Reinlich in Friedrichshain.
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Die „Patent-Papier-Fabrik“ war direkt am Spreeufer gelegen. Der „Situations Plan“ vom 13. September 1856 zeigt sechs Gebäude. Das große Maschinenhaus lag an der Mühlenstraße 74 – 77 und der Papiersaal mit seinen Papierpressen war zur Spree hin ausgerichtet. Das „Bleichhaus“ und das Warenlager lagen direkt am Spreeufer. Das „Büttenhaus“ stand an der Mühlenstraße. Es ging weniger um Schreibpapiere, sondern um veredelte Papierprodukte. In der Hauptsache um kartonfeste „Luxuspapiere“. Diese „Luxuspapiere“ waren für bunt bedruckte Dioramen, fantasievolle Lesezeichen, pompöse Glückwunschkarten, kleine Skulpturen und für Schachteln aller Art nötig. Infolge rationeller Methoden fielen die Papierherstellungspreise im 19. Jahrhundert rasant. Das spürten die Besitzer der „Patent-Papier-Fabrik“. 1885 verloren sie diesen Konkurrenzkampf.
Riedel
Wilhelm Riedel nutzte seine Chance, indem er das Gelände und die Gebäude der „Patent-Papier-Fabrik“ aufkaufte. Riedel war ein Mann der Wäsche. Er besaß eine „Appretur-Anstalt“ an der Köpenicker Str. 50. Seine Belegschaft war mit der Veredelung von Stoffen bzw. dem Bedrucken und Färben von Textilien beschäftigt. Für die Mühlenstraße schwebte Riedel erst einmal anderes vor. In den frühen 1890er Jahren reichte er Bauanträge für eine „Speicherei mit automatischer Entlösch- und Ladeeinrichtung für Getreide nebst einem Dampferkran zum Durchladen von Holz und Kohle“ ein. Doch 1901 ging nahe der Oberbaumbrücke eine Dampfwäscherei in Betrieb. Daraufhin vermietete Riedel 1905 das ehemalige Warenlager der Papierfabrik an die „Erste Berliner Wäschemanufaktur“.
Wagner
Franz Wagner, Chef der „Ersten Berliner Wäschemanufaktur“, schätzte den Bedarf von Dienstleistungen zur Wäschepflege als hoch ein. Seine „Berliner Wollwäscherei“ nahm neben seiner „Trockenen Wollentfettung“ am 25. August 1905 die Arbeit auf. Vermieter Riedel erweiterte schnell sein Gelände an der Mühlenstraße um bessere technische Einrichtungen: hier ein neues Kesselhaus, dort größere Lager- und Arbeitsräume für die Mietkunden. Mitunter kamen sich die verschiedenen Gewerbe gefährlich nahe. Neben der Wäschemanufaktur war aus praktischen Gründen eine Packpapierfabrik im gleichen Gebäude untergekommen. Praktisch war, die Trocknungsvorrichtungen der Wäscherei durften auch zum Trocknen der Papierbahnen benutzt werden. Jedoch am 9. Mai 1907 ging manches schief. Ein Arbeiter war in Eile und von anderen Arbeiten zu sehr abgelenkt. Hastig hängte er die nassen Papierbahnen den heißen Heizkörpern zu nahe. Bald entzündete sich eine Papierbahn. Kurz darauf stand der gesamte Bau in hellen Flammen. Abends lagen die Gebäude der „Ersten Berliner Wäschemanufaktur“ in Schutt und Asche. Vermieter Riedel war nicht böse. Er investierte in modernere Gebäude, die nicht mehr nur von Franz Wagner, sondern auch von der „Dampfwäscherei Wegner“ in Anspruch genommen wurden. 1924 dehnte sich die „Dampfwäscherei Wegner“ auf 400 Quadratmeter aus, hatte 45 Mitarbeiter und warb mit einem Flyer, der allerdings die lange Gebäudefront Franz Wagners von der Spreeseite her zeigte. 1930 zogen die „Dampfwäscherei Siegfried“ und weitere Wäschereien zur Mühlenstraße 73 – 77 um. Infolge der Wirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre ging die „Dampfwäscherei Siegfried“ pleite. Andere Wäschereien füllten die Lücke auf. Vermieter Riedel hatte stets ein Ohr für seine Mieter. Zahlte eine Firma wegen schlechter Konjunktur vorübergehend weniger Miete, ging das in Ordnung. Wurden Garagen gebraucht, ließ Riedel Pferdeställe abreißen. Waren Fenster zu klein, ließ er größere einbauen. 1944 gab Wilhelm Riedel alle Geschäftstätigkeiten auf. Nur einige Gebäude wurden gegen Kriegsende zerstört. 1946 übernahm eine Likörfabrik das Gelände. Die „Dampfwäscherei Wegner“ überstand als private Firma ihre ersten Nachkriegsjahre. 1952 zum „Volkseigentum“ erklärt, wurde sie wenig später aufgelöst.
Waschen in Gemeinschaft
Viel Zusammenarbeit war nötig, um ein neues Zeitalter des Wäschewaschens in Friedrichshain einzuläuten. Ein „Entwicklungsaktiv“ im VEB Metallverarbeitung Hohenschönhausen kümmerte sich im Oktober 1950 um Gummimanschetten. Kollegen des VEB Wäscherei-Maschinenbau in Weißensee nutzten diese Entwicklung für eine neue Trommelwaschmaschine und das VEB Waschgerätewerk Schwarzenberg belieferte den Maschinenpark des VEB Blütenweiß, der 1952 in der Stalinallee eine Filiale unterhielt. Hier war Vorsicht geboten, falls beispielsweise ein weißes Kostüm zu reinigen war. Mitunter kam es schmutziger zurück, als es vorher war, da es nass zwischen schwarzer Kleidung transportiert wurde. Ungeachtet dieser kleinen Probleme steigerte der VEB Blütenweiß seine Planleistung auf 127 %. 1954 schloss eine Blütenweiß-Agentur in der Oderstraße, dafür öffnete eine neue und größere Annahmestelle in der Gärtner-/ Ecke Wühlischstraße. Wegen vorgeblicher Kapazitätsüberlastung nahm diese nur Mangelwäsche, aber keine gemischte Wäsche an. Vorherige Kunden hatten alte Rechnungen vorzulegen, anderenfalls wurden sie nicht angenommen. 1958 sollte die Initiative der „Tausend kleinen Dinge des Alltags“ diesem und anderem Ungemach ein Ende bereiten.
Die Bezirksverordnetenversammlung entschied: „Der Handel muß mehr tun, um die direkte Meinung der Verbraucher über die Zweckmäßigkeit der produzierten Gegenstände zu erforschen und nicht nur die von Einkäufern oder anderen Funktionären. Das ist besonders bei den Geräten notwendig, die der werktätigen Frau ihre Arbeit im Haushalt erleichtern sollen, es aber manchmal nicht tun.“ 1966 ging eine unkomplizierte Waschmaschine in die Geschäfte: die „WM 66“. Drei Eimer Wasser in den Bottich gefüllt, dann den Drehkopf auf Heizen gestellt. Erreichte das Wasser die richtige Temperatur, kam die Wäsche und das Waschpulver in die Maschine. Wurde der Schalter auf Waschen gestellt, war sechs Minuten später alles sauber. Klargepült wurde in der Badewanne und getrocknet auf dem Balkon. Die WM 66 war ein Fortschritt für viele Friedrichshainer Haushalte.