Blitz mit Stecker
Am 6. Februar 1958 lief eine Gruppe „Junger Pioniere“ durch die Warschauer Straße. Vor einzelnen Geschäften blieben sie stehen und riefen: „Wir sind die Bekämpfer des Wattfraß!“. Darauf gingen sie in das Geschäft und baten den Besitzer „man möchte doch diese und jene Glühlampen abschalten“. Kam der Angesprochene dieser Bitte nicht nach, wurden ihm die Sicherungen herausgedreht. Damit hatte die Gruppe ihr Ziel erreicht und ließ sich von den Ladenbesitzern, die nicht zu widersprechen wagten, durch Unterschrift und Stempel bestätigen, wie viel das Geschäft jetzt an Strom einsparte. Der Zentralrat der FDJ rief im Januar 1958 zum „Blitz kontra Wattfraß“ auf. Der Hintergrund: Kohle wurde für den Aufbau der Schwerindustrie gebraucht und fehlte in den Kraftwerken zur Stromerzeugung. Die Wattfraß-Aktionen sollten mit rigorosen Mitteln zum Stromsparen anregen. Zwei „Chefdetektive“ von der FDJ leiteten mit Hilfe von 30 „Wattfraß-FDJ-Detektiven“ eine Großfahndung im Krankenhaus Friedrichshain nach dem „Wattfraß“ ein. Der Wattfraß, ein schwarzer Teufel mit Gerätestecker als Schwanz und Isolatoren auf dem Kopf gehörte zu den Verschwendern am Volksvermögen der DDR. Pioniergruppen fertigten Plakate und Flugblätter, bildeten Fahrradkolonnen oder Sprechchöre. Sie durften sogar Geräte beschlagnahmen oder stilllegen. Heizlüfter, Tauchsieder, Schaufensterbeleuchtungen, Leuchtreklamen standen auf dem Index. „Innerhalb von drei Tagen wurden in der Hauptstadt 1.546 Tonnen Kohle eingespart“, freute sich die FDJ-Kreisleitung Friedrichshain, „eine Summe, die der Tagesleistung von 200 Hektolitern Bier des VEB Schultheiß entspricht“. Was auch immer das bedeutet.