Wasserwerk Stralau im Jahre 1858 | Quelle: Zeitgenössischer Katalog

Kristallklar aus dem Hahn

Wasserwerk Stralau im Jahre 1858 | Quelle: Zeitgenössischer Katalog
Berliner Wasserwerk am Stralauer Tor 1858. Nach dreißig Jahren wurde es zur Gefahr. / Quelle: Zeitgenössischer Katalog /

Das Wasserwerk Stralau.

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Es ist heiß, mit einem Griff ist der Wasserhahn geöffnet, ein Glas drunter gehalten und frisches Wasser perlt ins Glas. Eine Selbstverständlichkeit? Nein. Immerhin, wegen der günstigen Stadtlage des „alten Berlin“ konnten deren Einwohner ohne Mühe Grundwasser aus 2 bis 3 Metern Tiefe fördern. 1570 wurde eine hölzerne Wasserleitung, die viel Anklang fand, in Betrieb genommen. Aber sie erhielt wenig Pflege und verfiel. Der eigene Brunnen lag näher. 5.500 öffentliche oder private Brunnen verteilten sich über das Stadtgebiet. Um 1800 nutzten etwa 30 Menschen eine Wasserstelle.

Abfuhr

Erlaubt war allerdings, Abwässer, die nicht von Fäkalien verunreinigt waren, in die Rinnsteine zu schütten. Was sich in den „Nachtstuhleimern“ sammelte, hatte in besondere Sickergruben entleert zu werden, sofern es nicht, wie in „besseren Kreisen“ üblich, von „Nachteimerfrauen“ abgeholt und in der Spree entsorgt wurde. Oberarzt Behrend schilderte diese Zustände: „Das Ausleeren der Latrinen, der Mist- und Müllkuten und das Ausfahren denselben ist ganz entsetzlich. In der Nacht, in der diese Prozedur in einem Hause stattfindet, müssen alle Türen fest geschlossen sein. Der Gestank, der dennoch eintritt, ist so stark, das er die Nasen reizt und nicht selten zu Erbrechen führt. Erst in 10 bisweilen 20 Stunden nach der Ausräumung ist der Gestank verschwunden.“ Die Abholpreise der „Nachteimerfrauen“, wurden von nachlässigen „Mistbauern“ unterboten. Deren Fuhren schwappten auf die Höfe der Häuser oder über die Ränder der offenen Wagen auf die Straße. Die „Kotbauern“, brachten Fäkalien zur Düngung auf ihre Felder. In den 1820er Jahren war dieses Düngerüberangebot nicht mehr auf Feldern oder Gärten unterzubringen. Die „Kotbauern“ entsorgten nun ihre Fuhren auf Freiflächen vor dem Stralauer Tor. Nicht nur das. Es kam vor, dass am Tage, nachdem die Wände gutbürgerlicher Wohnungen weiß gestrichen worden waren, die Dämpfe der Kloaken durch chemische Reaktionen das bleigesättigte Weiß in Grau verwandelten.

Miasmen

Aus Unkenntnis waren sehr nahe den Grundwasserpumpen die Sickergruben angelegt. Das Grundwasser in geringer Tiefe wurde kontaminiert und Quelle schwerer Infektionen, die sich in der Enge der Stadt schnell ausbreiteten. Im September 1831 grassierte die Cholera in der meist von armen Leuten bewohnten Stralauer Vorstadt. Von den „besseren Ständen“, die ebenfalls über keine geeignete Be- und Entwässerung verfügten, zunächst nicht ernst genommen, erreichte die Krankheit die Wohngebiete der wohlhabenden Bevölkerung. Eine panische Angst vor Ansteckung wuchs, als Friedrich Hegel an der Cholera verstarb. Die Gelehrten glaubten, „Miasmen“, aufsteigende Gerüche, wären für Cholera und andere ansteckende Krankheiten verantwortlich. Der Hygieniker Max von Pettenkofer sagte, „daß im Trinkwasser kein ursächliches Moment für die Cholera gesucht werden könne“ und gab zu bedenken: „Mit Fäkalien versetztes Abwasser gelange aus undichten Sickergruben und Kanälen in den Boden. Durch den wechselnden Stand des Grundwassers treten Schwankungen der Bodenfeuchtigkeit auf!“ Seiner Ansicht nach die Voraussetzung für die Vermehrung der Krankheitskeime.

Historischer Waschtisch | Quelle: Zeitgenössischer Katalog
Eine Frau am Waschtisch. Nur wenige konnten sich den Luxus leisten, Wasser aus dem Hahn zu beziehen. Quelle: Zeitgenössischer Katalog

Verbesserungen

Überlegungen einer Wasserbewirtschaftung waren in Berlin wenig davon geprägt, die Bevölkerung mit sauberem Wasser zu versorgen, sondern eher davon, „die Rinnsteine zu spülen“, um „ekelerregende Anblicke und Gerüche zu vermeiden.“ Als 1838 am Mühlendamm 9 Wassermühlen abbrannten, sollten neue Mühlen dem Antrieb von Wasserspülungen dienen. Aber die geringe Fließgeschwindigkeit der Spree war dafür ungeeignet. Im Oktober 1841 besichtigten Magistratsabgeordnete die Londoner Wasserbetriebe. Sie beschlossen, zwei von Dampfmaschinen angetriebene Wasserhebungsanlagen an der Spree aufbauen zu lassen. Polizeipräsident Hinckeldey, der von 1848 bis 1856 die Geschäfte führte, schloß am 14. Dezember 1852 mit den Briten Charles Fox und Thomas Crampton einen Vertrag über den Bau eines Wasserwerks und eines Netzsystems zur Weiterleitung des Wassers ab. Man dachte an Springbrunnen, Feuerlöscher, Straßenreinigung, nicht an eine Versorgung von Haushalten. Trinkwasser sollte nur über eine Länge von 60 Kilometern verteilt werden. Oberingenieur John Moore erwarb vor dem Stralauer Tor ein Grundstück an der Spree, plante und realisierte mit Betriebsdirektor Henry Gill ein Wasserwerk. Die „Berlin Waterworks Company“ war geboren. Die Kapazität der Anlage sollte ausreichen, um 300.000 Einwohner mit Wasser zu versorgen. 1856 lebten in Berlin fast 442.000 Menschen.

HIstorische Bedürfnisanstalten um 1880 | Quelle: Zeitgenössischer Katalog
Die ersten öffentlichen Bedürfnisanstalten entstanden in Berlin um 1880. Männer mussten ihr Geschäft nicht mehr an Straßenecken verrichten. Frauentoiletten entstanden erst später. / Quelle: Zeitgenössischer Katalog /

Frühe Technik

Bis zur Spreemitte war eine am Flussboden verankerte Entnahmeleitung gelegt. Von hier wurde das Wasser zur ersten Reinigung in Absetzbecken geleitet. Das Wasser durchlief vier Filter, die ungelöste Partikel entfernten und kam in ein ungeschütztes Reinwasserbecken. Pumpen belieferten den großen Behälter auf dem Windmühlenberg/Prenzlauer Berg, um eine „Säule“ mit Wasser zu erzeugen, die über ihren Druck Leitungen versorgen konnte. Ein Wasseranschluß war nur über hohe Mieten zu finanzieren und kam von daher für das Viertel um den Ostbahnhof zunächst wenig infrage, eine Modernisierung der Wohnungen ebenfalls nicht, denn ständig folgten Zuzügler auf vorherige Mieter. Erst in den 1870er Jahren wurde das Ostbahnhofsviertel kostengünstig ans Netz angeschlossen.
In den 1880er Jahren leitete das Wasserwerk unzureichend gefiltertes Wasser in das Rohrnetz ein. Eine schwere Typhusepidemie war im Winter 1888/89 die Folge. Ab August 1892 mussten die Filter des Stralauer Wasserwerks täglich gereinigt werden. Feiner Sand, grober Sand, Kies von der Erbsen-, Haselnuß,- bis zu Wallnußgröße, neben Granitfindlingen von der Faust- bis zur Mannesgröße säuberten nun das Wasser. Doch in den Sommern nahm die Algenbildung zu, in den Wintern fror das Wasser in den offenen Filterbecken. Es half nichts, am 6. November 1893, wurde das Wasserwerk am Stralauer Tor geschlossen. Die Betriebskosten stiegen immer höher, die überalterterten Maschinen störanfällig und vor allem: Die Wasserqualität der Spree hatte sich infolge der Industrieeinleitungen rapide verschlechtert.

 

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