Die Weinhändlerin Doreen Welke.
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Als Berliner trinkt man Bier, so mein Postulat, natürlich gern auch mal ein Gläschen Wein. Wobei jeder seine Vorlieben hat, was Farbe und Süße beziehungsweise Nichtsüße anbelangt. Aber zum Liebhaber und Connaisseur, so mein bisheriges Vorurteil, reicht es in hiesigen Breiten nicht. Das, so meine Ansicht bis vor kurzem, ist etwas für Weinbauern, Saale-, Rhein- oder Moselländler oder für Leute mit zu viel Zeit und Geld. Und nun sitze ich Doreen Welke in ihrem Laden „wein&gut“ in der Schreinerstraße 22 gegenüber und muss erfahren, dass die Kenntnis von edlen, hochqualitativen Weinen längst auch in der Straße angekommen ist, in der ich seit fast dreißig Jahren wohne.
Auf Umwegen zum Ziel
Wie kam sie als Berlinerin auf die Idee, Weinhändlerin zu werden? „Ich habe mich immer gern mit Wein beschäftigt“, erzählt sie mir. „Wein habe ich schon früher zu DDR-Zeiten gemacht, so wie viele, aus Hagebutten oder Schlehen. Damals hatten wir noch Papierrollen oder Zettel an der Wohnungstür und einen Bleistift zum Hinterlassen einer Nachricht.“ Das ist wirklich lange her. „Auch später war ich oft mit Leuten zusammen, die etwas von Wein verstehen und die selbst Weinhändler sind. Das Riechen und Schmecken, Grundlagen, um einen Wein zu beurteilen, kann man lernen.“ Allerdings verlief der Weg zum Weingeschäft nicht geradlinig. Doreen ist in Rathenow zur Welt gekommen und groß geworden, in der Stadt der Optik im heutigen Brandenburg. „Ich empfand Rathenow als sehr provinziell. Berlin war für mich das Weiteste, wohin man damals hin konnte. Also zog ich 1985 hierher.“ Von Anfang an wohnte sie in Friedrichshain. Ihren Lehrberuf erwarb sie jedoch in Bautzen als Müllerin beziehungsweise als Müller, wie der Lehrberuf hieß. Die Vorstellung des Schwere- Säcke-Schleppens, die sich mit diesem Berufsbild verbindet, war schon zu DDR-Zeiten längst überholt. „Ich saß in der Schaltzentrale der Mühle am Osthafen und regulierte die Maschinen per Knopfdruck. Das Mehl floss automatisch in die Behälter der Lastkraftwagen.“ Doreen hatte keine Affinität zu diesem Beruf. „Es war eine Möglichkeit, von meinen Eltern wegzukommen. In Bautzen lebte ich im Internat.“ Dann gelangte sie zur Volksbühne, wo sie als Kleindarstellerin in Stücken wie Ulrich Plenzdorfs „Zeit der Wölfe“, Heiner Müllers „Leben Gundlings“ oder Michael Bulgakows „Meister und Margarita“ mitspielte. Sie gehört zu denen, die 1990 in der Eldenaer Straße ein leerstehendes Lokal besetzten und dort die „Kiezkultur“ etablierten. „Es gab Verträge damals, das wurde über einen Runden Tisch geregelt.“ Dass es den Laden „Kiezkultur“ nicht mehr gibt, ist, wie bei manch anderen Projekten von Freiwilligen, darin begründet, dass die Leute irgendwann auseinander laufen, ohne dass es Nachfolger gibt. In den Neunzigerjahren entschied sich Doreen Welke dafür, entsprechend ihrer Freude am Reisen einen weiteren Beruf zu lernen und wurde Reiseverkehrskauffrau. „Kurz danach kam das Internet“, bemerkt Doreen lakonisch. Die Menschen buchen ihre Reisen jetzt selbst. Warum sollte sie nicht ein weiteres Hobby zum Beruf machen?