Einst zwischen zwischen Lebuser- und Koppenstraße: Die Deutsche Sporthalle | Foto: FHXB-Museum

Die Deutsche Sporthalle

Einst zwischen zwischen Lebuser- und Koppenstraße: Die Deutsche Sporthalle | Foto: FHXB-Museum
Vorn klassizistisch, hinten ein Zweckbau der Moderne. Der Kirchturm der katholischen St. Pius-Kirche in der Palisadenstraße wurde, weil er so dreist über den sozialistischen Prachtbau hinweg lugte, in gekürzter Version modernisiert. / Foto: FHXB-Museum /

Eine einmalige Bau-Geschichte.

Auf der Nordseite der Karl-Marx-Allee steht zwischen Lebuser- und Koppenstraße eingerahmt von Wohnblöcken im Zuckerbäckerstil ein schlichter Plattenbau, der nicht ganz in die Optik der Allee hineinpasst. Als die Karl-Marx-Alle noch Stalin-Allee hieß, stand hier ein Gebäude, das gleich mehrfach Geschichte geschrieben hat. Um für die III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im Sommer 1951 einen großen Veranstaltungsraum zu schaffen, wurde für genau diese Stelle eine große Mehrzweckhalle in Auftrag gegeben. Im geteilten Deutschland waren die Weltfestspiele umstritten, zumal in der Hochzeit des Kalten Kriegs. „Ein einzigartiger Triumphzug für den Geist des friedlichen sportlichen Wettstreits der Jugend aller Nationen“ jubilierte die Ostberliner SED-Tageszeitung „Neues Deutschland“, wohingegen der Hamburger SPIEGEL hanseatisch unterkühlt bemerkte: „Neuauflage des vorjährigen FDJ-Pfingsttreffens auf wesentlich erweiterter Produktionsbasis.“

Nachtansicht der Sporthalle / Postkarte /
Nachtansicht / Postkarte /

Zu wenig Planungszeit

Die verantwortlichen Baufachleute griffen sich an den Kopf, doch nicht angesichts dieser Polemik, sondern wegen des brisanten Auftrags: eine Mehrzweckhalle für 5.000 Gäste und einer Spielfläche von 1.000 Quadratmetern in der Mitte der Zuschauer! Doch nicht die Größe war das Problem, sondern die Terminsetzung: Am 5. August 1951 sollen die Weltfestspiele beginnen. Die Auftragsvergabe erfolgte am 8. März desselben Jahres. Keine fünf Monate Bauzeit, so etwas hatte es noch nie gegeben!
Der beauftragte Chefarchitekt Richard Paulick (1903-1978) galt als durchsetzungsfähig. Dass er bei dem Architekten der Moderne Hans Poelzig studiert und mit Walter Gropius in der Bauhaussiedlung Törten gearbeitet hat, gereichte ihm in den Augen der konservativen, eine „Nationalen Bautradition“ fordernden kommunistischen Politikern und Funktionären nicht zur Ehre. Doch war es ihm gelungen, während seines Exils in Shanghai, in das er vor der NS-Diktatur geflohen war, ein wirtschaftlich erfolgreiches Firmengeflecht aufzubauen, das anderen Emigranten Arbeit und Brot gab und zudem Geld zur Unterstützung von Hilfsorganisationen bereitstellte. In Shanghai wurde Paulick Professor für Stadtplanung und entwickelte den ersten Generalbebauungsplan für die Millionenstadt. 1950 kehrte er nach Berlin zurück und stellte sich in den Dienst der politischen Kräfte, von denen er glaubte, dass sie ein neues Deutschland ohne Ausbeutung und Unterdrückung errichten würden.

beliebtes Postkarten- und Briefmarkenmotiv: Die Sporthalle in BerlinBild: Wikimedia Commons
Die Sporthalle war ein beliebtes Postkarten- und Briefmarkenmotiv. / Bild: Wikimedia Commons /

Es funktionierte!

Nun musste alles schnell gehen – und vor allem anders! Die Architekten konnten die Fundamente der Halle nicht berechnen, solange sie keine Vorstellungen von der Dachkonstruktion hatten. Es musste auch ohne gehen. Man fand einen Namen für die Hals-über-Kopf-Planung und präsentiert ihn stolz als neueste Errungenschaft: Gleitende Projektierung. Planer und Bauarbeiter arbeiteten auf Hochtouren. Stahlkonstruktionen anderer Lagergebäude, wie vom Schlachthof, wurden demontiert und am Bauplatz wieder errichtet. Störende Säulen im Zuschauerraum waren die Folge. Der in der Fassade verbaute Travertin kam aus Lagerbeständen, die für die hochtrabenden Germania-Bauphantasien der Nationalsozialisten eingelagert worden waren. Doch der Bau wuchs und wurde rechtzeitig fertig. Zeitkolorit war durchaus ein von einer Ostberliner Zeitung in Umlauf gebrachter, heute etwas lahm klingender Witz: Eine Frau bringt ihren Mann mit einer Maulsperre zum Arzt und sagt: „Er war in Ostberlin, hat die Vorbereitungen zu den Weltfestspielen gesehen und kriegt nun vor Staunen den Mund nicht mehr zu!“
Richard Paulick, der im Gegensatz zu seinem weitaus berühmteren aber weniger versierten Kollegen Herman Henselmann niemals die Tradition des Bauhauses öffentlich nieder machte, wurde danach für den Wiederaufbau des Forum Fridericianum in der Ostberliner Innenstadt herangezogen. Sein Meisterwerk war der Wiederaufbau der kriegszerstörten Staatsoper und der Neubau des heute nach ihm benannten Paulick-Saals, der noch heute, um einen halben Meter angehoben, in der erneut sanierten Staatsoper erhalten ist. Nach Durchsetzung des industriellen Bauens in der DDR wurde Paulick Chefarchitekt von Halle Neustadt.

Die damals für dieses Foto verbindliche Bildunterschrift lautete: „Die zur Zeit in der Deutschen Sporthalle in Berlin gezeigte Ausstellung „Die Welt der Frau“ wird durch tägliche Veranstaltungen und Vorführungen für jeden Besucher interessant und abwechslungsreich gestaltet.“ 10. September 1956.     / Bild: Rudolf Hesse, Bundesarchiv Berlin, Wikimedia Commons /

Erfolg und unrühmliches Ende

Die Deutsche Sporthalle zählte nicht gerade zu den Sternstunden der DDR-Architektur, so wuchtig wie sie sich mit den Herkules-Figuren vom Berliner Schloss an der Stalin-Allee gegenüber dem 1961 abgerissenen Stalin-Denkmal ausnahm. Doch sie war ein nützlicher Mehrzweckbau und wurde von den Berlinern angenommen. Nicht nur zahlreiche Sportveranstaltungen fanden hier statt, sondern auch Ausstellungen, Meetings und Weihnachtsmärkte. Konzerte und Jugendtanzveranstaltungen mit Beat-Bands zogen junge Berliner an, auch noch nach dem Verbot der Beat-Bands.
Unter der überhasteten Projektions- und Bauweise litt natürlich die Qualität. Immer wieder mussten Reparaturen vorgenommen werden, so dass der Abriss 1971 unausweichlich wurde. Dies allerdings war nicht der Bauweise geschuldet, sondern dem Auftreten von Haarrissen in einem der wiederverwendeten Stahlträger. 1972 wurde die Halle gesprengt. Wie zum Hohn blieb zwischen den von der Detonation aufgewirbelten Staubmassen ausgerechnet der unsichere Stahlträger stehen!
Bereits 1960 hatte sich die SED von der Gleitenden Projektierung abgewendet und ließ sie im Neuen Deutschland als Grundübel für schlechte Bauplanung geißeln.

 

 

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