Der große Tag
Am 12. Oktober kam es zu einem Zwischenfall. Bis abends um sechs waren die Zimmerleute mit ihren Arbeiten am Bahnhofsgebäude beschäftigt, die Tapezierer arbeiteten noch bis Mitternacht. Um sechs hatte eine Militärwache das Gebäude bezogen. In einem Rapport hieß es, daß gegen zehn Uhr nachts eine Schlägerei im Bierhaus Wattelt neben dem Empfangsgebäude losging, die sich auf der Chaussee fortsetzte. Der Leiter der Wache fürchtete eine Beschädigung des neuen Gebäudes und „verwies beide deshalb zur Ruhe“. Dann aber war es so weit. Die 2.200-Meter- Strecke von Rummelsburg zur Frankfurter Chaussee bewältigte der Zug in gemächlichen zwöf Minuten. Um 11:35 Uhr fuhr er ein. Das Herrscherpaar in Begleitung des Kronprinzen und der Kronprinzessin wurde in Empfang genommen. Eine Beschreibung des Bahnhofs liefert ein von der Hofdruckerei 1873 herausgegebener Prachtband: Der Bahnsteig hatte „Blumengirlanden, Myrten- und Orangenbäumen, eine hoch gewölbte, offene Halle, welche die Inschrift trug: ‚Willkommen dem gekrönten Königspaare‘“. Aus dieser Halle gelangte man in den Hauptsalon, „überwölbt mit einer blauen, mit goldenen Sternen versehenen Kassettendecke. Am Friese glänzten die Wappenschilde der einzelenen Provinzen und Städte des Landes, […]. Den Hintergrund zierte die lebensgroße Statue der Rauchschen Victoria“. Neben diesem Salon befanden sich „besondere, elegant ausgestattete, durch Oberlicht erhellte Toilettengemächer […]. Die äußere Bekleidung der Wände des mit städtischen Wappen und einem reichen Schmuck Preußischer, Weimarischer und Berliner Fahnen gezierten Baues war rot und grün mit Einfassung von Goldleisten. Auf der obersten Höhe der Kuppel breitete ein mächtiger goldner Adler seine Schwingen aus“. Nachdem sich das Königspaar seiner Reisebekleidung entledigt und die Insignien seiner Königswürde angelegt hatte, konnte der große Empfang vollzogen werden. Die ganze Stadt schien aus dem Häuschen zu sein. Die Empfangshalle – von vornherein für den einmaligen Gebrauch geplant, wurde bald verkauft und abgerissen, der Schienenstrang zurückgebaut.
Vielen Dank für diesen anschaulichen Bericht, der dieses Ereignis, das an Kuriosität nichts zu wünschen übrig lässt, der Vergessenheit entreißt.
Gerade wegen der geplanten Verlegung der Tramlinie M21 weg von der Boxhagener Straße ist die Erinnerung an dieses historische Ereignis von besonderer Bedeutung, zumal es sich zum 160. Male jährt.
Wer heutzutage mit der Tram M21 fährt, kann ein Stück der Krönungsbahnfahrt hoffentlich auch in Zukunft nachempfinden.