Kathedralen des Verkaufs in Friedrichshain
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.Als neugieriger Mensch folgte Adolf Jandorf der Spur seines Bruders, der in New York lebte. Von dessen Karriere als Straßenbahnschaffner unbeeindruckt, war Adolf eher fasziniert von den dortigen Kaufhäusern wie Bloomingdale’s oder Macy’s. Nach seiner Reise eröffnete Jandorf 1892 sein erstes Geschäft in Berlin. Er ließ auf Ruhekissen: „Nur ein Viertelstündchen“ sticken und verkaufte davon über eine Million Stück. Seine 500 Mark Startkapital hatte er damit schnell in der Kasse. Nicht nur das, bald lief das Geschäft so gut, dass er ein Haus kaufen und zum „Volkswarenhaus“ umbauen ließ. Sein Angebot war auf Arbeiter und kleine Angestellte ausgerichtet. Ein Erfolgsmodell. Jandorf platzierte seine insgesamt sieben Warenhäuser an markanten Straßenecken. 1901 übernahm er das Kaufhaus Max Mannheim an der Großen Frankfurter Straße 113, heute Karl-Marx-Allee 68. Mit seinen 950 Quadratmetern Fläche ragte es bis in die Andreasstraße hinein. Der Erfolg von Jandorf stieß auf erbitterte Kritik des alteingesessenen Handels. Mit seinen Werbeformen über große Schaufenster, Plakate und aufwändigen Inneneinrichtungen zielte Jandorf auf alle Bevölkerungsschichten ab. Wer Geld hatte, konnte der „Spekulation auf die schwachen Herzen“ folgen. Die Kaufkraft und nicht mehr „der Stand“ setzte dem Einkauf eine Grenze. Vor allem aber: abseits vom Haushalt wurde die Hausfrau zur Kundin mit eigener Meinung. Für den konservativen Handel kam diese Demokratisierung des Konsums einer gesellschaftlichen Erosion gleich.
Über Bauvorschriften und viele neue Gesetzesvorlagen wollten Gegner den Siegeszug der Kaufhäuser verhindern, doch vergeblich. So erreichten Kaufmännische Verbände über das preußische Warenhausgesetz vom 18. Juni 1900, dass „wer mehr als zwei von vier“ willkürlich bestimmten Warengruppen anbot und „über 400.000 Mark“ umsetzte, eine nach Umsatz gestaffelte Zusatzsteuer zu bezahlen hatte. Dennoch blieben die Kaufhäuser erfolgreich. Das größte Kaufhaus von Jandorf, das heutige KaDeWe an der Tauentzienstraße, wurde zum exemplarischen Konsumtempel der Kaiserzeit.
Nach dem Tod von Jandorf übernahm das Kaufhaus Tietz 1926 das Gebäude in der Frankfurter Allee. 1944 brannte es nach einem Bombentreffer aus.
Diskrete Kredite
Das am 21. November 1924 gegründete „Kredithaus Diskret Willi Schlein“ in der Großen Frankfurter Straße 77 war eines von kleinen Kaufhäusern entlang der Großen Frankfurter Straße. Neben Damen- und Herrenkonfektion wurden beim Schlein Wohnungseinrichtungen auf Abzahlung verkauft. Auf über 100 Quadratmetern hatte er 14 Angestellte. Im ersten Jahr setzte die Firma 364.200 Mark um. Nach Meinung der Industrie- und Handelskammer war das für ein „Kredithaus“ zu wenig. Die IHK verlangte eine Änderung des Firmennamens. Schlein zahlte 80 Mark Strafe und änderte den Namen in „Kaufhaus Modern“. 1926 wechselte er in die Große Frankfurter Straße 101. Infolge der Wirtschaftskrise von 1929 blieben die Ratenzahlungen der Kunden aus. 1932 schloss Schlein das „Kaufhaus Modern“. 1934, nach Zahlung der „Reichsfluchtsteuer“, die das NS-Regime auswandernden Juden auferlegte – in seinem Fall 130.000 Mark –, konnte er in die Schweiz emigrieren. Sein zweites Standbein bestand seit 1921 Herrenausstattungsläden die unter dem Namen „Gewa“ geführten wurden. Bis 1937 bestanden sie in der Großen Frankfurter Straße 90 und der Frankfurter Allee 53. Geschäftsführer waren die Gebrüder Wachtel. Auch sie emigrierten nach 1933 in die Schweiz. Ein Mann namens Felix Mehlhausen war am 3. Juni 1939 mit der Abwicklung der einstigen Firma Schlein beauftragt.
Beste Voraussetzungen
Nach der „Städtebaulichen Konzeption für die Einordnung des Kaufhauses am Ostbahnhof“ vom Dezember 1975 wäre die Ernst-Steinfurth-Straße komplett verschwunden und dafür 25 Taxistände mit einem Stadtbusbahnhof im Bereich der Koppen- und Langestraße entstanden.
7.000 Quadratmeter Gewerberaum wurden für den Umbau abgerissen, der jedoch mangels Geld nicht mehr stattfand. 1979 eröffnete hier wegen der Nähe zum künftigen Hauptbahnhof das Centrum Kaufhaus. Es sollte das führende Haus gegenüber seinem Gegenstück am Alex werden. Nicht nur aus der ganzen DDR, sondern auch aus Polen und der Tschechoslowakei reisten die Kunden an, um am Ostbahnhof einkaufen zu gehen. Das Centrum am Ostbahnhof war auch ein Ort, an dem Modeschauen stattfanden, so im Mai 1985, als junge Verkäuferinnen zur „Woche der Jugend und Sportler” zeitgemäße Kleidung vorführten. Der Clou: säuberlich verpackt lagen die guten Stücke zum Selbernähen zugeschnitten zum Kauf bereit, mit genauer Näh-Anleitung. Anlässlich besonderer Ereignisse wie den „Motorbootrennen in Grünau“, gehörten Modenschauen im Centrum am Ostbahnhof zum Rahmenprogramm. Zum Vorführen traten weder superschlanke noch ausgesucht schöne Mannequins auf, dafür aber „Menschen wie du und ich.“ In der „Woche der Produktion”, stand mitunter auch die Direktorin für Absatz, Gabriele Küttner, mit ihren Mitarbeitern der Erzeugnisentwicklung des VEB Berliner Damen-Moden hinterm Ladentisch. Hier, im 5. Stock in der „Damenoberbekleidung“, durften Kunden auch ihre Wünsche und Beschwerden vortragen. Und die waren verschieden und zahlreich: der VEB Narva etwa hatte Probleme, Glühbirnen oder Leuchtstoffröhren zu liefern oder die Kunden mussten wegen einer Bohrmaschine ewig am Stand für Nägel und Schrauben anstehen.
Mit der Übernahme des Hauses durch Hertie nach der Wende schienen solche Probleme ein für alle Mal gelöst zu sein. Aber nach und nach verdüsterten sich die Perspektiven auf andere Weise. Der Ostbahnhof verlor seine Bedeutung und neue Einkaufszentren zogen Kunden ab. Nach Übernahme durch den Kaufhof-Konzern ließ es dieser an Investitionen und Engagement fehlen. Als der Handelskonzern Metro die Kaufhof-Gruppe an die kanadische „Hudson’s Bay Company“ veräußerte, verfiel das einstige Flaggschiff der DDR-Warenhauskultur zur Resterampe. Im Juni 2017 wird das Haus schließen. Viele Nutzungen sind angedacht, aber die wahrscheinlichste Zukunft wird der Abriss des Gebäudes mit Grundstücksverkauf an Investoren sein.