Enttäuschende Reaktionen
Claudia Fuchs, die in der Berliner Zeitung am 16. Juli über eine tags zuvor stattgefundene Demonstration in Friedrichshain berichtete, hatten wir in unserem Ärger gründlich missverstanden. Wir nahmen an, sie würde weitere gewalttätige Ausschreitungen vorwegnehmen, was sie jedoch zu Recht (?) weit von sich wies. Der Konflikt hatte uns so sehr zugesetzt, dass wir hier schon das Gras wachsen hörten. Auch Frederik Bombosch antwortete uns und zeigte sich ratlos, weil er meinte, dass seine Beschreibung nicht erklärt werden müsse. Allenfalls seien die Schüsse auf ein Wohnhaus ein einmaliger Fall gewesen. Er bot ein Gespräch an, das wir gern annahmen, doch dann meldete er sich nicht mehr. Ansonsten hat niemand von den Angeschriebenen geantwortet. Zu behaupten, dass sich die Journalisten in den Elfenbeinturm ihrer Redaktionen zurückgezogen haben, unwillig oder unfähig, sich unseren Fragen zu stellen, wäre zu einfach und nicht gerechtfertigt, solange man nichts über die Gründe ihres Schweigens weiß. Aber bedenklich stimmt es schon, dass die Profis der Analyse des Berliner politischen Lebens, machtvolle Vertreter der Vierten Gewalt, kein Interesse an einem Widerspruch von unfreiwillig Beteiligten eines Konflikts zeigen, über den sie sich eben gerade noch sehr meinungsstark geäußert hatten. Schade. Denn die Berichterstattung hatte durchaus Folgen: Zuvor in Erwägung gezogene Gesprächsangebote an die Bewohner der Rigaer Straße 94 wurden abgesagt. Was seitdem auch immer über die Rigaer Straße berichtet oder kommentiert wird, immer wird auf die „Krawallnacht“ Bezug genommen, die alles verändert habe. Schließlich baten wir bei der Gewerkschaft der Polizei um einen Termin, deren Pressesprecher sich viel Zeit für ein Hintergrundgespräch nahm. Er erläuterte uns, dass demobegleitende Polizisten an ihrer 20-Kilo Ausrüstung schwer zu schleppen hätten und dass selbst kleine Verletzungen, wie Schrammen üblicherweise mitgezählt würden. Deutlich wurde die Sparpolitik des Senats kritisiert, was zu weniger Polizeistreifen und letztlich zum schwindenden Respekt der Bürger führe. Wir diskutierten auch über die Möglichkeit von Runden Tischen und anderen deeskalierenden Maßnahmen. Unsere Erfahrung, dass man mit ergebnisoffenen Gesprächen, in denen zunächst nichts als Befindlichkeiten sachlich ausgetauscht werden, Fronten aufweichen kann, scheint in der Berliner Polizeigewerkschaft momentan nicht so plausibel zu sein, wie wir es aus den 1990er Jahren in Erinnerung haben.
Fazit
Journalisten, Politiker, die gewerkschaftlichen Vertreter der Polizei und die unterschiedlichen Anwohner der Rigaer Straße leben scheinbar auf völlig verschiedenen Planeten, stellen wir fest. In unserer Welt wünschen wir uns mindestens mehr Interesse für die jeweils anderen, denn die Konflikte in der Rigaer Straße sind so kaum zu lösen.