Oliver Drudowsky von der Feuerwache in der Rüdersdorfer Straße 57.
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Die Friedrichshainer Feuerwache ist in einem fast geschlossenen Gebäudequadrat an der Wedekind- und Rüdersdorfer Straße untergebracht, einem Baudenkmal aus dem Jahr 1955. Polizei und Feuerwehr sind unter einem Dach, wenn auch mit unterschiedlichen Eingängen und Ausfahrten. „Diese Kombination ist einmalig in Berlin“, erklärt Brandamtmann Oliver Drudowsky. Sie stammt aus der Zeit, als die Feuerwehr noch zur Polizei gehörte und unter dem DDR-Minister des Innern stand.
Nicht nur Feuer löschen
Herr Drudowsky, ein mittelgroßer, trainierter Endvierziger mit kurzem Haar und interessiertem, freundlichen Blick, empfängt uns am Eingang in der Rüdersdorfer Straße, dem Berghain vis à vis. Er führt uns durch ein breites, erstaunlich großzügig angelegtes Treppenhaus in sein Büro hinauf.
Der Feuerwehrmann trägt eine hellblaue Uniformbluse und eine blaue Hose, – ein etwas ungewohnter Anblick, denn die Berliner kennen die Feuerwehrleute eigentlich nur von ihren Einsätzen her mit ihrer dunkelblauen oder beigen Schutzkleidung und den typischen signalfarbenen Streifen. „Das ist meine Büro-Uniform“, erläutert Herr Drudowsky „Heute habe ich Büro-Dienst. Normalerweise trage ich im Einsatzdienst, die andere Kleidung, wie meine Kollegen.“
Gibt es ein typisches Berufsbild der Feuerwehr? Herr Drudowsky denkt nach. „Man weiß nie, was einen erwartet. Es kann sich eine Havarie ereignen, ein schwerer Unfall, man wird zu einer reglosen Person gerufen oder es sitzt eine Katze auf dem Dach.“ Der Rettungsdienst muss am meisten ausrücken. Im Schnitt werden mit dem Rettungstransportwagen in 12 Stunden 12 Einsätze gefahren, mit dem Lösch- und Hilfeleistungsfahrzeug sieben Einsätze. „Innerhalb von einer Minute nach Alarmbeginn müssen die Kollegen im Einsatzwagen sitzen. In acht Minuten muss ein Rettungswagen vor Ort sein, ein Feuerwehrwagen innerhalb von 15 Minuten.“ Etwa dreimal in der Woche brennt es im „Ausrückebereich“. Und tatsächlich sind es immer noch die „Klassiker“: unbeaufsichtigtes Feuer oder Rauchen im Bett. Weniger als in den 1990er Jahren sind gelegte Brände, mit denen sich Hauseigentümer eine kriminelle „warme“ Sanierung versprechen. Im April brannte eine alte, unter Denkmalschutz stehende Industriehalle des ehemaligen Schlachthofes an vier Stellen gleichzeitig. Die Polizei ermittelt.
Manche Bezeichnungen bei der Feuerwehr stammen noch aus einer Zeit, in der militärische Begriffe Mode waren. Feuer zum Beispiel wird angegriffen. Es gibt einen Angriffstrupp, der von einem erfahrenen Angriffstruppführer geleitet wird, einen Wassertrupp, der sich um die Zuleitung des Wassers bemüht, und Maschinisten.
Höhen und Tiefen des Berufsalltags
„Es gibt gute Einsätze und weniger schöne“, erzählt Herr Drudowsky. „Gute Einsätze sind, wenn man eine vital bedrohte, alte Frau auffindet, sie wiederbeleben kann und sie sich vierzehn Tage später bei uns bedankt. Weniger schön ist es, wenn sich Susi Sorglos vor vierzehn Tagen in den Finger geschnitten hat, es nun weh tut und sie daraus einen Notfall macht.“ Aber es gibt auch Einsätze, die an die Nieren gehen: immer, wenn jede Hilfe für Menschen zu spät kommt. „Oft müssen wir Kollegen hinterher darüber sprechen. Das ist sehr wichtig. Bei manchen kommt es erst nach vierzehn Tagen heraus. Mitunter greifen wir dann auch auf die professionelle Hilfe der psychologischen Beratung zurück.“
Feuerwehrmann war nicht der Wunschberuf von Oliver Drudowsky. „Ursprünglich wollte ich Lehrer werden. Doch gab es in Berlin 1992 davon so viele wie Sand am Meer. Man stellte mir drei Jahre Wartezeit in Aussicht. Da gab mir jemand den Tipp, mich bei der Feuerwehr zu bewerben. Die brauchten gerade Leute.“ Nach zwei Jahren hatte er die Ausbildung gemeistert. „Bis vor kurzem war Feuerwehrmann oder -frau gar kein richtiger Beruf“, erklärt Herr Drudowsky. „Man musste bereits eine Berufsausbildung abgeschlossen haben.“ Dahinter stand der Gedanke, dass Fachleute mit ihrer jeweiligen Erfahrung die Feuerwehr bereichern sollen. Inzwischen gibt es aber eine dreijährige vollwertige Ausbildung auch für ungelernte Schulabsolventen. Der Gedanke der fachlichen Bereicherung der Feuerwehr wird dadurch aufrechterhalten, dass die Auszubildenden regulär mehrere Gewerke durchlaufen: Holz, Farbe, Metall. Sie bekommen für die Kurse sogar ein Zertifikat von der Handwerkskammer. „Wichtig ist die körperliche Eignung, man muss gesund sein und eine sportliche Prüfung bestehen. Dazu gehört auch, dass man eine dreißig Meter hohe Leiter hinauf- und hinunter steigt.“ Daran scheitern schon manche. „Die Drehleiter mit Korb DLK 23/12 ist der zweite Rettungsweg bei bestimmten Altbauten mit ausgebauten Dachgeschossen oder Schwalbennest-Anbauten“, erläutert der Experte. Solche Prüfungen werden jährlich wiederholt. Dabei muss man mit einer Atemmaske 17 Stockwerke auf einer speziellen Übungsleiter, der Endlosleiter, hoch steigen, eine Kriechstrecke bewältigen und Personen retten. „Es ist wichtig, sich fit zu halten.“ Ein körperlich strapaziöser Beruf. Unter den 4000 Feuerwehrleuten Berlins sind nur etwa 100 Frauen. Diese müssen bei Löscheinsätzen alles mitmachen können. Dreißig Prozent der Kollegen halten das Pensum nicht bis zur Rente durch, die mit 61 Jahren beginnt. Doch ist Brandbekämpfung nur eine von zahlreichen Möglichkeiten, bei der Feuerwehr tätig zu werden. „Man kann sich auch auf den Brandschutz und beim Rettungsdienst bewerben. Schauen Sie einfach mal auf unsere Webseite.“
Zwölf Stunden verbringen die Feuerwehrleute auf der Wache im Dienst, von 7–19 Uhr und von 19–7 Uhr. Wir sehen uns Aufenthaltsräume an, abgedunkelte Ruheräume, Sporträume, sogar einen Traditionsraum gibt es, in dem an zwei 1983 tödlich verunglückte Feuerwehrmänner aus dieser Wache erinnert wird. Wie auch im normalen Leben scheint bei der Feuerwehr der beliebteste Aufenthaltsraum die Küche zu sein. Hier stehen fünf-sechs Männer um einen großen Herd, auf dem in einer großen Pfanne Gulasch blubbert. Der Ton ist freundlich und scherzhaft. „Es ist manchmal ein bisschen wie Familie“, erklärt der Feuerwehrmann. Mitunter gibt’s auch Knatsch, der dann geklärt werden muss. Bei den Einsätzen muss man sich hundertprozentig aufeinander verlassen können.
Feuerwehrleute gehören nicht zu den Spitzenverdienern. „Leider ist es aus diesem Grund nicht gerade so, dass die jungen Leute unten bei uns klingeln und fragen, ob sie hier anfangen dürfen.“
Gefährliche Sparpolitik
Mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi machte die Feuerwehr im April mit brennenden Tonnen durch die Aktion „Berlin brennt!“ vor dem Roten Rathaus auf ihre prekäre Situation aufmerksam. „Das war kein Streik“, präzisiert Herr Drudowsky. „Wir sind Beamte.“ Wie sehr die Ausstattung im Argen liegt, davon können wir uns bei unserem Rundgang überzeugen. Überall dominiert ein uralter, einst wohl beiger Ölfarbanstrich, der die Räum dunkel macht. Immer wieder stößt man auf das typische Linoleum mit Parkettmuster, das seit den 1970er Jahren in DDR-Instituten, Schulen, Werkstätten und dergleichen auslag. Wir passieren innerhalb weniger Schritte Ausstattungen aus den 1950er, 1980er und 1990er Jahren. Hierzu gehören die Toiletteneinrichtungen. Das Mobiliar besteht zum Teil aus abgestoßenen Schränken, bei denen unter dem abgeplatzten Furnier die Spanfaserplatten hervorlugen. Es ist wie eine Reise in die Vergangenheit. In den 2000er Jahren hätte man eine solche Einrichtung vielleicht noch als Jugendclub oder Studentenbude durchgehen lassen. Wir sind im Jahr 2018. Die Nachlässigkeit, mit der Berliner Behörden top ausgebildete Spezialisten behandeln, von deren Motivation und Professionalität Leben abhängt, ist ein gewaltiges und vor allem vermeidbares Risiko. Grotesk ist, dass das Gebäude, die Räumlichkeiten, selbst die Klotüren unter Denkmalschutz stehen, jedoch keine Mittel aufgebracht werden, um sie entsprechend aufarbeiten zu lassen. Bei der Technik setzt sich das Problem fort. In der Garage erläutert Herr Drudowsky: „Dieser Löschzug ist von 2008. Er rückt in 24 Stunden sieben Mal aus und fährt monatlich 3000 Kilometer. Als Unternehmer würde ich ihn nach zehn Jahren abschreiben. Von uns wird jedoch erwartet, dass wir ihn noch zwanzig Jahre lang fahren.“ Im Notfallset befinden sich eine hydraulische Schere zum Aufschneiden von Unfallautos und eine schwere Benzin-Motorsäge. Andere arbeiten längst mit handlichem batteriebetriebenem Werkzeug.
Was wünscht sich die Berliner Feuerwehr von den Berlinern? „Sie wünscht sich einen sorgsameren Umgang mit der Feuerwehr. Wir sind kein Dienstleister für allerlei Probleme, die auch anderswo geklärt werden können, sondern eine Notruf-Einrichtung. Manche rufen uns irgendwohin und bleiben nicht am Ort, so dass wir den gemeldeten leblosen Menschen ewig suchen müssen.“
Dabei ist die Akzeptanz der Berliner gegenüber der Feuerwehr gar nicht so schlecht. „Wir gehen in Schulen, klären auf und dreimal in der Woche kommen auch Schulklassen und Kindergartengruppen zu uns und werden von Schulklassenbetreuern geführt.“ Nicht selten sind es Touristen, die keine Erfahrung mit der Feuerwehr haben und unvorhergesehen reagieren. „Da hilft dann oft nur eine klare Ansage.“
Eine klare Ansage ist auch unsere Erwartung an den Senat, die Feuerwache Friedrichshain angemessen auszustatten, auch im eigenen Interesse. Als wir aufbrechen, gibt uns der Brandamtmann schmunzelnd die Hand: „Sie müssen zu Ihrem nächsten Termin. Unser nächster kommt von ganz allein zu uns!“