Die traurige Geschichte der Häuser in der Margarete-Sommer-Straße
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Grenzstraßen kommt oft ein Mauerblümchendasein zu, wohl deshalb, weil sich keine Seite so richtig für sie zu interessieren scheint. Ganz anders war es bei der Werneuchener Straße, die am Rand des Freizeitparks am Friedrichshain zum Bötzowviertel gelegen, ganz und gar nicht als abseitiges Gebiet wahrgenommen wurde. Schöne Bürgerhäuser zierten die Seite, die in Prenzlauer Berg liegt, gepflegte Grünanlagen die andere Seite in Friedrichshain. Fällt Ihnen etwas auf? In -berg und in -hain klingt grammatikalisch falsch, ist es aber nicht. Zugezogene, ja selbst Einheimische halten das nicht aus und wollen immer „im“, „am“ oder „auf dem“ sagen.
Eine Gerechte unter den Völkern
Margarete Sommer (1893–1965), eine katholische Sozialarbeiterin und Dominikanerin, weigerte sich 1934 als Lehrbeauftragte, die im NS-Regime eingeführten, unter Zwang vorgenommenen Sterilisationen an Behinderten zu lehren. Sie verlor infolgedessen ihre Arbeit und zog nach Kleinmachnow, von wo aus sie weiter in Berlin tätig war, zum Beispiel als Mitarbeiterin der Katholischen Herz-Jesu-Kirche in der Fehrbelliner Straße in Prenzlauer Berg. Sie verfügte über ein Netzwerk von Informanten bis in NS-Verwaltungsebenen hinein, weshalb es ihr mehrmals gelang, jüdische Nachbarn vor ihrer Deportation zu warnen. Zudem vesteckte sie ein jüdisches Mädchen in einem Kinderheim, das überleben konnte. Zahlreiche Auszeichnungen erhielt die mutige Frau – viele erst nach ihrem Tod, wie die als Gerechte unter den Völkern. 1993 wurde die Werneuchener Straße nach ihr benannt.
Von 1896–1993 hatte die heutige Margarete-Sommer-Straße Werneuchener Straße geheißen, so wie die Wiese auf der Seite Prenzlauer Bergs heute noch Werneuchener Wiese genannt wird. Manche nennen sie auch Drachenwiese, weil Kinder auf ihr in den Herbstwinden ihre Drachen steigen ließen.
An der Danziger Straße steht seit Jahrzehnten eine Tankstelle, inzwischen wuchs auch ein provisorischer Supermarkt empor. Alles nicht sehr schön. Dabei sah es hier einmal ganz anders aus.