Titelbild: Danny von der Espressobar La Tazza D'Oro | Foto: Giovanni Lo Curto

„Postkarten waren sicherer, oder Telegramme.“

Danny von der Espressobar La Tazza D'Oro | Foto: Giovanni Lo Curto
„Im Gegensatz zu manchen Hipstern im Bezirk werde ich bestimmt kein Reichtum erlangen.“ Aber Warten auf Kunden, wie das Foto erscheinen läßt, muss Danny nicht. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Ein Besuch bei Danny in seiner Espressobar.

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„Unser Kaffee ist erwiesenermaßen einer der besten der Stadt“, so wirbt die Webseite für den Besuch des Cafés in der Grünberger Straße 40. Sehr selbstbewusst. Doch in der Tat: Als ich 2004 das erste Mal ins frisch eröffnete „La Tazza d‘oro“ kam, war ich wirklich überrascht. Damals war stundenlang auf der Heizplatte warm gehaltener Filterkaffe noch die Norm. Ich habe mich mit dem Betreiber Danny verabredet. In Friedrichshain sind sogenannte Zickzack-Biografien, also Karrieren, die nicht geradlinig verlaufen, nicht ungewöhnlich. Danny ist unter diesen ein besonderer Fall. Er kann Geschichten erzählen, die fast unglaublich klingen. Geboren wurde er in Düsseldorf, aufgewachsen ist er in Hamburg. „Dort wurde ich schon relativ früh durch das Umfeld der Hafenstraße politisiert. Ich war auch bei den Demos der Startbahn West dabei, auch bei den Demos gegen den Besuch des amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan 1982 und 1987 in Westberlin.“

Danny von der Espressobar La Tazza D'Oro | Foto: Giovanni Lo Curto
beim Unterwegssein oder Kaffeezubereiten, immer ist es etwas Besonderes. / Foto: Giovanni Lo Curto /

Unterwegssein als Lebensmotto

„Meine Eltern fuhren mit mir oft in die sozialistischen Länder, zum Beispiel mit ‚Intourist‘ in die Sowjetunion oder nach Polen auf einen Zeltplatz.“ Dort lernten sie ein Paar kennen, Kneipenbesitzer aus Stendal, die sie ebenfalls besuchten. „Da gab es Bockwurst, Bouletten, Bier und Schnaps und sie verdienten sehr gut.“ Aus der Schublade voller Geld gaben sie ihm einen Zehner, damit er sich Spielzeug kaufe. „Die DDR war für mich als Kind ein Paradies.“ Schon in den 1970ern kam er nach Kreuzberg, wo Verwandte wohnten. 1983 zog Danny nach Berlin und ging in die Carl-von-Ossietzky-Schule in Kreuzberg. „Eine Schule mit 1.500 Schülern, die wir ‚die Gosse‘ nannten.“ Nach der Schule verzichtete er auf eine Berufskarriere. Unterwegssein war wichtiger. Mit Geschäften und Gelegenheitsjobs schlug er sich durch, wohnte in ganz billigen Wohnungen oder in besetzten Häusern, in WGs, in denen das Geld zusammengelegt wurde. „Ich habe aber nie Sozi beantragt. Das wäre für mich unmöglich gewesen.“ Einen Teil seines Unterhalts verdiente er beim Unterwegssein.
In Zeiten der Mauer gehörte Danny zu den Leuten, die keine Scheu hatten, regelmäßig in die DDR zu fahren und Kontakt mit interessanten Leuten aufzunehmen. Das unterschiedliche Preis- und Warenangebot in Ost und West nutzte er für die Aufbesserung der Reisekasse. Groß angelegte Geschäfte waren nicht möglich und auch nicht beabsichtigt. Beispielsweise gab es im Haus des Sports am Frankfurter Tor knöchelhohe chinesische Basketballschuhe, die aussahen wie die guten amerikanischen „Converse“ und es gab gute Boxerschuhe, die auch im Westen gefragt waren. Oder: Bei der Einreise nach Ostberlin zeigte man eine Wegwerfkamera aus Pappe für knapp zehn Mark als eingeführten Gegenstand vor, die gab man dann weg und kaufte für 700 Ostmark eine gute Praktica, die man nun legal ausführen konnte. Im Westen bekam man 400 Mark dafür. Manchmal gelang es, mehrere Erledigungen clever zu kombinieren. Von Lichtenberg fuhren täglich zwei Züge zur Fähre nach Dänemark, einer früh, einer abends. Das Durchreisevisum kostete nur fünf Mark im Gegensatz zum Besuchsvisum, das 25 Mark kostete. „Man reiste früh ein, zahlte nur fünf Mark, besuchte seine Leute, ging aber erst am Abend zum Bahnhof und behauptete, dass man den Frühzug nicht geschafft hatte. Mit hochwertiger Alkoholika, die man in Dänemark gut verkaufen konnte, finanzierte man den Aufenthalt.“

Das Haus für Sport und Freizeit, 1958 | Foto: Weiß, Bundesarchiv Bild 183-60191-0002, Wiki Commons.
Das Haus für Sport und Freizeit war ursprüglich ein Möbelgeschäft. Hier ein Foto von 1958, etwa 30 Jahre bevor Danny dort Turnschuhe kaufte. / Foto: Weiß, Bundesarchiv Bild 183-60191-0002, Wiki Commons. /

Nicht nur politisch aktiv

„Wir sahen uns als Anarchos und sahen vieles nicht so verbissen wie Trotzkisten oder Marxisten. Dafür waren wir sehr aktiv und haben zum Beispiel Heroin- und Kokshändler aus Kreuzberg vertrieben.“ Es gab Berichte, dass in Amerika und Italien harte Drogen mit Billigung der Behörden oder mit voller Absicht in Kieze, die als renitent galten, gebracht wurden. „Der Ärger mit den harten Drogen hat unglaublich viel Zeit und Kraft gebunden. Wir glaubten, dass die Infiltrierung auch in Kreuzberg geschehe.“
Allerdings haben sie auch sogenannte leichte Drogen in die DDR geschmuggelt. „Es wurde ein Marmorkuchen mit Haschisch gebacken, der wurde an der Grenze von den DDR-Grenzern geröntgt, und uns danach mit einem ‚Guten Appetit!‘ wieder ausgehändigt.“
Danny vermittelte auch Leute, zum Beispiel Musiker für illegale Konzerte, in die DDR.
„Die Amerikaner waren oft naiv. Man musste ihnen erklären, dass sie ohne Instrumente in die DDR einreisen und ihre knallbunten aufgestylten Frisuren an der Grenze etwas dezenter tragen sollten und dass man dort nicht in einem Pulk von dreißig Leuten aufschlagen kann.“ Treffen über die Grenze mit Telefonen abzusprechen, war riskant, denn die wurden abgehört. „Postkarten waren sicherer, oder Telegramme.“
Immer wieder kam es vor, dass Leute an der Grenze nach Ostberlin zurückgewiesen wurden. „Mir ist das nie passiert, obwohl ich sehr oft im Osten war. Vielleicht wollten die sehen, welche Kontakte ich habe.“

Party in der Schreinerstraße Anfang der 90er Jahre | Foto: Privat
1990 oder 1991, der Eiserne Vorhang war gefallen – Zeit der coolen Partys, hier bei einer der berühmten Cocktailpartys mit Kostümzwang in der Schreinerstraße. / Foto: Privat /

Unterwegs und sesshaft geworden

Wie ist er zu seiner Espressobar gekommen? „In Hamburg gab es ein Café mit sehr gutem Kaffee. Wir erkundigten uns beim Zulieferer, ob sie auch nach Berlin liefern würden.“
Die Antwort war positiv. Sie suchten gerade nach einem Geschäftsparter in Berlin.
„Da haben wir uns beworben und kamen uns ganz komisch vor zwischen den Anzug- und Schlipsträgern, die sich auch beworben hatten. Ich mit T-Shirt und mein Companion mit Iro und Tattoos. Aber wir bekamen den Zuschlag.“ Seither gibt es guten Kaffee in der Grünberger Straße.
Als ich sage, dass ich nun ausreichend Material für das Porträt habe, protestiert Danny: „Du kennst noch nicht mein dollstes Reiseerlebnis: Ich besuchte 1987 in der Bänschstaße Silvio Meier, der 1992 ermordet wurde. Um zwei musste ich wieder drüben sein, ging zur Frankfurter runter, um mich mit einem Schwarztaxi zum Tränenpalast fahren zu lassen. Es war die Nacht zum 7. Oktober, dem Staatsfeiertag, an dem schon für die Militärparade geprobt wurde. Davon hatte ich keine Ahnung. Ich sah nur die Panzerkolonnen und bekam Panik: ‚Jetzt fängt der dritte Weltkrieg an und du bist auf der falschen Seite!‘“ Dass die Geschichte gut ausgegangen ist, hängt auch damit zusammen, dass Leute wie Danny die Grenze durchlässiger gemacht haben.

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In der Espressobar La Tazza D'Oro | Foto: Giovanni Lo Curto
/ Foto: Giovanni Lo Curto /

 

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