Frische Paprika und neue Kaufhallen
Am 1. Juli 1968 wurden 41 Berliner Kaufhallen der HO (Handelsorganisation) in den Kaufhallenverband überführt und damit ökonomisch selbstständig. Der Berliner Kaufhallenverband sollte jetzt zum Schrittmacher im Sinne einer Einheit aus Herstellern und Anbietern werden. Laut einem Arbeitsgruppenreport bestand der erste Erfolg darin, dass in Gemeinschaftsarbeit mit dem Institut für Gartenbau Großbeeren Gemüse wie Paprikaschoten, Möhren, Grüne Bohnen und Tomaten frisch angeboten werden konnten, wobei Paprika erstmals in der DDR angebaut wurde.
Die Eröffnung weiterer Kaufhallen stand auf dem Programm. Ökonomisch sinnvoll war eine Hallengröße von 400–1.700 m2. Eine Baureihe mit Hallenstandards für die unterschiedlichen Größen wurde entwickelt. Zu den ersten vom Typ ESK 400/600 gehörte die Kaufhalle auf einem alten Kohlenplatz in der Rigaer Straße. Am 6. April 1976 eröffnet, sollte sie zur Alternative im Einzelhandel gegenüber den kleinen und mittleren Verkaufsstellen im Gebiet werden.
Eine zweite Kaufhalle gleichen Typs wurde am 28. Juni 1978 in der Corinthstraße eröffnet. Die nächste realisierte eine Jugendbrigade des VEB Wohnungskombinat Rostock auf einem Ruinengrundstück in der Eckertstraße. Diese Halle ging am 6. Dezember 1978 in Betrieb.
An der Warschauer/ Ecke Gubener Straße war eine Baulücke zu schließen. Wegen der zahlreichen Gewerbestätten und Dienstleistungsbetriebe in der Umgebung wurde hier die größte Friedrichshainer Kaufhalle vom Typ ESK 1400/1700 errichtet. Sehr aufwändig wurde der Baugrund entrümmert bzw. sogar ausgewechselt. Für einen Abzweig von der Fernwärmetrasse waren zwei Straßen zu unterqueren. Aufwändig geriet auch die Gestaltung der Fassaden. Der Standort lag an der Protokollstrecke und war damit Teil des „Schaufensters Hauptstadt“. Mit ihrem Angebot sollten die Kaufhallen westlichen Besuchern, aber auch jenen aus den „Bruderländern“ ein Beispiel für die Leistungsfähigkeit der DDR-Konsumindustrie sein.
So lieferte 1977 der VEB Venetia Sauerkohl in 500-Gramm-Beuteln. Nach einem Neuerervorschlag wurden Zigaretten nicht an einem Extra-Stand, sondern nahe der Kasse angeboten. Zwei Arbeitskräfte des ehemaligen Zigaretten-Stands wurden jetzt an der Kasse oder als Aufsicht eingesetzt. Die Einsparung betrug 4.500 Mark. Neben der HO war die Konsumgenossenschaft der DDR (kurz „Konsum“ genannt) Betreiber von Kaufhallen. Finanzstark, mit über 284.800 Mitgliedern und 14.000 Mitarbeitern, war diese Genossenschaft eine der größten der Welt.
Ausverkauf
1990, nach dem Zerfall des Kaufhallenverbandes versuchte die Genossenschaft der Übernahme durch die westlichen Großhandelsketten zu entgehen, kaufte selbst Teile von „Bolle“ oder bewarb sich bei der Treuhand um den Kauf von Grundstücken, wie im Fall der erst 1990 fertiggestellten Kaufhalle in der Oderstraße. 1991 sollte diese Halle abgerissen werden. Planung und Bau hatten 4,8 Millionen Ost-Mark und 2,2 Millionen Deutsche Mark gekostet. Jedoch verliefen alle Verhandlungen mit dem Makler und der Treuhand im Sande. Bolle wurde als coop AG von der Konsumgenossenschaft übernommen, wieder abgestoßen und ging in die Pleite. Die Konsumgenossenschaft Berlin selbst meldete 2004 Insolvenz an und bäckt seit 2007 erheblich kleinere Brötchen.