„Wenn die Leute aus dem Laden gehen und sich besser fühlen, dann ist es schön!“
Die Friseurin Diana Kleene
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„Ich bin doch nichts Besonderes!“, wehrte Diana Kleene ab, als wir sie vor einem halben Jahr baten, uns für ein Interview zur Verfügung zu stehen. Doch darauf kommt es gar nicht an. Jeder ist etwas Besonderes. Nun aber, da ihr Geschäft zehnjähriges Jubiläum feiert, liegt es auf der Hand: Nur die allerwenigsten Friedrichshainer können sich eines solchen Erfolgs rühmen, zumal in einer so umkämpften Branche wie die des Friseurhandwerks.
Ein früher Berufswunsch
„Ich kann es mir auch noch nicht richtig vorstellen!“, gibt die manchmal zaghaft, meist aber sehr selbstbewusst erscheinende Frau mit einem strahlenden Lächeln spontan zu. „Mir kommt es nicht vor wie zehn Jahre. Es passiert sogar, dass Leute in den Laden kommen und sagen: ‚Gibt es Sie schon lange? Ich habe Sie noch nie hier gesehen!‘“
Dies möchte man fast nicht glauben, denn man bekommt schnell den Eindruck, dass sie keine Unbekannte in der Straße ist. Zumindest winkt sie während des Gesprächs immer wieder Vorbeigehenden durch das Schaufenster zu. Wie ist sie auf ihren Beruf gekommen, möchte ich wissen. „Ich wollte schon immer Friseurin werden“, sagt sie stolz und konkretisiert: „Schon mit zehn Jahren!“ Doch ganz so einfach, wie sie es sich vorstellte, funktionierte es nicht.
Diana ist eine waschechte Friedrichshainerin, aufgewachsen in der Friedenstraße, später in der Grünberger Straße 50. „Das Haus mit der schönen Fassade“, erklärt sie.
Im Bezirk groß geworden
„Mich hat immer gewundert, warum die Leute hinaufsahen, wenn ich im Erker oder auf dem Balkon stand“ erzählt sie. „Ich dachte schon, wegen mir, bis ich einmal auf die andere Straßenseite ging und selbst hinauf schaute.“
Die aufwändig gestaltete Fassade des vom Zimmermann und Baugeschäftsinhaber Heinrich Hubracht 1905/06 errichteten Gebäudes fungierte als architektonische Visitenkarte für die Geschäftsinhaber auf den Hinterhöfen des Gebäudes.
Ihren Vornamen hatte sich ihre Mutter ausgesucht, die Fan der Berliner Beat-Band „Diana-Show-Quartett“ war, in der Dianas Onkel mitspielte. Anfang der 1960er Jahre galt diese Band als eine der wildesten in der DDR: Diana – Göttin der Jagd. Ihr Stammklub befand sich in der Fredersdorfer Straße. Frontman war niemand anderes als Achim Mentzel, der Anfang Januar dieses Jahres im Alter von 69 Jahren unerwartet verstorben ist.
Den Wunschberuf nicht geschenkt bekommen
Verantwortung zu tragen lernte Diana früh. Sie wuchs mit einer vier Jahre jüngeren Schwester und einem dreizehn Jahre jüngeren Bruder auf. „Meine Mutter arbeitete viel. Da mussten wir mithelfen.“ Es galt nicht nur, auf den Jungen aufzupassen und ihn regelmäßig vom Kindergarten abzuholen, sondern auch, einzukaufen, abzuwaschen und die Zimmer in Ordnung zu halten.
In der DDR war der Friseurberuf begehrt, so dass nur sehr gute Schülerinnen einen entsprechenden Ausbildungsplatz erhielten. Dianas Noten reichten dafür nicht aus. „Eine solche Lehrstelle war wie ein Fünfer im Lotto.“ – Nebenbei bemerkt: Der Hauptgewinn des in der DDR sehr beliebten Tele-Lotto waren fünf Richtige, nicht sechs.
Von einem anderen Beruf außer dem einer Friseurin wollte sie nichts wissen. Dass sie in dieser Beziehung ihren eigenen Kopf hatte, erfuhren die Lehrer, die sie für einen anderen Lehrberuf gewinnen wollten, von ihrer eigens in die Schule bestellten Mutter: „Was soll ich da machen? Sie muss es selbst einsehen.“
Als Diana sich schließlich eingestehen musste, dass ihr leiblicher Vater, auf den sie gesetzt hatte, weil er Friseur war, nicht helfen konnte, lernte sie den Beruf eines Facharbeiters für Postverkehr. „Das war der Beruf mit der kürzesten Lehrzeit. Man sagte mir, ich könnte später auch auf dem zweiten Bildungsweg Friseurin werden.“ Sie wollte so wenig Zeit wie möglich für eine andere Arbeit verschwenden.
Ausbildung zur Friseurin
Nach ihrer Lehre arbeitete sie beim Postzeitungsvertrieb am Ostbahnhof und schrieb in dem Gebäude, in dem nach der Wende der berühmte Club „Maria am Ostbahnhof“ residierte, Rechnungen für Auslandskunden der DDR-Presse. Schließlich erinnert sie sich ihres Wunsches, bewarb sich beim Friseurbetrieb „Modische Linie“ in Prenzlauer Berg und erwarb dort nach drei Jahren, als 21jährige den ersehnten Berufsabschluss.
Dann fing sie im Laden ihres Vaters in der Niederbarnimstraße zu arbeiten an. Doch sie musste eine Erfahrung machen, die schon viele andere Handwerker vor ihr gemacht hatten: „Ich dachte, dass ich eine gut ausgebildete Friseurin bin, dass mein Vater, über das, was ich gelernt hatte, staunen würde. Doch sehr bald hatte ich das Gefühl, dass ich wieder bei Null anfing.“ Der Grund ist einfach und man erkennt ihn erst, wenn man älter geworden ist. Diana bringt es so auf den Punkt: „Die Lehrausbildung vermittelt gerade einmal das Basiswissen.“ Ihr Werkzeug, ihr Erscheinungsbild und manches andere waren dem Vater nicht gut genug. „Er begann mir ein Gefühl für Stil beizubringen, zum Beispiel, dass weniger oft mehr ist. Vor allem, dass das Gespräch mit dem Kunden wichtig ist.“
Menschenkenntnis und Einfühlung
Damit kommt sie auf eine Anforderung ihres Berufs zu sprechen, von der man als Außenstehender gar keine Kenntnis hat: „Man muss lernen, die Leute abzuholen, wo sie sind und versuchen herauszubekommen, warum sie mit dem Wunsch nach einer bestimmten Farbe oder nach einem bestimmten Schnitt ankommen. Das sind die spannenden Geschichten.“ Wenn die Kunden berichten, dass sie sich zu alt oder zu langweilig empfinden, oder dass ihnen alles zu grau vorkommt, können sie kompetent beraten werden. Es ist zunächst gar nicht so sehr wichtig, sich die Sorgen der Kunden anzuhören, sondern es geht darum, ihnen professionellen Rat für die Frisur zu geben. „Man kann von den Kunden nicht erwarten, dass sie von sich aus genau wissen, was wie gemacht werden soll.“ Das Gespräch ist also sehr wichtig. „Selten kommt es vor, dass ein Kunde mit einem Schnitt nicht ganz so zufrieden ist. Dann frage ich mich: ‚An welcher Stelle habe ich den Kunden nicht richtig verstanden?‘“
Endlich – der eigene Laden!
Nach zehn Jahren war es dann so weit. Diana erfüllte sich ihren lang gehegten Traum und öffnet ihr eigenes Geschäft in der Schreinerstraße. Ihr Vater unterstützte und beriet sie dabei, den Laden einzurichten. Von ihm hat sie auch die Einstellung zum Handwerk übernommen. Elektronische Kundenkarten und Datenbänke braucht sie nicht. „Meine Kundenkartei besteht aus Papier.“ Auch macht sie keine Sonderangebote, wie andere Friseure. Die Kundenberatung kostet natürlich Zeit, und das hat seinen Preis. „Wer mit einem Haarschnitt für fünf Euro ankommt, sieht auch danach aus“, sagt sie entschieden. Wie manche Friseure mit ihren Kunden umgehen, sie nicht beraten, nicht mit ihnen kommunizieren, empfindet sie als ärgerlich. In den Billigläden bleibt das Handwerk auf der Strecke und sie schämt sich dafür. „Irgendwann kommt es noch dahin, dass man nur noch den Kopf in eine Maschine steckt und sich die Frisur per Knopfdruck machen lässt!“ Dass sich für sie der Aufwand lohnt, erfährt die Geschäftsinhaberin mitunter ganz unmittelbar. „Neulich kam ein Nachbar in den Laden und bedankte sich bei mir für den schönen Haarschnitt, den ich seiner Frau gemacht hatte: ‚Die schönste Frisur, die sie je hatte!‘ So was freut einen natürlich sehr.“
Aber auch das Gespräch während des Frisierens ist wichtig. Die Kunden erzählen, was sie bewegt, über Probleme mit den Kindern, mit dem Partner und suchen Rat. Manche wollen auch einfach nur ihr Herz ausschütten. Als Berufstätige und Mutter kann sie da mitreden und Tipps geben. „Es kommt vor, dass Kunden beim nächsten Mal sagen, dass mein Ratschlag geholfen hat.“
Was macht ein gutes Geschäft aus?
Diana Kleene fühlt sich wohl mit ihrem Laden in dieser Gegend. Die Kunden sind im Schnitt in ihrem Alter. Sie ist froh, dass das junge Party-Publikum, das mehr im Südkiez unterwegs ist, und seine eigene Auffassungen über Moden hat, nicht so stark vertreten ist. Es gibt Leute, die halten Friseure für geringe Dienstleister, die man nicht einmal zu grüßen braucht. Dabei ist dieses Geschäft ein Handwerk wie jedes andere, das beherrscht werden will. Zufriedene Kunden kommen wieder. Diese Erfahrung gilt auch im Friseurgeschäft. Aber Diana hat noch eine andere Philosophie: „Wenn die Leute aus dem Laden gehen und sich besser fühlen, dann ist es schön.“
Der Name einer großen Tageszeitung in Frankreich lautet Le Figaro. Dieser Titel erinnert an die Zeit, in der man beim morgendlichen Herrichten der Frisur mit den neusten Informationen versorgt wurde und beschwört eine vertraute Atmosphäre zwischen Kunden und Handwerkern. Ob sich eine Zeitung mit dem Namen „Der Friseur“ hierzulande tragen würde, sei dahingestellt. Hätten alle Friseure eine Einstellung zu ihrem Beruf wie Diana Kleene bestünde daran kein Zweifel.
Dianas Haargarten ist in der
Als Friseurblogger https://www.facebook.com/Richards-Friseurblog-1042069502510403/ http://jellybaerchen.tumblr.com/ und 3D-Künstler finde ich es ganz toll, dass zur Zeit verstärkt über den Freiberufler berichtet wird. Danke Dirk für Deine Initiative!