Brücke über der Spree | Quelle: Bundesarchiv_Bild_183-11524-0002, Schmidtke, Wiki Commons

Tausend Holzfüße

Elsenbrücke über der Spree | Quelle: Bundesarchiv_Bild_183-11524-0002, Schmidtke, Wiki Commons
Schnell war man auf der anderen Seite der Spree / Quelle: Bundesarchiv_Bild_183-11524-0002, Schmidtke, Wiki Commons /

Provisorien halten länger.

Von

Eine wichtige Veranstaltung stand auf dem Kalender und vieles war bis dahin zu organisieren. So etwa eine Autobrücke zwischen Alt-Stralau und Treptow. Schließlich waren für die jungen Gäste keine Umwege in Kauf zu nehmen, wenn sie von der Stalin-Allee zum sowjetischen Ehrenmal geführt werden sollten. Der Umweg, das war Westberlin und die wichtige Veranstaltung das Pfingsttreffen der FDJ 1950. Die Eisenbahnbrücke von Treptow zum Ostkreuz war halbwegs intakt. Fußgänger konnten die Spree über eine Holzkonstruktion, die schräg neben der Eisenbahnbrücke führte, und auf den Resten eines alten Flussbades am Bahnhof Treptow endete, ebenfalls überqueren. Per Auto oder Lastwagen war das aber nur über die Oberbaumbrücke möglich. Doch dann war man im amerikanischen Sektor. Oft waren damit politische Verwicklungen ausgelöst, besonders im Angesicht der geplanten hochpolitischen „Weltjugendfestspiele“, die 1951 in der DDR-Hauptstadt stattfiwenden sollten. Von Westseite hieß es dazu: „Diese Veranstaltung ist eine große politische Demonstration für das sowjetzonale Regime und dient dem Kampf gegen die Demokratie der westlichen Völker mit dem Ziele, die Jugend der Bundesrepublik auf einen Irrweg zu führen und sie der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik zu entfremden.“

Lose Verbindung

Zum FDJ-Pfingsttreffen von 1950, ebneten Pioniere der Roten Armee im Mai eine provisorische Straße neben der alten Teppichfabrik, befestigten vier schwankende Pontonbrücken ans Stralauer Ufer und banden Stück für Stück die vielen Teile zusammen, bis das Treptower Ufer erreicht war. Kam ein Schiff , wurden die einzelnen Teile für die Durchfahrt gelöst, etwa so, wie die Baumstämme, mit denen einst die Spree versperrt war und erst nach Zahlung einer Akzise geöffnet wurden.

Elsenbrücke Brückenverlauf | Quelle: Informationsbroschüre
Teile des alten Flussbades wurden genutzt. / Quelle: Informationsbroschüre /

Feste Verbindung

Da sich die Umstände der Akzise geändert hatten und Baumstämme auf der Spree nicht mehr zeitgemäß waren, wurde nach einer besseren Variante der Spreequerung gesucht. Zeit und materielle Mittel waren knapp, diese wurden in erster Linie zum Ausbau der neuen Hauptstadt gebraucht. Mit diesen Problemen setzte sich Ende Dezember 1950 die „Abteilung Aufbau“ beim Magistrat von Großberlin auseinander. Deren Vorschlag: Direkt neben den damaligen Treptower Landestegen eine Straßenrampe zur neuen Brücke zu führen, die 210 Meter weit die Spree überspannen und am Stralauer Ufer enden sollte. Aus Kostengründen sah man für die Brückenpfeiler „Walzträger“ aus Holz vor und zur Verringerung der Unterhaltskosten bot sich eine Fahrbahndecke aus Stahlbetonplatten an, auf der Asphalt ausgelegt werden sollte. Vom Treptower Ufer aus sollte die Brücke zur Stralauer Allee hin um sanfte 2,5% ansteigen, um eine „Schifffahrtsöffnung“ von je 12 m Durchfahrtsbreite möglich zu machen. Die Fahrbahnbreite wurde mit 9 Metern festgelegt. 12 Tonnen sollte die Brücke tragen können, bei einer Bauzeit von 7 Monaten und Kosten von 820.000 Mark. Dafür waren 200 Tonnen Stahl, 120 Tonnen Zement und 310 Kubikmeter Rundholz zu beschaffen.

Zeichnung der Brücke | Quelle: Informationsbrochüre
Für einen hohen Verkehrsfluss war die Brücke zu schmal.
/ Quelle: Informationsbrochüre /

Schattenwurf

Zur Einweihung der Brücke am 20. Juli 1951 lobte Oberbürgermeister Friedrich Ebert die Bauarbeiter vom VEB Tiefbau und dem VEB Berliner Stahlbau, die das Bauwerk innerhalb von sechs Monaten fertig gestellt hatten. Im Januar 1951 wurde mit den Arbeiten begonnen und 430 Pfähle von 12 bis 16 Metern Länge in den Spreeboden gerammt. „Auf einem Wald“ stand die mit allen Ab- und Anfahrten insgesamt 540 Meter lange Brücke. „Diese Brücke soll uns helfen, einen Teil jener Beschwernisse zu überwinden, die sich aus der auf amerikanischen Befehl von Reuter und Schreiber durchgeführten Spaltung der Hauptstadt Deutschlands für ihre südöstlichen Gebiete ergeben haben”, sagte Ebert. Ein Schatten fiel auf die Einweihung. Am 5. Juli legte das Motorschiff „Heimatland“ mit 127 Kindern und deren Begleitern vom Treptower Landesteg ab. Nach 300 Metern Fahrt, in unmittelbarer Nähe der neuen Brücke, explodierte wegen eines Vergaserdefekts der Benzinmotor. Über 30 Menschen kamen im brennenden Schiff um. Am 1. Juli 1966 stürzten ebenfalls in der Nähe der Brücke zwei Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren in die Spree. Sie hatten am Bahndamm gespielt. Ein Boot der Grenzbrigade „13. August“ war auf Dienstfahrt. Obermaat Willi Fricke sprang ins Wasser, half die Kinder zu retten, wurde aber von der starken Strömung fortgerissen und ertrank. Ein Kind konnte wiederbelebt werden, das andere starb. Propagandistisch wurde Frickes Tod zur Rechtfertigung der Schüsse auf Flüchtende verwertet. „Seine Tat ist ein erneuter Beweis für die Einheit von Volk und Armee in unserem sozialistischen Staat. Wie falsch und verlogen, wirken angesichts der mutigen Tat des Genossen Fricke die Schmähungen der Westberliner und westdeutschen Imperialisten gegen unsere Grenzsoldaten“, sagte Herbert Troschka, 1. Sekretär der SED-Kreisleitung Treptow.

Schwierigkeiten

Am 22. November 1966 wusste die Presse wieder etwas zum Thema „Imperialisten“ im Zusammenhang mit der Brücke zu berichten. Zwei britische Besatzungssoldaten verfuhren sich an der Einfahrt zur Brücke. Hektisch versuchten sie zu wenden und stießen dabei beinahe mit einem Trabi zusammen. Sofort wurde der Vorfall als „Besatzer provozieren erneut“ gewertet. Auch ohne Imperialisten gab es genug Probleme an diesem Verkehrsbrennpunkt. Die Brücke war viel zu schmal. Vor allem wenn Pferdegespanne, die damals keineswegs selten auf den Straßen der Hauptstadt zu sehen waren, die Brücke benutzten. Wegen des regen Gegenverkehrs war es nicht möglich, diese zu überholen. Eine Mindestgeschwindigkeit von 40 km/h sollte das Problem lösen. Häufig fiel die Beleuchtung aus, die Fahrbahn war zu glitschig oder der Asphalt wurde an den Kanten der tiefer liegenden Stahlplatten brüchig. 1963 war es eine beschlossene Sache: der „Tausendfüßler“ soll abgerissen werden. Das passierte 1970. Der Tenor war: „Die Elsenbrücke wird viel besser!“

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