Silvia Bursche, Leiterin der Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee | Foto: Kochschule Berlin

„Unsere Köche müssen auch Entertainer sein.”

Silvia Bursche, Leiterin der Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee | Foto: Kochschule Berlin
Nicht Kochlöffel sondern Telefone sind Frau Bursches Arbeitsinstrumente.
/ Foto: Kochschule Berlin /

Silvia Bursche, Leiterin der Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee.

Von

 

 

Die Liebe und der Suff,
Das regt die Menschen uff,
Was macht sie wieder friedlich?
Ein Essen ganz gemütlich.

Es wäre vermessen, diesen alten DDR-Rock’n’-RollSchlager aus den Endsiebzigern als Hochkultur bezeichnen zu wollen. Einen wahren Kern hat er dennoch: zusammen speisen ist seit Urzeiten eine mit vielen Ritualen versehene Tätigkeit, die auch Freude bereiten und den Zusammenhalt fördern kann. Längst wurde herausgefunden, dass auch das gemeinsame Kochen eine ähnliche Wirkung zeigen kann.

Das Gute am Schienenersatzverkehr

Als ich das große Ladengeschäft mit der Aufschrift KOCHSCHULE in der Karl-Marx-Allee betrete, bin ich zunächst ein wenig enttäuscht. Zwei lange Tafeln in einem spartanisch eingerichteten Raum und in der Mitte viereckig angeordnete Kochzeilen. Auf den ersten Blick scheint es, als würde man hier Möbel verkaufen.
Doch der Schein trügt, wie Silvia Bursche, Gründerin und Leiterin der Schule versichert: „Am Abend, wenn wir hier Gäste haben und gemeinsam gekocht wird, dann drücken sich die Leute, vor dem Geschäft ihre Nasen an der Scheibe platt.“ Und nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu „Für uns wirkte sich der U-Bahn-Schienenersatzverkehr direkt positiv aus, weil der Bus genau vor unserem Laden hielt.“ Das ist ein feiner Humor angesichts der Tatsache, dass Schienenersatzverkehr so ziemlich das Letzte ist, was man Berlinern zumuten darf.
„Kochen ist nicht meine Hauptbeschäftigung“, sagt Silvia Bursche, eine eher kleine, sehr ausgesucht gekleidet Frau mit sicherem Blick und gutem Gespür für Menschen und Situationen. Sie gehört zu den Menschen, die einen gerade heraus ansehen und zu denen man sofort einen Draht findet. „Als Leiterin organisiere ich viel, sitze am Schreibtisch, telefoniere oder treffe mich mit Geschäftspartnern.“
Wie wird man Leiterin einer Kochschule? „Ich komme aus Hamburg und bin von Hause aus Fotografin.“ Nach der Lehre wechselte sie in ein Optikunternehmen und arbeitete als Kundenbetreuerin für schwierige Fälle. „Enttäuschte Kunden, die wutentbrannt das Geschäft verließen und mit Klage drohten, das waren meine Kunden. Mit denen habe ich mich dann zu einigen versucht.“ Allein diese Lebensphase dürfte wohl einen eigenen Zeitzeiger-Beitrag wert sein.

Innenräume der Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee | Foto: Kochschule Berlin
Die einladend hergerichteten Räume … / Foto: Kochschule Berlin /

Mit dem Blick einer Kundin

Die Idee, eine Kochschule zu gründen, kam ihr, als sie selbst einmal Kundin in einer solchen Einrichtung war. „Das fand ich interessant, doch hatten sie manches dabei, von dem ich dachte, dass ich es besser machen könne. Papierservietten zum Beispiel.“ Als sie ihr erstes Lokal in Biesdorf eröffnete, hieß es von manchen Kollegen: „Das schaffst Du nie!“ und „Da draußen, in der Wildnis! Wer kommt denn da hin?“
Doch wie sich zeigte, kamen die Leute, und sie kommen immer noch. „Das ist es ein guter Ort. Dort ist eine U-Bahn-Station, es gibt Parkmöglichkeiten und wir haben dort auch Platz für viele Leute.“

Leckere Sushi werden auch in der Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee zubereitet | Foto: Kochschule Berlin
… werden erst durch die Kunden belebt. Hier bei der Sushi-Herstellung.
/ Foto: Kochschule Berlin /

Nicht nur Kochen, auch Unterhaltung

„Draußen Grillen geht in Biesdorf auch“, ergänzt Frau Bursche. Anders als in der Karl-Marx-Allee. „Wir grillen rund ums Jahr, selbst bei minus 15 Grad. Und wir haben für jeden Geschmack was dabei.“ Damit kommen wir auf das Thema der unterschiedlichen Ernährungsgewohnheiten. „Es gibt Geschäftsleute, die laden zu einem Fleischgrillen ein, ohne zu fragen, ob das alle so mögen. Da müssen wir dann aufpassen, dass die Veganer und Vegetarier unter den Teilnehmern auch etwas vom Abend haben.“ Es ist wichtig, dass alle auf ihre Kosten kommen. Man kann auch Gemüse und Tofu wunderbar grillen.
Vor dem Besuch wird mit den Kunden, die einen Kochkurs buchen wollen, das Menü abgestimmt. Dabei bekommen sie Vorschläge und werden entsprechend beraten. Aber man kann sich auch ein Gericht wünschen: Grill, Sushi, Pasta, Marokkanisch – alles ist möglich. Meist sind es fünf Gänge, die vorbereitet werden. „Die Leute kommen oft hungrig von der Arbeit. Für sie gibt es zuerst einen Prosecco. Gegen den größten Hunger haben wir immer frisches, hausgemachtes, warmes Brot mit einer besonderen Butter parat. Nicht, dass sie ihr gerade geschnippeltes Gemüse gleich aufnaschen, statt es weiter zuzubereiten.“
Sieben Köchinnen und Köche hat die Schule. „Gut kochen können ist das eine“, erklärt die Geschäftsleiterin. „Mit Gästen kochen ist aber etwas ganz anderes. Sterne-Köche leben immer ein bisschen in ihrer eigenen Welt. Unsere Köche müssen auch Entertainer sein. Sie müssen sich unseren Gästen zuwenden, sie ansprechen und mit einbeziehen.“ Mitten in ihrer Rede unterbricht sich Frau Bursche. „Wissen Sie, woran man einen Sternekoch erkennt?“ Sie steht auf, tritt an einen Tisch, beugt sich ganz tief vornüber und tut so, als würde sie mit spizten Fingern ein Törtchen auftürmen. „Man nennt es auch den Sternebuckel!“, ergänzt sie lakonisch. Das sieht lustig aus.
„Kochen lernen ist vielleicht gar nicht so schwer“, erzählt Silvia Bursche. „Die Hohe Kunst besteht aber darin, dies alles für 70 Leute zu kalkulieren, vor- und zuzubereiten, und zwar so, das alles zur rechten Zeit fertig ist.“ Dafür hat eine moderne Küche eine Menge zu bieten: Unterschiedliche Back- und Garöfen, ein Gerät zum Telleraufwärmen, Induktionskoch- und Ceranfelder. Damit können nicht nur viele verschiedene Speisen für hungrige Mäuler zubereitet werden, sondern da kommen auch Technikfreaks auf ihre Kosten.

Die Kochschule Berlin in der Karl-Marx-Allee| Foto: Dirk Moldt
Die Kochschule von der Straße aus gesehen. / Foto: Dirk Moldt /

Nicht alles ist erlaubt

Es gibt im Kochjargon ein paar ruppige Bezeichnungen für Küchengeräte, die durchaus als frauenfeindlich angesehen werden können. „Wenn wir eine Frauenparty haben, dann weise ich unsere Mitarbeiter noch einmal darauf hin, damit sie derartige Begriffe unterlassen. Wir können es uns nicht leisten, unsere Gäste vor den Kopf zu stoßen.“ Zum richtigen Umgangston gehört auch Beobachtung, um die richtige höfliche Ansprache zu finden. Nicht jedermann möchte gleich mit einem vertrauten Du empfangen werden, anderen hingegen gefällt so ein lockerer Umgangston besonders.
Diese Einstellung ist ebenso nachvollziehbar, wie sie zum Erfolg führt, denn 90 Prozent der Kunden sind Leute, die wiederkommen oder über Empfehlungen anderer zur Kochschule gelangen. Zu ihnen gehören Geschäftsleute mit ihren Kunden, unterschiedliche Arbeitsteams mit Chefs und Abteilungsleiter, einmal war sogar eine Hochzeitsgesellschaft dabei. „Die Familien der Brautleute sollten sich kennen lernen, und das haben sie auch getan.“
Nach den vier Stunden Kochen und Tafeln sollen alle zufrieden nach Hause fahren. Zusammen kochen, essen und dabei Spaß haben, kann auch zum Teambuilding beitragen. Kollegen sehen sich durch die ungewohnte Tätigkeit anders, fest gefahrene Teamstrukturen können durch die ungewöhnlichen Herausforderungen aufgelockert werden. „Ich hatte einmal den Direktor einer Schule hier, der mir anvertraute, dass es momentan nicht so gut unter den Kollegen laufe“, erzählt Frau Bursche. „Am Ende haben sogar alle getanzt.“
Ab September steigen die Kundennachfragen an, sie können um die Weihnachts- und Jahresendzeit aufgrund der Nachfrage gar nicht alle bedient werden.
Die Schule bietet auch Kinderkochkurse an. „Es gibt Kinder, die wissen gar nicht, dass man aus Gemüse etwas machen kann. Denen schmeckt es ungewohnt, weil sie nur Essen mit Geschmacksverstärkern kennen“, bedauert Frau Bursche. „Und zu Hause können sie nicht kochen, weil die Eltern das nicht kennen. Die schieben allenfalls eine Fertigpizza in den Ofen.“ Man mag es nicht glauben. Manche Eltern möchten nicht, dass ihre Kinder daheim in der Küche Obst und Gemüse zubreiten. Es macht Arbeit und weil sie nur Fertigessen kennen, schmeckt ihnen Selbstgekochtes nicht.

Die Welt besser machen

Abends kochen und Gäste unterhalten, bleibt da Zeit für die Familie? „Ich bin ja nicht die ganze Zeit hier in der Schule“, erklärt Frau Bursche und macht eine Bewegung als wäre es eine Kleinigkeit. Ist es aber nicht, so stolz, wie Frau Bursche von ihren Kindern erzählt. „Meine Kinder sind im schönsten Backfischalter.“ Und sie fügt hinzu: „Und kochen tun sie auch schon selbst!“
Kochen, das ist so ein bisschen wie Alchemie, bei der es eben nicht um Goldmachen ging – wie oft geglaubt wird. Es ging um Stoffumwandlung zum Höheren und darum, die Welt besser zu machen. Wer gut kocht, macht nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst ein bisschen besser.
Man kann dem Team der Kochschule Berlin und Frau Bursche nur wünschen, dass es immer eine große Nachfrage nach den Kochkursen gibt. Gut kochen zu können ist ein Privileg, das man schnell erlangen und mit dem man auch viel Freude stiften kann.

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