Bäckermeister Joerg Schubbert, Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße, Friedrichshain. Foto. Dirk Moldt

Der Bäckermeister Jörg Schubbert

Bäckermeister Joerg Schubbert, Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße, Friedrichshain. Foto. Dirk Moldt
„Ich wollte immer Bäcker werden.“

„Wer gute Sachen nimmt, kann gute Sachen verkaufen.“

Der Bäckermeister Jörg Schubbert

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„Dit nenn’ ick früsch!“, kommentiert eine Kundin das Bemühen der Verkäuferin, das fast noch ofenheiße Brot in eine Tüte zu schieben. Sie braucht zwei Anläufe, um sich nicht die Finger zu verbrennen. Morgens um neun hat die Geschäftigkeit in der Feinbäckerei Schubbert in der Palisadenstraße 58 etwas nachgelassen. Meister Jörg Schubbert, ein sofort sympathisch erscheinender Mann mit kurzem blondem Haar, hat jetzt Zeit für mich. Er ist eher ein ruhiger Typ, dem man ansieht, dass er auch anpacken kann.
„Wie wird man Bäcker?“, frage ich als erstes. Die Antwort fällt Herrn Schubbert nicht schwer: „Ich wollte immer Bäcker werden. Sonnabends bin ich vor der Schule zum Bäcker gegangen. In Ahrensfelde gab es so einen richtigen alten Bäcker.“ Er strahlt, wenn er das erzählt. Als er 14 Jahre alt war, sind seine Eltern mit ihm aus Greifswald nach Marzahn gezogen, wo er heute noch wohnt. Die Eltern wunderten sich über den Berufswunsch des Jungen, ließen ihn aber gewähren. „Es ist wichtig, den Beruf auszuüben, der einem liegt“, kommentiert der Bäckermeister. „Auch bei meinen Söhnen habe ich es so gehalten. Die sind in ganz andere Bereiche gegangen, obwohl sie auch backen können und manchmal aushalfen.“ Ursprünglich wollte Meister Schubbert auf der Handelsmarine zur See fahren, als Schiffsbäcker oder Koch, aber es kam anders.

Mustergültig saniert: Die Palisadenstraße 1986. Im Hintergrund der Laden von Bäcker Heider. / Foto: Bundesarchiv Berlin, Bernd Settnik /
Mustergültig saniert: Die Palisadenstraße 1986. Im Hintergrund der Laden von Bäcker Heider. / Foto: Bundesarchiv Berlin, Bernd Settnik /

Ein schwieriger Start

Während seines Meisterkurses erfuhr er, dass Bäcker Heider in der Palisadenstraße sein Geschäft, das er Jahrzehnte lang geführt hatte, abgeben wollte. Schubbert begab sich zu ihm und man wurde schnell handelseinig. Im Mai 1995 ging es los. „Ein Sprung ins kalte Wasser“, sagt er. „Was man erlernt, ist das eine. Das andere ist die Praxis. Man macht auch Fehler.“
Damit spielt er auf eine Entscheidung im ersten Jahr an, als es gut zu gehen schien. Mit seiner Frau Julia, die im Laden als Fachverkäuferin arbeitet, erwarb er eine zweite Filiale, ohne einen Rückhalt aufgebaut zu haben. Als der Backofen kaputt ging, das Herzstück der Bäckerei, musste er diesen Laden wieder abgeben und einen Kredit aufnehmen. Um aus der Bredouille wieder heraus zu kommen, verlegte er sich aufs Liefergeschäft. Auf seiner Liste der zu beliefernden Adressen standen unter anderem die britische Botschaft, das Haus der Wirtschaft, drei Hotels, sechs Altersheime. Die Tour ging bis Adlershof von fünf bis acht Uhr morgens, sieben Tage in der Woche.
Erst 2003 war die Sache ausgestanden. Da war er auch an einem Punkt angekommen, an dem er merkte, dass es so nicht mehr weiter ging: „Die wollten immer billigere Ware aber ich habe keine Brötchenmaschine, die man bei Bedarf schneller stellen kann.“ Außerdem kostete der Lieferdienst zu viel Zeit, was ihn daran hinderte, voranzukommen.

Präzision am „Werkstück“ : Jörg Schubbert mit Torte bei der Meisterprüfung 1994. / Foto: privat /
Präzision am „Werkstück“ : Jörg Schubbert mit Torte bei der Meisterprüfung 1994.

Des eigenen Werts bewusst

Statt auf Quantität setzten Meister Schubbert und seine Frau nun auf Qualität. „Bei mir ist jedes Brötchen handgemacht. Jedes ist ein Einzelstück. Dafür sollte man auch bereit sein, entsprechend zu zahlen.“ Der Preis, der für ein Brot im Supermarkt verlangt wird, deckt noch nicht einmal die Kosten für die Zutaten, die bei ihm in einem Brot stecken. Aber die Kunden danken es ihm. Und er kann etwas Besonderes anbieten: „Makronentörtchen zum Beispiel, die verlangen einen besonderen Aufwand. Aber die mochte ich schon früher als Junge. Mit so etwas hebt man sich von anderen ab.“ Dann gibt es auch die saisonalen Waren: Stollen, Lebkuchen, Dominosteine. „Darauf freue ich mich schon Wochen vorher“ strahlt Meister Schubbert und setzt hinzu: „Ich backe genau so, wie ich auch für mich selbst und meine Familie backen würde.“

Bäckermeister Joerg Schubbert, Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße, Friedrichshain. Foto. Dirk Moldt
35 Kilo Stollenteig werden verbacken.
Da ist schnelles und präzises Hantieren nötig. Foto. Dirk Moldt

Erfahrungen ergänzen das Wissen

Wichtig sind auch gut geschulte Mitarbeiter, die wissen, wie man es richtig macht. In manchen Supermärkten schiebt man einfach mehr Teiglinge in den Ofen, um mehr Brötchen in einem Backvorgang zu backen. Was sie nicht wissen ist, dass der Ofen dann länger braucht, um warm zu werden. Die Zeitersparnis geht auf Kosten der Qualität der Backwaren.
Was in Supermärkten und Fabriken überhaupt nicht entwickelt wird, ist das Gespür für das Material: „Ich beherrsche inzwischen viel aus dem Gefühl, spüre schon mit den Händen, wenn der Teig zum Weiterverarbeiten bereit ist.“ Er nennt ein weitere Beispiel: „Ein Käsekuchen bäckt etwa 70 Minuten plus minus zehn Minuten. So etwas weiß man. Aber genau den richtigen Moment zu treffen, um ihn herauszunehmen, dafür braucht man Erfahrung.“
Doch nicht nur Wissen und Erfahrung genügen, um ein guter Bäcker zu sein. Man muss auch sehen, was andere Bäcker machen: „Ich probiere auch aus. Wenn ich irgendwo hinfahre, dann geht’s erst mal in eine Bäckerei, um zu kosten, was die da verkaufen. Meistens kauft man dann zu viel“, fügt er lachend hinzu.
Als ich nach der Zahl seiner täglichen Backwaren frage, muss Meister Schubbert erst einmal in die Schublade greifen und eine Liste herausholen. Er liest vor: „22 Brote, 25-30 verschiedene Brötchen, je nach Wochentag. Dazu kommen noch die einzelnen Kuchensorten.“ Nicht jeden Tag gibt es dieselbe Menge Backwaren und dieselben Sorten. Sonnabends muss das Dreifache der Brötchenmenge eines normalen Tages gebacken werden. Die Leute kommen, um frische Schrippen für das Frühstück zu kaufen. In der Woche wird mehr Brot verlangt, da werden Stullen für die Schule und die Arbeit geschmiert.

Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße, Friedrichshain. Blick in die Backstube. . Foto. Dirk Moldt
Blick in die Backstube. Foto. Dirk Moldt

Kein Beruf wie jeder andere

Seit vielen Jahren läuft es so gut, dass Familienurlaube gemacht werden können. Auf seine zwei Bäckergesellen, einen Konditor, drei Verkäuferinnen und einen Verkäufer kann er sich verlassen. „Wir sind eher wie eine Familie, die füreinander einsteht“, sagt Meister Schubbert. Das Wort Team, das heute gern benutzt wird, mag er nicht so. „Wir stehen füreinander ein, tauschen auch mal die Schicht, wenn es nötig ist, feiern zusammen oder gehen zusammen bowlen.“
Die Arbeit ist nicht einfach. Im Sommer bei 35 Grad Celsius in der Backstube, das hält nicht jeder aus. Morgens beginnt es um ein Uhr, außer am Sonnabend, an dem es um null Uhr losgeht. „Die Arbeit geht so lange, bis wir fertig sind. Meist ist das um acht oder neun.“ Manchmal muss auch noch dem Konditor geholfen werden. Dann dauert es eben länger. Acht Stunden Schlaf hat Herr Schubbert täglich, davon vier am Stück. Das heißt, gegen acht oder neun abends geht er ins Bett.
Nicht jeder ist bereit, sich solchen Strapazen zu unterziehen, und es werden immer weniger. 1995/96 gab es auf eine Ausbildungsstelle 120 Bewerbungen. Dieses Jahr gab es nur eine einzige Nachfrage.
Im Frühjahr 2013 wurde von der ehemalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen ein Programm aufgelegt, das Südeuropäern ermöglichen sollte, in Deutschland eine Berufsausbildung zu absolvieren. Die Berliner Bäcker-Innung lud 30 Spanier ein. „Für mich ist es nicht so wichtig, woher die Leute kommen. Warum sollten sie keine guten Bäcker werden?“ kommentiert Meister Schubbert. Aber es kam anders: Nach der nächsten Bundestagswahl wechselte die Arbeitsministerin das Ressort, der Bund strich daraufhin das Programm zusammen und die jungen Leute mussten wieder nach Hause geschickt werden.
Das Viertel hat sich geändert. In den 1980er Jahren galt das Palisadendreieck als Musterbeispiel für die Altbausanierung in der DDR. Hinterhäuser wurden abgerissen, Wohnungen mit Innentoiletten und Bädern versehen, sogar Stuck klebte man an die Fassaden der sanierten Gebäude. In die Baulücken, die der Krieg gerissen hatte, fügte man passgerecht Häuser in Plattenbauweise ein. Einige Neubauten wurden gemauert. Ein bisschen hatte die Gegend den Ruf als ein „rotes Viertel“, weil viele Wohnungen nach der Sanierung in der DDR linientreuen Bewohnern übergeben wurden. Dann kam die Wende und mit ihr junge Leute und Hausbesetzer. „Damals waren noch viel mehr junge Leute hier unterwegs, zum Beispiel Studenten.“

Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße 58, Friedrichshain. Foto. Dirk Moldt
Feinbäckerei Schubbert, Palisadenstraße 58, Friedrichshain. Von Frühjahr bis Herbst laden Tische zum Verweilen ein. / Foto: Dirk Moldt /

Kundenbindung

Inzwischen sind die Häuser saniert und die Gegend ist eher bürgerlich geworden, viel ruhiger. Tische stehen draußen, die Kunden trinken Kaffee. Dennoch blieb ein Kundenstamm erhalten. Manche kauften schon als Kinder in der Bäckerei ein. „Da wechselt man auch mal ein paar Worte. Und wenn man erfährt, dass ein Kunde verstorben ist, nimmt einen das schon mit. Man kennt ja die Leute, hat sich mit ihnen unterhalten. Gegenüber ist ja altersgerechtes Wohnen.“

Nachhaltigkeit

Was sich noch geändert hat, möchte ich wissen. Meister Schubbert wiegt den Kopf: „Früher war der Meister heilig – heute ist es der Geschäftsführer, der im Ansehen über ihm steht. In Bayern zum Beispiel, wird Handwerk noch viel mehr geschätzt, als hier.“ Handwerk aus Tradition, das heißt für den Bäckermeister, dass er auch auf die Qualität seiner Getränke achtet, Kaffee und Tee aus traditioneller Produktion anbietet. Der Kaffee zum Beispiel kommt aus einer Rösterei, die die Bohnen viel langsamer röstet und kostet im Einkauf etwa als doppelt so viel wie der normale Kaffee. „Wer gute Sachen nimmt, kann gute Sachen verkaufen“, kommentiert Meister Schubbert.
Was er noch erreichen möchte? Ein Holzofen wäre schön, damit könnte man noch manches andere Produkt anbieten. Es gibt Bäcker, die investieren nichts mehr in ihre Läden, wenn sie auf die Rente zugehen. Für ihn unmöglich, das ginge gegen seine Bäckerehre. „Aber was ist der Laden?“, fragt er und antwortet gleich: „Der Laden ist nicht viel. Die Kunden sind das Wertvolle.“
Einmal im Monat gibt es ein Kinderbacken. Dann können Kinder Brötchen backen und mit ihrem Namen versehen mit nach Hause nehmen. Das macht allen großen Spaß. Die Termine sind sehr begehrt. Es hat schon Anfragen von Kitas aus Köpenick gegeben. Wer weiß, vielleicht ist unter den Kindern eins, das einmal Bäcker wird?
Jeder Beruf ist mit Mühsal verbunden, wenn man ihn ernst nimmt. Aber so viel Freude an der Arbeit und Stolz auf die eigenen Produkte habe ich selten kennen gelernt. Als ich mich aus der Bäckerei fort begebe, ertappe ich mich bei der Frage, warum ich eigentlich kein Bäcker geworden bin.

www.feinbaeckerei-schubbert.de

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