Die Brommybrücke.
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„Durch Berlin fließt immer noch die Spree”, heißt es. Als jedoch vor circa 20.000 Jahren das Eis der letzten Eiszeit abschmolz und die Wassermassen in unserer Gegend ein Urstromtal formten, war der Rummelsburger See ein Teil vom ursprünglichen Flussbett der Spree. Von heute aus gesehen, reichte der erste Hauptarm vom Bahnhof Ostkreuz bis zur Oberbaumbrücke. Die Spree wanderte weiter. Sie schlängelte sich vom 10. bis zum 12. Jahrhundert in ihre gegenwärtige Lage und hinterließ Faulschlamm. Sumpfgräser wuchsen, verfielen, ein Moor bildete sich. Bis 1880 wurde bei Rummelsburg Torf gestochen. Heute liegt Friedrichshain am nördlichen Spreeufer.
Brücken verbinden
Berlin war eine Stadt der Kopfbahnhöfe. Eine Verbindung, wie es heute die Ringbahn ist, fehlte. Friedrich Wilhelm der IV. befahl: eine Verbindungsbahn muss her, die, um Ärger mit Grundstücksbesitzern zu vermeiden, über öffentliches Straßenland führen muss. Im Dezember 1850 ging der Auftrag an den Start. Im Verlauf wurden die Gleise vom Potsdamer Platz kommend an der „Englischen Gasfabrik“ vorbei gelegt, dort, wo sich heute die Badeanstalt an der Skalitzer Straße befindet. Zum Lausitzer Platz führten die Gleise ab hier durch die Eisenbahnstraße zur Spree. Um den Schiffsverkehr wenig zu behindern, kam eine Drehbrücke zum Einsatz, die eine Verbindung zum Schlesischen Bahnhof herstellte. Kohlenzüge für das Gaswerk gingen über die Brücke. Sie verbreiteten rußigen Schmutz. Wegen des regen Straßenverkehrs sollten die Transporte vom November 1864 an nachts abgewickelt werden, zur Gefahrenvermeidung musste ständig die Lokomotivglocke läuten. 1871 gingen keine Transporte mehr über die Drehbrücke. Sie stand den Frachtschiffern im Weg und wurde abgerissen. 1909 war eine neue Brücke fertig. Ihr Name erinnert an Karl Rudolf Bromme. Zum Fregattenkommandeur erhoben, beaufsichtigte dieser 1849 den Bau von neun seetüchtigen Raddampfern, zwei Segelschiffen und 27 Ruderkanonenbooten. Sie kamen am 4. Juni 1849 im Krieg gegen Dänemark zum Einsatz.
Chic der späten Jahre
Alfred Messel, der Architekt von vielen öffentlichen wie auch Industriebauten, stand hinter dem Entwurf und dem Bau der neuen 18 Meter breiten und 95 Meter langen Brücke. Stampfbeton, Granit und fränkischer Muschelkalk waren das Baumaterial. Ignatius Taschner entwarf nicht nur das Tafelsilber für den Kronprinzen Wilhelm, sondern in enger Zusammenarbeit mit Messel Figuren, die auf den Eckpfeilern der Brücke standen und der Brücke ein typisches Bild ihrer Zeit gaben. Berlin war damals wohlhabend. Damals lebten in der Stadt mehr Millionäre als in New York.
Ruhe nach dem Sturm
Die Brommybrücke war ein wichtiger Verkehrszubringer und ein beliebtes Fotomotiv. Mitunter war sie ein Ort stiller politischer Demonstration, wie am 15. Januar 1934, als Mitglieder der illegalen KPD hier einen Kranz zu Ehren von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht niederlegten. Am 3. Februar 1945 lag ein klarer blauer Himmel über der Spree. Das Feuerlöschboot „Scabell” erhielt um 13.25 Uhr einen Einsatzbefehl. Als es die Oberbaumbrücke passierte, wälzte sich der Bootsbesatzung eine Wand aus schwarzem Rauch entgegen. Den Feuerwehrmännern trieben Schwärme toter Fische entgegen, Holz von versenkten Kähnen und vor allem hatte das schmale Boot mit ungewohnt hohen Wellen zu kämpfen. Ein Feuersturm, von einem gewaltigen Bombenangriff ausgelöst, trieb das Wasser aufwärts. Der Steuermann versuchte das Boot zu wenden, das direkt auf die Brommybrücke zutrieb. Ein Wurfanker verhinderte den Zusammenprall. Weitere Bombenangriffe beschädigten die Brücke schwer. Zur völligen Zerstörung führte Ende April 1945 eine Sprengung fanatischer SS-Leute, die den Vormarsch der Roten Armee stoppen wollten. Intakt bleiben nur die Mittelpfeiler.
Grenzpfeiler
Bis auf die Pfeiler in der Strommitte wurde die Brommybrücke abgerissen, nach und nach auch fast alle Gebäude auf der Friedrichshainer Spreeseite. Seit 1938 gehört die Spree zwischen der Oberbaum- und der Schillingbrücke zum Friedrichshainer Gebiet. Vom 13. August 1961 bis zum Mauerfall war das Betreten dieses Ufers verboten. Zwischen 1945 bis 1990 wurde die Spree zum Ort politischer Machtdemonstration, der 14 Menschen zum Opfer fielen.
Verhängnis
Siegfried Kroboth war 5 Jahre alt. Er spielte gern mit Freunden auf dem Straßenstück, das von der Köpenicker Straße bis zu den Resten der alten Brommybrücke reicht. Am 14. Mai 1973 kletterten sie durch ein Loch in einer Mauer, das diese Straße gegen das Wasser absperrte. Angler hatten dieses Loch hinein geschlagen. Die Kinder blickten auf den Restpfeiler der Brommybrücke. Plötzlich fiel Siegfried der Nuckel aus dem Mund. Er griff danach, stolperte, verlor das Gleichgewicht und stürzte ins Wasser. Der Junge versuchte, seinen Kopf über Wasser zu halten, doch schwanden seine Kräfte schnell. Eine Grenzbootbesatzung der DDR beobachtete den Vorfall. Ehe es den Ort erreichte, war der Junge ertrunken. Der Versuch die Leiche an Bord zu ziehen misslang. Auf der Westseite war die Feuerwehr alarmiert, wegen unklarer Zuständigkeiten konnte sie nicht eingreifen. Aufgrund alliierter Vorgaben und interner Vorschriften waren nur die DDR-Grenztruppen zuständig. Erst 40 Minuten später konnte der Tote von diesen aus dem Wasser gezogen werden. Der Tagesspiegel berichtete am 15. Mai 1973, dass der Junge bereits ertrunken war, als die Westberliner Polizei wenige Minuten später am Ort eintraf. Die Morgenpost vom 17. Mai 1973 stellte die Frage nach der Aufsichtspflicht der Eltern oder anderer Erwachsener. Das westliche Ufer der Brommybrücke war damals eine Brache und deren Gefahren waren bekannt. Besonders tragisch war, dass die Familie fünf Jahre vorher auf den Tag genau ihre 21-jährige Tochter auf der gegenüberliegenden Seite der Spree verloren hatte. Sie war ermordet und von der Friedrichshainer Seite der Brommybrücke aus in die Spree geworfen worden.