Ein Name, der noch existiert.
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N für Stickstoff, Ar für das Edelgas Argon und Va für Vakuum, daraus wurde der Name des Friedrichshainer Glühlampenproduzenten Narva gebildet, der einst an der Warschauer Bücke lag. Wer glaubt, dass dieser Name 1992 mit der Schließung des Betriebs aus Friedrichshain verschwunden ist, irrt. Er lebt heute noch im Namen der Sportgemeinschaft SG Narva Berlin fort. Mit der Abteilung Boxen der SG Narva werden in der Singerstraße alte Berliner Boxtraditionen aufrechterhalten.
Vor 40 Jahren gegründet
Der Gründungstag der Sektion Boxen bei der Betriebssportgemeinschaft Narva ist auf den 3. November 1978 datiert. In der DDR war es üblich, dass Sportverbände von Betrieben gefördert und bezuschusst wurden. Breiten- und Freizeitsport genossen seinerzeit eine sehr viel größere Unterstützung als heute. Für Funktionäre mag damals der Gedanke der Kontrolle, der Wehrertüchtigung oder gar Militarisierung der Sportsfreude eine Rolle gespielt haben. Doch die Sportler selbst waren deshalb nicht automatisch dazu geneigt, sich politisch vereinnahmen zu lassen. Viele erlebten in Sportvereinen eine Insel, in der sie neben der Freude am Sport auch Fairness, Freundschaft und gegenseitige Unterstützung kennen und Herausforderungen zu meistern lernten. Es waren lebensprägende Freizeitveranstaltungen.
Zunächst übte die Sektion mit anderen Berliner Boxvereinen in verschieden Sporthallen des Stadtbezirks in der ehemaligen Werner-Seelenbinder-Halle im Prenzlauer Berg sowie in den legendären Räumen unter den S-Bahn-Bögen in der Dircksenstraße in Mitte.
Erfolgreiche Jahre
Ende der 1980er Jahre bekam die Sektion Boxen die Möglichkeit, sich in der alten Turnhalle der Musikschule in der Zellestraße ein festes Domizil aufzubauen. Gefördert durch den Stadtbezirk wurde in Eigeninitiative eine komplexe Trainings- und Wettkampfstätte für den Boxsport des Stadtbezirkes geschaffen. Was fehlte, waren Bauleute. Das Berliner Wohnungsbauprogramm stand bei der Verplanung von Facharbeitern an vorderster Stelle. Also übernahmen die Vereinsmitglieder selbst die Arbeiten. Diese Form der Selbsthilfe war seinerzeit nichts Ungewöhnliches: Fehlte Material oder Werkzeug zum Ausbau, hatte irgendjemand aus dem Verein Beziehungen, um das Gesuchte zu beschaffen. Auf diese Weise wurde das Ziel erreicht und damit begannen für die Sektion ausgesprochen erfolgreiche Jahre. Besonders im Kinder- und Jugendbereich wurden in Wettbewerben mit den anderen Ostberliner Boxvereinen mehrfach vordere Platzierungen erzielt.
Dies änderte sich nach 1990, als die Musikschule die Turnhalle wieder für sich beanspruchte. Nach anfänglichen Zusagen seitens des Bezirks musste die Sportgemeinschaft ihre Räume aufgeben. Seit 27 Jahren trainiert sie nun in einer der Turnhallen der Blumengrundschule in der Singerstraße 87.
Das Zusammenleben von Schulbetrieb und Freizeitsport fällt nicht immer leicht, wie so oft, wenn es mehrere Nutzer für einen Ort gibt. Die Situation wurde dadurch erschwert, dass im Zuge der Notbelegung von Friedrichshainer Turnhallen mit Flüchtlingen Platz für eine weitere Trainingsgruppe geschaffen werden musste.
Sport für Frauen, „Oldys“ und Kinder
Breitensport trainiert nicht hauptsächlich für renommierte Wettkämpfe. Im Gegenteil. Hier stehen Spaß, Gesundheit, Fitness, Kommunikation und gegenseitige Hilfe im Vordergrund, sowie der Wille, an die eigenen Grenzen zu kommen, den inneren Schweinehund zu überwinden. Wer die Bücher von Dieter Schubert kennt, dem legendären DDR-Boxer und Schriftsteller, der weiß, dass Boxen keine gemaßregelte Form von Klopperei und Draufhauen ist, sondern eine Kultur, eine Lebenseinstellung, genauso wie für andere Yoga, Punk oder Zen. Dieter Schubert gründete mit anderen boxbegeisterten Sportlern und Künstlern, wie dem Schauspieler Eberhard Esche, dem Filmemacher Wolfgang Kohlhaase oder dem kurzzeitigen DDR-Kulturminister Hans Bentzien einen Boxverein, der nach dem Untergang der DDR bei der SG Narva weiter trainierte. Manche dieser Legenden leben längst nicht mehr, doch die Seniorengruppe, liebevoll „Oldy-Gruppe“ genannt, trifft sich weiterhin bei SG Narva. Der Älteste von ihnen ist 89 Jahre alt. Auch trainieren Frauen mit, und zwar in gemischten Gruppen. Auf dem Programm stehen nicht mehr nur der reine Boxsport, sondern auch andere Kampfsportarten und Selbstverteidigung.
Auch Kinder und Jugendliche werden trainiert. Wer glaubt, hier könne man schnell ein paar Tricks zum Prügeln auf der Straße lernen, ist beim Boxen fehl am Platz. Es geht vielmehr um Selbstbeherrschung, um Fairness und um die Einhaltung klarer Regeln. Gerade das muss trainiert sein.
Nachwuchssorgen
Die Sektionsgründer sind nun selbst Senioren und denken daran, die Geschicke des Vereins Jüngeren zu überantworten. Keine leichte Aufgabe. Die SC Narva ist ein ambitioniertes Mehrgenerationenprojekt, hinter dem nicht das vordergründige Bemühen nach Erfolgen im Spitzensport steht. Solche Vereine erfahren zu wenig Förderung – kaum verständlich in einem so reichen Land wie unserem. Doch wer den Breitensport nicht unterstützt, braucht sich auch keine Hoffnungen auf Olympiagold zu machen.
Bei den jüngeren Interessenten ist aufgrund der vielfältigen Freizeitangebote die Fluktuation sehr hoch. Hier haben die Trainingsgruppen Boxen und Selbstverteidigung noch Aufnahmekapazitäten in der Blumen-Grundschule (Halle II) Singerstraße 87.
Trainingszeiten für Boxen sind Montag und Donnerstag von 18–19.30 Uhr und für Selbstverteidigung Donnerstag 19.30–21 Uhr.
Ich durfte als Kind bei SG Narva am Boxtraining teilnehmen. Das hat mein Leben in Positiven Hinsicht geprägt. Ein herzliches Dankeschön an Rudi. Beste Grüße Adil
Hab noch in der Werner-Sellenbinder-Halle trainiert und war Berliner Meister!
War eine geile Zeit!
Danke dafür