturbau zum Erholungsort

Von den drei auf der Nordseite der Allee geplanten Kulturbauten zwischen Straußberger Platz und Frankfurter Tor wurde nur eins fertig gestellt – das Kino Kosmos. Warum die anderen geplanten Kulturstätten in der Schreibtischschublade gelandet sind? Vielleicht lag es an der herben Kritik der sowjetischen Stararchitekten an den Vorhaben: Trocken und uninteressant, ermüdend und eintönig. Die beiden einfachen Laubenganghäuser von Hans Scharoun auf der Südseite fielen beim Moskauer Chefarchitekten Alexander W. Wlassow gänzlich durch: „Vor den beiden in der Stalinallee jüngst gebauten, architektonisch sehr unschönen Häusern könnte man in der Linie der Straßenfront Reihen von 30- bis 40-jährigen Bäumen pflanzen, die die schlechte Architektur unsichtbar machen.“

Keine Rosen für die Aufständigen

Es lag aber eher am Zeitdruck. Die Stalinallee sollte endlich fertig gestellt und der Bevölkerung übergeben werden. Diesen Zeitdruck bekamen auch die Bauarbeiter zu spüren, als Anfang Juni 1953 ihre Arbeitsnorm ohne Lohnausgleich erhöht wurde. Selbstbewusst wandten sich die Arbeiter am 15. Juni an ihre Regierung und verfassten einen Brief an Ministerpräsident Otto Grotewohl, in dem sie dazu aufforderten, bessere Lösungen zu finden. Doch entschied sich die Regierung gegen Verhandlungen und setzte auf Konfrontation. Am 16. Juni 1953 kam es genau hinter dem späteren Rosengarten im Block 40 zu ersten Protesten, die sich dann auf die gesamte DDR ausbreiteten. Eine kleine Mauer auf dem breiten Weg vor dem Rosengarten erinnert bis heute an den Aufstand.

Staedtebauliches Konzept 1953
Städtebauliches Konzept 1953. Dieser erste Preis zeigt ein hochmodernes Grünflächen- und Durchlüftungskonzept. Heute könnten sich da einige Städteplaner etwas abschauen. / Foto: IRS /

Ein gärtnerisches Kleinod

1953 wurde der Bau des geplanten Kinos aufgegeben. Der Gartenplaner Reinhold Lingner entwarf eine Freifläche mit symmetrisch angelegten Blumenrabatten bis zur Fahrbahn. Ein Jahr später folgte ein neues Konzept. Helmut Kruse entwickelt einen Cour d´honneur mit zentraler Rasenfläche, rankenden Rosen, Ziersträuchern und Kirschbäumen. Mehrmals veränderte sich das Gesicht des Rosengartens. Mal gab es ihn mit durchführenden Wegen, mal mit Mosaiken, mal mit Brunnen und kleinen Pergolen, und nun zeigt er sich mit rechtwinkliger großer Pergola. Aber immer war der Platz zum Verweilen großzügig ausgelegt und an Sitzgelegenheiten wurde nicht gespart.
Das historische Schmuckstück wird nun in Kürze in neuem Glanz erstrahlen. Rosen, Sträucher und Stauden – irgendetwas blüht hier zu jeder Zeit von Frühjahr bis Herbst und Frau Reschke wird sich an den vielen anderen Blüten erfreuen können.

 

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