Hochkultur in Karlshorst.
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Karlshorst 1955. Zusammen mit einem Teil des Wohngebiets um die Treskowallee wurde die evangelische Kirche in der Weseler Straße 6 von den sowjetischen Streitkräften geräumt. Ein großer Teil der Einwohner konnte zurückkehren. Das Gotteshaus, das zehn Jahre lang von der Roten Armee als Magazin und Pferdestall genutzt worden war, wurde 1956 neu geweiht und erhielt den Namen: „Zur frohen Botschaft.“ Eine weit verbreitete Stimmung dieser Tage: Das zivile Leben in Frieden hat eine Zukunft. Der andere Erzählstrang reicht weit zurück, bis ins Jahr 1755. Im Berliner Schloss residierte Preußenkönig Friedrich II. Seine jüngere Schwester Anna Amalia war musikalisch wie er selbst und ließ sich eine Orgel ins Schloss einbauen, mit 22 Registern, zwei Manualen und einem Pedal. Carl Philipp Emanuel Bach komponierte extra für sie und für dieses Instrument Stücke. Einige Jahre später zog Anna Amalia in ein nicht mehr existierendes Palais Unter den Linden und nahm die Orgel mit. Nachdem sie gestorben war, gelangte das Instrument 1788 in die Schlosskirche in Buch. Es erwies sich als zu groß, so dass der barocke Aufbau entfernt wurde. 1934 kam die Orgel in die Marienkirche in Mitte. Doch die Aufstellung verzögerte sich. Schließlich kam der Krieg und das Instrument wurde eingelagert. 1956 erinnerte man sich dieses heimatlosen Instruments, das 1960 klanglich „modernisiert“ in die Karlshorster Kirche eingebaut wurde. Nach über vierzig Jahren war das Instrument sanierungsbedürftig, zumal auch das Bedürfnis bestand, den alten Klang wieder herzustellen. Ein eigens gegründeter Verein sammelte Gelder und nicht nur die Karlshorster halfen dabei. Dank bürgerschaftlichem Engagements war es 2010 so weit, das liebevoll restaurierte Instrument wurde geweiht. Inzwischen zieht es Liebhaber aus aller Welt an: Spezialisten der barocken Musik, Touristen, die Stories über den berühmten Preußenkönig und die Prinzessin lieben, vor allem aber Freunde der Musik. Und: in Führungen kann man erleben, dass es sie noch gibt, die grundsolide, gediegene Handwerkskunst.
30 Minuten Weihnachtliche Orgelmusik am 25. und 26. Dezember 2019, jeweils 18:00 Uhr. Um Spenden wird gebeten.