Die Propellerfabrik Heine.
Von
Die Propeller waren elegant anzusehen und wurden bis 1939 aus Holz gefertigt. Das Rohholz lagerte vor Regen geschützt vier Jahre im Freien, wurde danach in einer Trockenkammer über fünf Wochen lang auf 60 Grad erwärmt, um dann in die Holzzuschneiderei zu kommen. Diese war in den oberen Räumen im fünfstöckigen Gewerbehof an der Warschauer Straße 58 gelegen. Holzspäne vom Verarbeitungsprozess fielen in einen Schacht, der zum Kesselraum führte. Sie fanden zum Heizen der zentralen Dampfmaschine ihre Verwendung. Neue Propellerprofile für den sich rasant entwickelnden Flugzeugbau entwickelte die wissenschaftliche Abteilung des „Heine Propellerwerkes“.
Schneller Aufstieg
Als Hugo Heine, der Firmengründer, 1910 zum „Flugtag“ auf den Flugplatz Johannisthal ging, drehten „Aeronauten“ über dem Platz ihre Kreise. Ein französischer Pilot schilderte Heine seine Probleme, die er mit einem Propeller hatte. Tischlergeselle Heine war mit der Herstellung von Schiffsschrauben beschäftigt. Diese Erfahrungen übertrug er auf den Bau eines Propellers aus Nussbaumholz. Heine schuf sich damit einen Namen und gründete am 1. Oktober 1910 sein Holzpropellerwerk. Die Firma in Waidmannslust war der erste deutsche Spezialanbieter für den Flugzeugbau und hatte vor dem Ersten Weltkrieg 150 Mitarbeiter.
Flexibel
Seine Kriegsgewinne verwendete Heine für den Kauf einer maroden Möbelfabrik an der Warschauer Straße 58, wo 300 Personen für ihn arbeiteten. 1919 wurde deutschen Firmen der Flugzeugbau weitgehend verboten. Offiziell stellte Heine die Produktion auf „feine und feinste Herren,- Speise- und Schlafzimmer“ und „Sprechautomaten“, frühe Diktiergeräte, um. Propeller wurden heimlich hergestellt, die via Holland nach Brasilien und Argentinien gingen. 1924 war Heine in vier Etagen der Warschauer Straße 58 vertreten und erzielte einen Jahresumsatz von 260.000,- RM. Ab 1925 durfte Heine offiziell Propeller liefern, für Privat- und Zivilflugzeuge oder für das Luftschiff „Graf Zeppelin“. 1930 ging der 50.000ste Propeller an einen Kunden. Die Firma war jedoch als „Möbelhandel“ eingetragen. 1937 wurde die Eintragung „Hugo Heine Propellerwerk“ veranlasst, rückwirkend mit dem Gründungsdatum von 1910. 1941 stand „Heine-Propeller“ auf jedem Geschäftspapier. Wegen einer Mitteilung im „Völkischen Beobachter“ vom 1. August 1943 wurde die Firma mit Zensur belegt. Der Grund, eine abwehrmäßig bedenkliche Angabe: ‚Propellerwerk‘ O 34, Warschauerstr. 58“. Da jedoch Mitteilungen über geschäftliche Veränderungen zwingend waren, wurde Heine von dieser Vorschrift befreit.
Gute Beziehungen
Heine war Mitglied der NSDAP-nahestehenden „Deutschnationalen Volkspartei“, später förderndes Mitglied der SS und 1934 stolz darauf, „eine Werkschar, bestehend aus einem Führer und 21 Mann“, aufgestellt zu haben. Heine: „Die Uniform ist, bis auf das Schuhzeug, von der Firma gestiftet worden“. 1936 zum „Wehrwirtschaftsführer“ ernannt, meldete er der SS am 13. Januar 1942, dass „eigene Vertrauensleute“ in Riga, Warschau, Holland und Paris, in Firmen, „die das Propellerwerk betreuen“ sollte, tätig waren. Am 29. März 1942, wurde er zum „Abwehrbeauftragten“. Heidrich grüßte: „In der Annahme einer vertrauensvollen und erfolgreichen Zusammenarbeit erwarte ich, daß Sie die Ihnen übertragenen Pflichten und Arbeiten treu und gewissenhaft ausführen“. Dankbar zahlte Heine Ende 1944 eine „Adolf-Hitler Spende“, von 35.000,- RM.
Arbeitszwang
Am Wilhelmsruher Damm 146, mussten für Heine Zwangsarbeiter aus Frankreich, Belgien und den Niederlanden Schlittenkufen für Flugzeuge fertigen. Im Juni 1943 waren hier 140 Menschen in zwei Mannschaftsbaracken untergebracht. Die „Möbelfabrik“, wurde zum Lager für polnische Arbeiterinnen. 1944 waren im „Hauptwerk“ an der Warschauer Straße, 275 Zwangsarbeiter tätig. Davon drei als „V-Leute“, neben 36 deutschen, die vom Sachbearbeiter Wilhelm Zobel angeleitet wurden. Dieser warb im „Polnischen Arbeitslager Pferdebucht“, im „Lager Pankow“, wo Tschechinnen und Polinnen einsaßen, und im „Holländer-Lager Wittenau“, V-Leute unter den Zwangsarbeitern an. Zobel war zufrieden: „Alle haben sich mehrfach bewährt, da sie die Fluchten von Zwangsarbeiterinnen verrieten und kleine Diebstähle aufzuklären halfen.“ So wurde ein Herr Glabiszewski aus Polen bezichtigt, im Rahmen von Glaserarbeiten Diebstähle begangen zu haben und dafür zum Tode verurteilt. „Aus politischen Gründen“, wurde der deutsche Ingenieur Hans Strehlow angezeigt und im August 1942 zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt. V-Mann Ewald Kitt zeigte am 4. Juni 1943 den Mitarbeiter Franz Buchholz, der gesagt hatte: „Das Parteibuch ist keine Intelligenzbescheinigung“, bei der Gestapo an. Buchholz wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Haft verurteilt und kam ins KZ.
Lücken
Das Kriegsende erlebte Hugo Heine in seiner Waidmannsluster Villa. 1947 teilte er der örtlichen Entnazifizierungskommission mit, ohne Amt in der NSDAP gewesen zu sein. Laut seinem Anwalt Gerhard Kaczynski, stand Heine weder mit Kriegsverbrechern in Kontakt, noch mit NS-Aktivisten und „beschäftigte jüdische Freunde im Büro.“ „Gegen seinen Willen“, wäre Heine 1939 in die NSDAP eingetreten, da „er sonst seinen Betrieb aufgrund fehlender Aufträge nicht hätte auslasten können.“ Als „Halbjude“ wegen seiner Mutter verfemt, war Kaczynski bis Kriegsende Prokurist der Heine Fabrik. Aufgrund weiterer Zeugen kam Heine im Westen als „Mitläufer“ davon. „Kriegsbedingt“, fehlten wichtige Dokumente, dazu lag der „Hauptbetrieb im Osten Berlins“.
Lückenlos
Anders in Friedrichshain. Arbeiter wurden befragt und sagten aus, 1936 wären sie „um das Weihnachtsgeld zu sparen“, vor dem Fest entlassen worden; Geld für Trinkgelage der Bürokräfte war immer da – 1935 und 1937 habe die Gestapo Kollegen wegen ihrer politischen Einstellung abgeholt. Ein Entlastungszeuge war vor 1933 für NS-Propagandafahrten mit dem Privatauto von Heine unterwegs. Die Herren „Wald und Scheller“, zwei seiner Entlastungszeugen, waren gefürchtete NS-Leute. Heine trug stets das Parteiabzeichen und war bemüht, antifaschistisch eingestellte Kollegen zum Heeresdienst einziehen zu lassen. 1946 wurde bei Aufräumarbeiten ein Tresor mit Unterlagen gefunden. Darin lagen neben pornografischen Fotos, intimen Briefen an eine seiner außerehelichen Beziehungen, vor allem jene, die Heines Verstrickungen in das NS-System belegten. 1949 wurde der Betrieb zum „VEB Möbelwerk Heine“, 1950 zum „VEB Berliner Möbelwerk“, im April 1968 zum Kombinatsbetrieb und in der Wendezeit abgewickelt.