Stefan Klein, Geschäftsführer der KIGE Kiezgewerbe UG | Foto: Giovanni Lo Curto

Keiner ist vor Gier gefeit

Projektassistentin Judith Lücke-Strömer und Stefan Klein in einer Beratung | Foto: KIGE
Projektassistentin Judith Lücke-Strömer und Stefan Klein in einer Beratung mit einem Gewerbemieter. / Foto: KIGE /

Möglichkeiten zur Hilfe

„Wer eine Kündigung erhält, geht natürlich zuerst zu einem Mietanwalt. Wenn dieser sagt, dass nichts mehr zu machen ist, sind die rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft. Dann kommen sie zu uns.“
Für gekündigte oder von Kündigung bedrohte Gewerbetreibende gibt es einen durchaus wirksamen Katalog von Möglichkeiten. Dieser besteht darin, Kunden und Nachbarn zu mobilisieren, politische Vertreter oder andere Personen des öffentlichen Lebens dazu zu bewegen, bei den entsprechenden Hausverwaltungen beziehungsweise Besitzern um die Rücknahme oder Abmilderung ihrer Entscheidungen zu bitten, oder Demonstrationen zu organisieren. Hausbesitzern und -verwaltungen ist der öffentliche Ruf nicht ganz egal. „Ein Fonds aus Luxemburg ist natürlich unempfänglich für so etwas. Doch immerhin sind wir bei 50 Prozent dieser Fälle erfolgreich. Wenn als überzogen beanstandete Forderungen zurückgenommen werden, verhandeln wir dann weiter.“
Verhandeln hat Stefan Klein gelernt. Er wuchs die ersten Jahre in Schöneberg auf und zog mit seinen Eltern nach Frankfurt am Main. „Ich wurde entführt!“, kommentiert er lachend diesen Umzug. In Frankfurt beendete er Schule und Jurastudium. Wie so viele verschlug es ihn nach Berlin wegen der Liebe. „Meine Frau arbeitet hier. Jahrelang hatten wir zwei Wohnungen hier und in Frankfurt, aber letztere gab ich schließlich auf, als uns die Fahrerei zu viel wurde.“ Die KIGA berät auch beim Geschäftsmodell und ermittelt, ob es tragfähig ist, gerade auch angesichts der Mietsteigerungen. „Wir sind ein Allrounder, der alles anbietet. Wenn sich zeigt, dass eine Geschäftsidee nicht mehr trägt, raten wir auch ehrlichen Gewissens zur Aufgabe.“ Exorbitante Mietsteigerungen sind längst nicht mehr ungewöhnlich. „In einem Fall gab es eine Steigerung um das Vierfache, in einem anderen sollte eine Kita eine Staffelmiete zahlen, von einem zugegeben zunächst günstigen Preis auf das Zehnfache“, so Stefan Klein. „Dabei treten ganz unterschiedliche Hausbesitzer in Erscheinung: Kleinanleger, private Hausbesitzer, Stiftungen, Immobiliengesellschaften, sogar öffentliche Träger. Keiner ist vor Gier gefeit.“
Die Gründe für die Steigerung sind ebenfalls vielfältig. Meist gehen sie mit dem Wechsel des Eigentümers oder der Verwaltung einher. „Manche Verwaltungen treten von sich aus in Aktion, weil sie den Besitzern zeigen wollen, was sie drauf haben.“ Bei Hauskäufen durch Bankkredit muss man der Bank vorher erklären, dass sich der Kauf eines überteuerten Hauses lohnt. Die neuen Hausbesitzer haben in diesen Fällen keine Möglichkeit mehr, mit den Mieten herunterzugehen, denn die Berechnung des Kredits beruht auf diesen hohen Preisen. „Andernfalls werden die Banken von den Käufern verlangen, einen Teil der Kreditsumme zurück zu erstatten.“

Noch lange notwendige Hilfeleistung

Kündigungsfristen in einem Gewerbemietvertrag dürfen kürzer sein als die Fristen, die das Arbeitsgesetz zur Kündigung von Mitarbeitern vorsieht. Die Frage ist, was man gegen all diese Verhältnisse tun kann. Aufkauf ist eine Variante, die aber sehr teuer ist. Ebenso das Bauen, zumal kaum noch Platz dafür ist. Von der in Friedrichshain-Kreuzberg direkt gewählten grünen Abgeordneten Canan Bayram ist im Bundestag ein Gesetz zum Schutz der Gewerbemieten eingebracht worden, das die GroKo abgewehrt hat – im Widerspruch zu anderslautenden Bekenntnissen der Regierungsparteien.
„Man könnte das Gesetz innerhalb weniger Stunden durchbringen“, sagt Stefan Klein. Und setzt hinzu: „Vorausgesetzt, man hat den Willen dazu“. Und dabei gelten Berliner Mietpreise im internationalen Maßstab noch als günstig, trotz der hohen Teuerungsrate der letzten Jahre. Also wird Stefan Klein auch weiter zu tun haben, um Unternehmer in Existenznot zu beraten.

www.kiezgewerbe.de

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